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Julia Walter: Soll ich einen Winzer heiraten?

Die Eheleute Julia und Gerrit Walter beim Photoshooting des Captain.
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Der Captain hört oft diese Frage von Frauen: Kennst du einen netten Winzer für mich? Ja, sagt er dann, aber... Und dieses ABER wird lang. Denn die Vorstellung vom Leben im Weingut weicht von der Wirklichkeit ab.
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Der Captain lebt im Moloch Berlin und hat hier einen gewissen Ruf. Man sagt, er kenne viele Winzer. Deshalb wird er von Frauen gefragt, ob er einen netten Weingutsmann wüsste, den man kennen lernen könnte. Nur mal so, um zu schauen, ob sich da was entwickelt. Etwas Bleibendes.

Ja, die große Stadt. Hier gibt es viele Frösche, die man gerne küsst. Nur leider verwandeln die sich nachher nicht in Prinzen, sondern meistens tja: in Kröten. Immer wieder dasselbe. Der Captain schaut dann diese Frauen ein bisschen traurig an und macht dann etwas, was er selten tut. Er antwortet mit einem Zitat: Die richtigen Männer sind entweder schon verheiratet oder sie arbeiten zu viel. Copyright: Juliette Grecó.

Aber man soll die Hoffnung nie aufgeben. Und ja, es gibt natürlich Winzer, die ungebunden sind und eine Verbindung ist durchaus in Erwägung zu ziehen. Also: Wie ist das Leben, wenn man einen Winzer geheiratet hat?

Diese Frage kann der Captain gar nicht selbst beantworten und lässt deshalb eine Expertin zu Wort kommen: Julia Walter, Ehefrau des Moselwinzers Gerrit Walter aus Briedel.

Warum genau die beiden? Das ist schnell erklärt: Bis zur ersten Begegnung mit Gerrit hatte Julia kaum Berührungen mit Wein. Und Gerrit ist nicht nur Winzer, sondern richtig guter Winzer. Weshalb das für die Ehe kein Nachteil ist, erklärt Julia dem Captain im Interview.

Im Sommer 2017 heirateten Julia und Gerrit. Bereits der malerische Auftakt ließ die Herzen zerfließen. Man betrachte einfach das Foto unten. Wir sehen die beiden vor dem Alter der barocken Klosterkirche Springiersbach. Seither gingen die Jahre ins Land. Immer gutes Essen und Trinken, ein Leben in und mit der Natur. Julia, was ist der größte Irrtum über den Alltag im Weingut? Viele sehen die Arbeit nicht. Man hat als Außenstehender den Eindruck, dass nur im Herbst gearbeitet wird, ansonsten ist das Jahr entspannt. Die Wirklichkeit ist ganz anders. Nur in den Tagen nach Weihnachten ist es relativ ruhig. Im Januar geht’s los mit Schneiden und Anbinden. Danach Füllen und in den nächsten Monaten Laubarbeit in den Weinbergen. Man kommt nur selten zur Ruhe. Es ist immer was zu tun.

Packst du mit an? Nein, außer bei der Traubenlese bin ich raus. Mir fehlt auch das fachliche Know-how. Einfachere Arbeiten im Weinberg sind natürlich ok, auch wenn dann am Abend der Rücken schmerzt. Ist ja ein schöner Ausgleich zu meinem eigenen Beruf, der eher kopflastig ist.

Julia kommt aus keiner Winzerfamilie und stammt vom Hunsrück. Man trinkt dort eher Bier als Wein. Als Schülerin pendelt sie ins Gymnasium in Traben-Trarbach und lernt dort bei einer Abifeier ihren Gerrit kennen. Sie war 17, er 19 und bereits Weinbaustudent in Geisenheim. Nach dem Abitur studierte Julia in Mainz und wurde Lehrerin für Deutsch, Sozialkunde und Ethik in Herrstein-Rhaunen. Julia engagiert sich für die Junge Union der CDU. Gerrit arbeitete während und nach dem Studium im renommierten Weingut Dreissigacker, wo er Kellermeister war, bis er 2016 das Familienweingut in Briedel übernahm. Die Weinbautradition der Familie reicht bis ins 16. Jahrhundert zurück. Vor kurzem kam ein kleiner Sohn zur Welt: Hannes.

Gerrit ist sehr eingespannt und viel unterwegs. Muss man als Winzerfrau auf den Ehemann oft verzichten? Ja, schon. Es gibt viel Wochenendarbeit in den Weinbergen und im Keller und natürlich Messebesuche bzw. Präsentationen bei Händlern. Wie das bei selbstständigen Unternehmern so ist. Man muss generell damit leben, dass der Mann viel arbeitet und sich gemeinsame Momente suchen.

