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Weinkönigin: Ossis raus?

Ich muss draußen bleiben.
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Eine Ex-Kandidatin aus dem Osten schrieb dem Captain eine traurige E-Mail. Tenor: Wir haben keine Chance, Deutsche Weinkönigin zu sein. Hat sie recht?
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Jedes Jahr treten regionale Gebietsweinköniginnen gegeneinander an, damit eine von ihnen Deutsche Weinkönigin wird. Manche haut schon vorher hin, denn die Belastung ist nicht gering. Auch dieses Jahr fehlt eine. Die Kandidatin aus der Anbauregion Mittelrhein zog sich zurück.

Neulich fragte der Captain nach der Socialmedia-Kompetenz der Kandidatinnen → Wie 3.0 ist die neue Weinkönigin?

Fazit: Online-Kommunikation wird auch beim Wein immer wichtiger, aber nicht viele Bewerberinnen für die Krone nehmen das zur Kenntnis. Vor allem auf Facebook entbrannte ein heftiger Disput, inwieweit sich die Kandidatinnen persönlich einbringen sollen oder nicht. Der Captain meint: ja natürlich! Manche sagen: alles hat seine Grenzen. Dann erreichte den Captain diese traurige Mail einer ehemaligen Kandidatin, die aus Sachsen oder Saale-Unstrut kommt. Genaues weiß man nicht, denn das Schreiben kam anonym. Tenor: Wir haben keine Chance gegen die westlichen Kandidatinnen, weil uns der Rückhalt von zu Hause fehlt. Der Captain ist sich nicht sicher, ob die Vorwürfe stimmen. Er hält das emotionale Schreiben trotzdem für authentisch und entschied sich für die Veröffentlichung.

Lieber Captain, ich wartete schon gespannt, ob Sie – wie in den vergangenen Jahren – wieder etwas über die Kandidatinnen zur Wahl der Deutschen Weinkönigin posten. Klar kann man darüber streiten, ob Ihre Berichterstattung korrekt oder fair ist, aber dies macht doch die freie Meinungsäußerung aus.

Bei Ihrem aktuellen Beitrag kann ich Ihnen nur Recht geben, dass das Thema Socialmedia-Auftritt immer wichtiger wird und das nicht nur über die offiziellen Seiten auf Facebook und Instagram. Denn dort erscheint nur der übliche Standard. Im Zweifel wird der Inhalt vom jeweiligen Verband genau überprüft, bevor er veröffentlicht wird. Auf den privaten Seiten bekommt man einen besseren und direkteren Einblick in das wahre Leben der jeweiligen Personen, meist auch ungefiltert. Eine Wein-Hoheit trägt ihre Krone bei öffentlichen Terminen. Ich halte es für wichtig zu wissen, ob die Königin auch ohne Krone ihre Aufgaben verfolgt oder dies nur mit dem Kopfschmuck tut. Wir Menschen kaufen Wein wegen Geschichten und Personen. Es geht um Emotionen. Daher ist es wichtig, sich zu öffnen und Einblicke zu erlauben. Unabhängig davon, ob man Weinkönigin ist oder ein Weingut besitzt. Die Menschen wollen den Alltag sehen und nicht nur das perfekte Bild. Wir müssen präsent sein, nicht nur mit gestellten Bildern.

Am vergangen Samstag sah ich mir die Live-Übertragung des Vorentscheides an und erstellte zwei Listen über die Kandidatinnen. Einmal weinpolitisch gesehen [mächtiger Verband im Rücken] und wie stark die aktuelle Socialmedia-Reichweite der jeweiligen Kandidatin ausfällt. Genauso machte ich es auch im vergangenen Jahr. Jedes Mal kam ich zum gleichen Rückschluss, dass Bekanntheit und Politik für die Wahl ausschlaggebend sind. Das war vielleicht schon immer der Fall. Es fällt jedoch auf, dass die Online-Präsenz immer wichtiger wird.

Hier unterbricht der Captain das Schreiben und berichtet von einem gar wunderlichen Wein aus Sachsen, den er neulich trank. Nein, nicht weil der Osten eine Gehhilfe braucht, sondern weil es sich hier um einen bemerkenswerten Tropfen handelt, der leider nicht ganz billig ist, weil die Herstellung viel Arbeit machte. Es ist der Zweigelt (!) Sacrebleu 2016 aus steiler Lage. Der Winzer verfügt über zwei kleine Flächen in Wachwitz (Dresden) und am Steinrücken in Radebeul und heißt Alexandre Dupont de Ligonnès, was für Sachsen nicht wirklich typisch klingt. Alexandre, der in Paris zur Welt kam, erklärt die Herkunft des Weins: Die Anlage wurde 2002 von einem pensionierten Weinliebhaber aus einer alten Heilbronner Winzerfamilie am Steinrücken in Radebeul auf vulkanischem Boden mit Syenit-Gestein angelegt. Auf knapp 2.000 Quadratmetern terrassierter Steillage wächst zu einem Drittel Blauer Zweigelt, woraus 2016 mein erster Rotwein entstand. Es war das erste Jahr nach biologischer Bewirtschaftung, Achtung: keine Zertifizierung! Ein Anschnitt auf 6-8 Augen und entsprechende Traubenteilung der sehr kompakten Trauben ergaben letztendlich eine Ausbeute von niedlichen 90 Litern, wovon 60 Liter im noch niedlicheren Eichenholzfass (4. Belegung) und der Rest im Glasballon ausgebaut wurden. Die Abfüllung erfolgte nach 10 Monaten ungeschwefelt und unfiltriert und ergab ca. 120 Flaschen. Aus dem Jahrgang 2017 gibt es diesen Wein als Cuvée aus 80% Spätburgunder und 20% Zweigelt. Bezugsquelle und Preis findet ihr unter diesem Artikel.

