[Dieser Artikel erschien erstmals im März 2020] Gemeinsam mit ihren Eltern und zwei Schwestern betreibt Denise Marrone das Weingut Agricola Marrone bei Alba in der Barolo-Gemeinde La Morra. Es ist die vierte Generation in Weinberg und Keller. Mit dem Nebbiolo-Boom ab den späten 1990er-Jahren kam der Wohlstand. Man kann hier einkehren, gut essen, sich durchs Repertoire des Betriebs kosten und an einer Kellerführung teilnehmen. Es gibt Barbera, Dolcetto, Nebbiolo, Barbaresco, Barolo und die Weine aus den weißen Sorten des Piemont: Arneis, Favorita, Moscato.
Die Marrones gebieten über 17 Hektar Rebland und füllen in einem durchschnittlichen Jahr 180.000 Flaschen ab. Ende Januar traf der Captain die Önologin der Familie: Serena Marrone. Es war bei einem feudalen Abendessen mit Winzern der Region. Man plauderte ein bisschen, verkostete und tauschte höflich die Visitenkarten aus. Dabei entstand dieses Foto:
Wochen später erreicht den Captain eine E-Mail von Serenas Schwester Denise, die im Weingut die PR und den Export nach Deutschland verantwortet: Helfen sie mit, unser armes Italien zu retten! Puh, das große Italien retten? Was kann der Captain mit seinem kleinen Schiff da beitragen?
Denise will, dass man bei allen Schreckensnachrichten die Schönheit der Langhe nicht vergisst, auch die Menschen, das gute Essen und natürlich den Wein. Und weil sich ab sofort keiner mehr frei bewegen darf, greift sie zum Handy und macht Socialmedia:
Denise, erzähl uns mehr über dich! Ich bin 1979 geboren, studierte Sprachen in Alba. Meine Tochter Martina ist 12. Ich ziehe sie alleine auf.
Hast du Angst vor dem Virus? Überhaupt nicht! Ich habe aber große Angst, dass unsere Wirtschaft zusammenbricht. Wir sind am Ende.
Bei euch sterben die Menschen. Warum fürchtest du dich nicht vor dem Virus? Das ist nur eine etwas heftigere Grippe. Ich bin jung und kräftig. Wenn es mich erwischt, wird es mir eine zeitlang schlecht gehen, aber ich werde überleben.
Und die kleine Martina – machst du dir keine Sorgen um sie? Nein, die Schule hat geschlossen und sie bleibt zu Hause. Auch sie wird überleben, weil sie jung und gesund ist.
Wie wirkt sich der Zusammenbrauch auf euer Weingut aus? Wir betreiben ein Restaurant und das ist jetzt leer. Keine Reservierungen bis Ende April. Die Reisebüros haben alle Weinverkostungen abgesagt und der Export ist völlig zum Erliegen gekommen. Vom Staat ist keine Hilfe zu erwarten.
Was ist euer Plan, durch diese schwierige Zeit zu kommen? Wir baten alle Mitarbeiter, bis auf weiteres zu Hause zu bleiben. Vermutlich können wir die März-Gehälter nicht voll auszahlen. Zurzeit rechnen wir mit dem Verlust von einem Drittel des Jahresumsatzes. Das ist nur eine vorsichtige Schätzung.
Wie wichtig sind die großen Weinmessen ProWein (abgesagt) und Vinitaly (verschoben) für euer Geschäft? Die großen Messen werden überschätzt. Ich denke, mit direkten Besuchen und dem Versand von Probierflaschen kommen wir gut zurecht.
Der Captain kramt in seinen Aufzeichnungen seiner Langhe-Reise und findet die Verkostungsnotiz des eleganten Nebbiolo d’Alba Superiore Agrestis aus dem Hase Marrone, der einem klassischen Barolo sehr nahe kommt und deshalb nicht ganz billig ist. Die Trauben dieses kühlen und dabei sehr saftigen Weins wuchsen auf tonreichen Böden mit Einschlüssen von Kalk. Seine Rebstöcke wurden 1968 gepflanzt. Er vergor im großen Fass und reifte über 18 Monate im gebrauchten Holz. Im Glas rubinrot mit orangen Reflexen. In der Nase dichter Schmelz nach Milchschokolade, Kirschpraline, Haselnuss. Im Mund getrocknete Kräuter, Kirschsaft, rassiger Grip und deutliche Extraktsüße, dann pfeffrige Würze und sanfte Tannine. Im Abgang ein Hauch Vanille. Das ist definitiv ein kleiner Barolo!
Denise, glaubst du, diese Krise könnte das Weingeschäft positiv verändern und zu mehr Nachhaltigkeit führen? Ich glaube, das Virus ist eine Quittung für unseren Umgang mit der Welt. Wir arbeiten in den Weinbergen biodynamisch, verwenden Kartons aus recyclter Pappe, aber das alles ist nicht genug. Die Weinwelt wird anders sein, wenn wir diese schlimme Zeit überstanden haben.