Wie ist das, wenn sich der Alltag ausschließlich um ein alkoholhältiges Getränk dreht, erlebst du das Trinken manchmal als Belastung? Nein. Man muss sich darauf einstellen, dass dem Wein sehr viel Zeit und Aufmerksamkeit gewidmet wird und damit klarkommen. Ich habe das Produkt über die Jahre lieben gelernt und freue mich jedes Mal zu verkosten und die Weine anderer Winzer zu besprechen. Wein nimmt großen Raum ein. Bei jeder Familienfeier wird probiert. Es steckt sehr viel Herzblut darin. Glücklicherweise genieße ich das Weintrinken sehr.

Bei Gerrit Walters Weinen ist die Dreissigacker-Schule deutlich zu spüren: Messerscharfe Präzision und Klarheit. Im Sortiment herrscht professionelle Ordnung. Riesling dominiert. Bevorzugter Ausbaustil: trocken. Gerrits meist recht steil gelegenen Rebflächen in den Gemeinden Briedel und Pünderich ergeben insgesamt 7,5 Hektar. Zum Verkosten wählte der Captain einen leistbaren Wein aus dem Mittelbau des Repertoires, den Briedeler Riesling trocken für 10,50 Euro: In sattem Gelb plätschert er ins Glas. Der etwas mehr als zwei Jahre alte Ortswein begrüßt die Nase mit erfrischender Obst-Aromatik. Ich rieche Grapefruit, dahinter Mirabelle, Pfirsich, und ein bisschen Apfel. Im Mund klare Kante. Säure, Frucht und minimale Restsüße stehen in perfekter Balance. Ich schmecke viel gelbes Obst, ein wenig Rauch und etwas Schmelz. Enorm vollmundig und sehr zugänglich. Ein guter Allrounder, der beinahe zu jedem Essen passt.

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Abgesehen davon, dass du deinen Mann liebst: Was ist das Schönste daran, die Frau eines Winzers zu sein? Das ist eine gute Frage. Man sitzt immer an der Quelle des Weins. Man hat einen schönen Ausgleich zum eigenen Beruf. Und wenn man – wie ich – in eine moderne Winzerfamilien eingeheiratet hat, die akzeptiert, dass eine Frau ihren eigenen Beruf ausübt, kann man ein erfülltes Leben haben.

Nicht jeder hat das Glück, in so eine Familie einzuheiraten. Wie erlebst du diesen Generationenkonflikt in eurem Umfeld? Für manche Frauen ist es nicht einfach. Ich sehe das bei Freunden. Manche Eltern behalten gerne die Kontrolle und geben dem Junior nicht die Zügel in die Hände. Das kann nervig sein. Der aufgestaute Frust wirkt sich dann auf die Beziehung aus. Wenn man schon so nah zusammen wohnt und der Winzer mit seinen Eltern arbeitet, ist es wichtig, dass man sich als Paar abgrenzt und eine gewisse Distanz einhält. Dann kann man auch die Vorteile genießen, zum Beispiel Hilfe bei der Kinderbetreuung.

Man könnte etwas boshaft sagen, eure Heimat Briedel ist ein Kaff. Hast du manchmal das Gefühl, etwas zu versäumen? Das Wort Kaff trifft es ganz gut. Die Autobahn ist ein ganzes Stück entfernt. Man muss sich für alles ins Auto setzen. Aber ich genieße sehr, in dieser Landschaft zu leben. Wenn man abends auf der Terrasse sitzt und auf die Weinberge guckt, ist das ein sehr schöner Ausgleich. Spazieren, wandern – das ist hier sehr schön. Ich fühle mich wohl.

Nervt es, wenn immer nur Wein das wichtigste Gesprächsthema ist? Bei uns geht es, denn mein eigener Beruf verlangt ebenfalls, dass man darüber spricht. Im Bereich unseres Paarlebens ist Wein gar kein großes Thema. Das kommt erst, wenn man mit Freunden unterwegs ist. Gelegentlich nervt es dann, aber man gewöhnt sich an alles. Auch wenn man erst mal wenig Ahnung hat, so wie ich zu Beginn der Beziehung.

Was rätst du einer Frau, die einen Winzer heiraten möchte? Ich empfehle, dass man zunächst zusammenzieht und guckt, wie der Alltag läuft. Und man muss sich die Familie des Mannes genau anschauen. Generell glaube ich: Wenn die Person toll ist, passt alles andere auch.

 

Datum: 17.10.2020 (Update 10.1.2022)
 

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