Seid ihr auf den Tag X vorbereitet?
Es gibt Menschen, die sind auf alles vorbereitet. Zwar nicht auf die nächste Sintflut, nicht auf eine Invasion menschenfressender Zombies und auch nicht darauf, dass der VfB Stuttgart aus der Bundesliga fliegt – was in meinen Augen von der Dramatik her nicht weit weg ist von den ersten beiden Szenarien.
Aber immerhin auf einen totalen Strom-Blackout und ein Zusammenbrechen der öffentlichen Versorgung und Ordnung. Prepper nennen sich diese Leute, das kommt vom englischen Wort to prepare = vorbereiten. Sie horten Vorräte und Ausrüstung, um im Ernstfall mindestens zwei Wochen autark zu überleben.
Spinner?
Nicht in den Augen der Regierung. Als der Kalte Krieg zu Ende war, steckte sie das Geld lieber in andere Dinge als in den Zivilschutz. Die Freude war von kurzer Dauer. Der 11. September 2001 zeigte die Verwundbarkeit der modernen Zivilisation. Deshalb gibt das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe eine offizielle Einkaufsliste heraus. Die Empfehlung: „Ihr Ziel muss es sein, 14 Tage ohne Einkaufen überstehen zu können.“ Dazu gehören nicht nur Lebensmittel, sondern auch Feuerlöscher, Taschenlampe, Schutzhelm, Batterien, Müllbeutel, Seife, Durchfallmittel, Heizgelegenheit usw.
Außerdem lese ich, dass ich zum Beispiel 4,9 Kilo „Getreide, Getreideprodukte, Brot, Kartoffeln, Nudeln, Reis“ pro Person horten soll. 0,5 Kilo „Öle, Fette“. Ich verbrauche normalerweise schon pro Woche einen Liter Olivenöl, das werden harte 14 Tage.
Mal schauen, was mir das Bundesamt in der Rubrik „Getränke“ vorschlägt: 28 Liter. In der Spalte mit den Bemerkungen steht in reinstem Amtsdeutsch: „Bei dem vorgeschlagenen Getränkevorrat wurde über den reinen Bedarf hinaus ein Zuschlag vorgenommen, um unabhängig von der öffentlichen Trinkwasserversorgung auch über Wasser zur Zubereitung von Lebensmitteln wie z. B. Teigwaren, Reis oder Kartoffeln zu verfügen.“
Aha.
Aber jetzt mal im Ernst, liebe Beamten: Wie soll ich einen Katastrophenfall überstehen, Ruhe, Nerven und Übersicht bewahren, ohne die beruhigende Vorfreude auf einen abendlichen Schluck Wein? Und wenn die Katastrophe wirklich mein Ende bedeutet, bin ich mir nicht sicher, ob ich das nüchtern erleben möchte!
Ich bin drauf und dran, den Wisch zu zerknüllen und in den Papierkorb zu befördern, da fällt mein Blick auf einen Satz: „Berücksichtigen Sie bei Ihrer Planung persönliche Vorlieben, Diät-Vorschriften und Allergien.“
Na also!
Ich erweitere die Liste in Gedanken um den Punkt: Weine, die den Weltuntergang erleichtern und notiere mir den Edicion Limitada Crianza vom Weingut Ramón Bilbao aus der Region Rioja. Dieser Tropfen aus 100% Tempranillo-Trauben ist ein echtes Schwergewicht. Im Angesicht der Apokalypse will ich nämlich keinen leichten Riesling Kabinett trinken.
Schon was mir da aus dem Glas in die Nase steigt, ist an Dichte, Fülle und Wucht schwer zu überbieten. Vollreife, rote Früchte wie Himbeere, Süßkirsche, Erdbeere und Johannisbeere benebeln das Hirn. Perfekt, um meine schlechte Laune über die Weltlage zu vertreiben. Der Wein kann nicht verleugnen, dass er Fässer aus amerikanischer Eiche von innen gesehen hat. 14 Monate reifte er in Barriques aus den USA und Frankreich. Spuren von Kokos und eine sehr deutliche Vanillenote strömen durch meine Nase. Am Gaumen jedoch präsentiert sich der Wein herrlich verspielt, weich und cremig. Überraschung! Es dominieren wieder die roten Früchte. Vanille und etwas Zimt spielen die zweite Geige. Die mächtigen 14 Volumenprozent Alkohol sind gar nicht unangenehm zu spüren. Ein schöner Wein für den einsamen Abend bei Stromausfall und Kerzenlicht.
Eine Wuchtbrumme, wie ich sie mag. Mollig aber nicht fett, durchaus mit Struktur und Finesse.
Dazu grille ich mir gerne was oder esse einen traditionellen, bayrischen Schweinebraten – falls ich mein Notstromaggregat zum Laufen bekomme.