Selbstverständlich leerte der Captain diesen Wein mit verheißungsvollem Namen, um euch darüber zu berichten: Dunkelviolette Färbung. In der Nase zunächst Cassis und Kirsche. Nachdem der Wein ein wenig Luft tankte, treten erdige Noten hervor, dann ein bisschen Kuhstall, Johannisbeergelee, Rote Beete, Brotkruste und Blut. Im Mund erfreulich mineralisch und kühl, wie sich das für einen Hipsterwein gehört. Das ist was ganz anderes, als man von manch breitem Zweigeltimport aus dem Ursprungsland Österreich gewohnt ist. Die Säure ist weich, aber präsent, die Tannine vorhanden, aber dezent. Ich schmecke Pampelmuse, Sauerkirsche und kalkige Trockenheit. Ein charaktervoller Wein mit Ecken und Kanten, so kühl und schaurig wie die Winternacht.

In einem TV-Beitrag erklärt der sächsische Sommelier Silvio Nitzsche Jungwinzer Alexandre Dupont de Ligonnès und seine Weine:

Zurück zur Gebietweinkönigin aus dem Osten und ihrem Brief an den Captain…

Ich selber war Gebietsweinkönigin [aus dem Osten] und nahm bei der Wahl der Deutschen Weinkönigin teil. Man merkt schon im Vorfeld, ob deine eigene Region sich überhaupt Chancen für dich ausrechnet. Das war bei mir nicht der Fall. Kaum jemand aus meinem Gebiet kam nach Neustadt. Was schon sehr hart ist, denn man fragt sich, warum man sich das alles antut. Unter Druck kann man wachsen. Aber mit Gleichgültigkeit…?

Politiker, Weinblogger, Presseleute – fast alle, die in der Jury und im Publikum saßen, stammten aus den westlichen Weinregionen, vor allem Rheinland-Pfalz. Logisch, dass aus dem Osten viel weniger Stimmen zusammenkamen. Meistens kennt man die Kandidatinnen aus dem Osten gar nicht. Im Gegensatz zu den Bewerberinnen aus dem Westen, die aus der regionalen Presse schon monatelang vorher abgefeiert werden.

In meinen Augen spielt die Politik bei der Wahl der deutschen Weinkönigin immer eine Rolle. Obwohl das von offizieller Seite bestritten wird. Man muss nur schauen, wer alles zur Jury gehört. Es wird immer darauf Wert gelegt, dass Vertreterinnen aus den größeren Anbaugebieten im Halbfinale landen. Die kleinen Anbaugebiete, vor allem die östlichen, sind oft außen vor. Ihren Kandidatinnen fehlt der Rückhalt. Von dort kommen immer nur die Chefs der Weinbauverbände als Juroren. Auch im Publikum ist der Osten stark unterrepräsentiert. Winzer und Familien scheuen die weite Anreise mitten in der Lesezeit.

Gebietsweinköniginnen zu finden, die sich zur Wahl der Deutschen Weinkönigin stellen, wird ja generell immer schwerer. Das gilt nicht nur für Sachsen und Saale-Unstrut. Denn Aufgabenfülle und Termindruck nehmen zu. Daher lockern die Verbände die Bedingungen immer mehr, um auch genügend Bewerber für das Amt zu bekommen. Aus Sachsen kamen in den letzten 10 Jahren genau zwei Damen ins Halbfinale. Ich bin dankbar für die Erfahrung, die ich sammeln durfte. Bitte lassen Sie meinen Namen weg. Viele Menschen können nicht mit Kritik umgehen und finden Wege der Vergeltung. Ich selbst wusste von Beginn an, dass ich keine Chance habe. Aber es war mir wichtig, mir selbst und meinem Gebiet zu beweisen, dass ich es bis ins Finale schaffe. Denn oft wird man als Gebietsweinkönigin hinterfragt, ob man denn überhaupt geeignet sei, an der Wahl zur Deutschen Weinkönigin teilzunehmen.

 

Datum: 26.9.2019
 

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