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Darf man Wein mit Frauen vergleichen?

Ihm gehört Noble Hill: Christopher Tillery.
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Ein südafrikanisches Winzer schwelgt über seinen saft- und kraftvollen Viognier wie über eine schöne Blonde mit Grips. Das ist nett gemeint, aber trotzdem daneben. Oder sind wir alle schon überempflindlich?
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Es geht um Wein. Aber heute auch um ein bisschen mehr. Nämlich die Frage, wie viel Macho-Blabla in der ehemaligem Männer-Domäne Wein noch zeitgemäß ist.

Warum ich jetzt darauf komme? Naja, meine Verkoster und ich probieren regelmäßig Weine und wenn uns einer schmeckt, sehen wir nach, welche Informationen der Winzer über die konkrete Flasche rausgibt. So war das auch beim südafrikanischen Viognier von Noble Hill, das am Fuße des Simonsbergs in der Weinregion Paar liegt, keine 50 Kilometer westlich von Kapstadt.

Mir schmeckte dieser Wein gut. Ein nicht uninteressanter Tropfen voller Breite, Kraft und dezenten Röstaromen. Und einem ordentlichen Schuss Alk. Fast 14 Volumenprozent. Das ist viel für einen Weißen. Kurz, ein Wein, der vermutlich den Geschmack vieler Rotweintrinker trifft.

Auf jeden Fall etwas für meine Leser, dachte ich. Dann fand ich auf der Website des Weinguts das hier:

„Wie eine schöne Blondine mit Doktortitel in Astrophysik ist unser Viognier eine Augenweide, die sich nicht scheut, ihre Substanz zu zeigen.“

Hrmpf! Welche Substanz?

So etwas hat man schon lange nicht mehr gelesen. Ein bisschen ungeschickt, fast schon komisch. Natürlich kein Drama. Die Welt hat andere Probleme. Aber ein bisschen aufgestoßen ist mir das schon. Obwohl ich selber schon in die Sexismus-Falle gestolpert bin. Es gibt halt zu wenig Frauen hier an Bord. Leider.

Noble Hill-Eigentümer Christopher Tillery ist sicherlich kein tumber Burenschädel, ganz im Gegenteil. Wirtschaftsstudium in Harvard, danach Spezialisierung auf nachhaltiges Wirtschaften im Institut d’Etudes Politiques de Paris und ein bisschen Strategieberatung, bevor er das Familienunternehmen in Paarl übernahm. Sein Interesse gilt vor allem dem naturnahen Weinbau, liest man.

Kann es sein, dass bei aller liebevollen Konzentration auf Scholle, Traube und Fass das Feingefühl für’s Zwischenmenschliche verloren geht?

Nun zum Viognier, ob Männerwein oder nicht. Ich schulde euch noch den Verkostungsbericht. Viognier ist eine urfranzösische Rebsorte und ursprünglich an der Rhône zu Hause. Typisch sind ein recht hoher Alkpegel und der sehr aromatische Duft nach Aprikose, Pfirsich und Veilchen. Und ein charakteristisch-kraftvoller Geschmack. In der Nase harte Kiwis und Honigmelone. Interessante Mischung! Alles sehr kräftig. Und vielversprechend. Im Mund volle, saftige Breite und Kraft. Noten von Orange, Birne und ein ganz wenig Sellerie. Sanfte Röstaromen. Die Säure hält sich sehr zurück. Dezente Vanilletöne und etwas Kakaobohne würzen den Gaumen. Klar, der Wein reifte 9 Monate lang in französischen Eichenfässern. Am Ende des Schlucks kommen noch ein paar Kräuter dazu. Der Abgang (also das Mundgefühl nach dem Runterschlucken) ist angenehm lang.

Viognier ist kein Wischiwaschi-Wein. Natürlich nur, wenn der Winzer was kann. Die Rebsorte ist nicht sehr weit verbreitet und immer etwas teurer als andere Weine. 1968 war die Anbaufläche in ganz Frankreich auf 14 Hektar zusammengeschrumpft. 2007 waren es schon wieder über 4.100 Hektar. In Deutschland wurde 2009 ein Bestand von 4 Hektar mit Viognier-Rebstöcken gemeldet.

Südafrika, wo man einen Weinbau betriebt, der sich sehr in der französsichen Tradition verwurzelt sieht, gehört neben Kalifornien, Chile, Neuseeland und Australien zu den jungen Viognier-Kolonien. Das Weingut Noble Hill produziert im Jahr nur ein paar Hundert Flaschen Viognier. Der Weinberg wird mit Zitrus-Chips gedüngt. Zitrus-was? Es sind dünn geschnittene, getrocknete Zitronenscheiben. Ob sich das auf den Geschmack im Wein auswirkt? Schon möglich.

Ein schöner, charaktervoller Wein voller Kraft, Frucht und Frische und mit ganz wenig Säure. Wie gesagt: ein Weißwein für Rotweintrinker, der sein Geld wert ist.

Essen? Das ist ein toller Wein für Ente und Gans. Weil er kräftig und frisch genug ist, um gegen die starke Aromatik der beiden Viecher anzukommen und einen größeren Trinkfluss als Rotwein hat. Und mit seiner Saftigkeit gegen die etwas trockene Faserigkeit des Fleisches steht.

 

Datum: 31.10.2017 (Update 27.4.2022)
 

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