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Verschlafen die Winzer das Internet?

Fassliebe: Wein-Influencer Benjamin Schmitt.
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Influencer Benjamin Schmitt macht dem Weinmarkt vor, wie man über Instagram Weine verkauft. Mit seiner neuen Marke WEINCROWD.
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Der Weinhandel via Internet kommt kaum ins Rollen. In Deutschland. Anderswo läuft es wie geschmiert, zum Beispiel in Frankreich, Großbritannien und den skandinavischen Ländern. Vermutlich hängt der deutsche Endverbraucher zu sehr an den alten Sitten und begnügt sich mit überschaubaren Angeboten, die der Einzelhandel bietet. Dabei gibt es so viel mehr zu entdecken.

Das haben auch die sogenannten Influencer erkannt. Diese „Beeinflusser“ haben nicht gerade den besten Ruf, was eher daran liegt, dass sie den etablierten Medien-Oligarchen zunehmend lästig werden und an den Werbebudgets der Marken mitnaschen. „Unlauterer Wettbewerb“ tröten Burda & Co. und reden die neue Konkurrenz schlecht. Ja, wenn’s ums eigene Geld geht, werfen die Schlachtkreuzer der freiheitlichen Ordnung schnell mal jede Ausgewogenheit über Bord.

Einer dieser Influencer ist Benjamin Schmitt aus Rüsselsheim.

Als → @schmitt_mainwein erreicht Benni fast 12.000 deutschsprachige Weinfreunde, was für Deutschland ein Spitzenwert ist. Schmitt gehört zu den einflussreichsten Influenzern der Weinszene. Bennis Posts kommen einfach gut an und manchmal wird er dafür gut bezahlt.

Das könnte daran liegen, dass Benjamin Schmitt Marketingfachmann ist.

Bis vor kurzem war er für einen Finanzdienstleister tätig. Dann wechselte er ins Weinfach und steuert seit Anfang 2019 das Marketing eines Startups, das Winzern dabei hilft, alle Prozesse im Betrieb digital abzubilden und effizienter zu gestalten.

Benni hat sein Leben voll und ganz dem Thema Wein verschrieben. In mehrfacher Hinsicht. Denn seit Ende letzten Jahres ist der Vater zweier kleiner Söhne auch noch Unternehmer. Mit seinem Projekt → WEINCROWD.

WEINCROWD schafft, was noch keinem einzigen deutschen Winzer gelungen ist: Die Schöpfung einer deutschen Weinmarke nur für das Internet.

WEINCROWD ist erst seit wenigen Monaten am Start. Die Idee war, Weine zu erzeugen, die unter Mitwirkung der Instagram-follower kreiert wurden.

Offenbar funktioniert der Plan, denn mit Jungwinzer Reinhard Seidel aus Alsheim fand Benni einen kongenialen Partner, der bereit war, sich bei der Herstellung reinreden zu lassen. Wer Winzer kennt, weiß, dass dies keine Selbstverständlichkeit ist. Aber Seidel musste nicht überredet werden.

Denn er saß im Spätherbst 2018 auf einer Mega-Ernte wie alle anderen auch und fragte sich, wie er das ganze Zeug verkaufen soll. Da kam Benni gerade recht. Denn Seidel dachte schon länger über neue Vertriebswege nach.

Bennis Erfahrung in der Finanzbranche, die (völlig zurecht) gegen viel Misstrauen kämpft, gab den Weg vor. Auch Weinkauf ist Vertrauenssache. Und dieses Vertrauen muss man sich verdienen. Schmitt: Der Faktor Mitbestimmung war für das Projekt entscheidend.

Die Crowd durfte bei vielen Fragen mitreden:

  • Spontanvergärung oder kontrollierte Vergärung?
  • Ausbau im Holzfass – ja oder nein?
  • Logo-Design
  • Kork oder Drehverschluss?
  • Schlegelflasche oder Burgunderformat?
  • Lust auf Rosé – feinerb oder trocken? Farbe blass-rosa oder knalliges Pink?

Und so weiter. Das Ergebnis sind (bisher) zwei basisdemokratische Weine, die der Captain verkostete. Wer genau wissen will, wie die WEINCROWD-Weine schmecken, klickt einfach auf die Bilder:

Im Winter soll noch ein Spätburgunder hinzukommen.

Vom Weißburgunder, der alles andere als günstig ist, haben bereits 500 Flaschen das Weingut verlassen. Die meisten Kunden bestellen im 6er oder 12er-Paket.

Benni, wie hältst du die Crowd bei der Flasche? Man muss den Leuten das Gefühl geben, dass sie was bewegen. Und man muss ihnen regelmäßig zeigen, was wir tun. Das reißt die Menschen mit.

Ja, die Einbindung des Publikums in den Winzeralltag scheint erstaunliche Effekte zu erzielen. Das bestätigt auch der höchst erfolgreiche Social-Media-Weinberater Emanuele Trono im Interview mit dem Captain:

Wie geht Social Media für Weinleute?

Neuerdings kann man bei der WEINCROWD Rebstock-Patenschaften erwerben. Winzer Reinhard Seidel hat dafür extra einen neuen Weinberg angelegt.

Die Patenschaft für drei Rebstöcke über den Zeitraum von drei Jahren kostet 90 Euro. Rebenpapa oder Rebenmama erhält jährlich eine Flasche Pinot Blanc Fumé, ein schickes T-Shirt und eine Urkunde. Und drei Jahre lang 10% Rabatt auf alle Weine. Benni: Das wirkt wie ein Kundenbindungsprogramm.

Zum Wein kam Benni vor vielen Jahren. Der Schwiegervater hatte in seinem Keller klingende Namen liegen: Château Margaux, Château Mouton-Rothschild…

Davon hatte Benni irgendwo schon mal was gehört und war neugierig. Der alte Herr ließ sich nicht lumpen und schenkte großzügig ein. Benni war infiziert.

Zwei Jahre lang war Benjamin Schmitt auf Instagram aktiv, bevor er beschloss, sich aufs Thema Wein zu konzentrieren. Das tägliche Hochladen neuer Inhalte ist eine anstrengende Tüftelei. Einfach mal huschhusch was reinstellen, bringt nichts. Und man muss sich auskennen: Hashtags, Storys, Markierungen etc. Da muss sich einer erstmal reinfuchsen.

Winzer Seidel, der zwei kleine Töchter hat, lernte Bennjamin Schmitt über Instagram kennen. Schnell kam die Idee zu einem gemeinsamen Weinprojekt auf. Wenn man sich ansieht, wie liebevoll und gleichzeitig professionell bis zum kleinsten Detail alles ausgestaltet ist, kann man den beiden jeden denkbaren Erfolg wünschen. Und vielen anderen Winzern, dass sie das Internet endlich als Chance begreifen.

 

Datum: 23.6.2019 (Update 22.12.2019)
 

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