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Rinke: Was ist Nachdenk-Wein?

Alle Wetter: Winzerin und Dr. jur. Marion Rinke
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Der Captain trinkt einen komplexen und sinnlichen Saar-Wein, der auf altertümliche Weise zubereitet wurde.
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„Ohne die wohlhabenden Investoren wären wir lange nicht da, wo wir heute sind“, sagte der ungelernte Quereinsteiger-Winzer Alexander Rinke heute am frühen Morgen im Auto, als er gerade unterwegs zu seinen Weinstöcken war und meint damit unter andrem die Herren Niewodniczanski (Van Volxem), Jauch (Othegraven) und Maret (Reverchon) an der Saar.

Alex knüpft an die Berichterstattung des Captain an, in der es um die Frage geht, wer eigentlich → richtiger Winzer sei.

Man kann die Diskussion überflüssig finden oder nicht. Identitätsfragen sind jedoch nicht zu unterschätzen. Wer bin ich und was mache ich hier?Wer darauf eine klare Antwort weiß, braucht sich über den Rest der Lebensfragen nicht mehr heftig den Kopf zu zerbrechen.

Womit der Captain in der schönen Kategorie NACHDENKWEIN angekommen ist, die er vor Jahren erfand, weil es Weine gibt, die sonst nirgendwo reinpassen. Mein Wein von heute ist so einer. Er hat einen ziemlich langen Namen, heißt komplett → Wiltinger Klosterberg Alte Reben Limited Edition 1963 Saar Riesling unfiltriert und kommt vom Weingut der getrennten Eheleute Marion und Alexander Rinke, die 2006 mit einem kühnen Traum begannen. Zur selben Zeit wie der reiche → Weinbergs-Nachbar Hans Maret, über den der Captain neulich schrieb und damit an die Winzerfrage (siehe oben) anknüpfte.

Bankjuristin Marion Rinke und Bauingenieur Alexander stiegen 2006 (genauso wie Maret) in den Weinbau ein. Damals erwarben sie eine rund drei Hektar große verwilderte Parzelle unweit der Grenze zu Luxemburg und legten los. 2015 kamen zwei Hektar an der Saar dazu. Feinste Schiefersteillagen im Oberemmeler Altenberg, Wiltinger Klosterberg und Wiltinger Braunfels.2019 sprachen sie öffentlich über den Verkauf ihres heißgeliebten, aber bisweilen überfordernden Weinprojekts. Inzwischen entschieden sich beide um und wollen Winzer bleiben. Zur Freude einer eingfleischten fanbase, die jeden neuen Rinke-Jahrgang bejubelt wie die Mayas ihre Sonnenfinsternis. Viele Weinprofis sind darunter – Sommeliers, Tester und andere Fachleute, die sich dann auf Facebook und Instagram zuprosten.

Die Arbeit in den sozialen (und manchmal ziemlich asozialen) Netzwerken hat Marion Rinke als wichtigen Treiber für den Weinverkauf erkannt und bedient die Kanäle mit flinken Fingern, während Alex (dessen Weinlokale in Trier und an der Ruwer coronabedingt derzeit geschlossen sind) Aufgaben in den Weinbergen und im Keller verrichtet, was nicht heißt das Marion die Weinmacherei scheut. Ganz im Gegenteil. Unter anderem verantwortet die Expertin für Finanzmarktregulierung die komplizierte Assemblage, auch Cuvéetieren genannt, also das Zusammenfügen der Weine aus unterschiedlichen Parzellen, Rebsorten und bisweilen Jahrgängen.

Ganz ohne Fachkraft kommen die Rinkes jedoch nicht aus. Insbesondere zum Zweck der anstehenden Zertifizierung als Bio-Weingut werden sie von Winzertalent Alexander Strohschneider unterstützt, dem der Captain auch schon → seine Aufmerksamkeit widmete.

Zurück zur eigentlichen Botschaft dieses Artikels, dem NACHDENK-Riesling aus uralten Saar-Reben, die auf traditionelle Art im Boden stecken. Die arbeitsintensiveEinzelpfahl-Bestockung hat Vorteile. Man kann um die Rebe herumgehen und sie von allen Seiten bearbeiten. Wind und Sonne wirken anders auf die Pflanze ein als auf die Laubwand der modernen Drahtrahmenerziehung. Die Presse, in der die Trauben für diesen Wein langsam zermalmt wurden, stammt aus demselben Jahr wie die Weinstöcke: 1963.

Damit er nichts von seiner aromatischen Fülle verliert, wird der ausgepresste Most ungeklärt spontanvergoren und der im Fuder gereifte Wein unfiltriert abgefüllt.Die Rinkes schicken übrigens keine Weine mehr aus aktuellen Jahrgängen an die Tester der Weinführer,sondern geben dem Produkt Zeit für die Entfaltung. Erst dann darf probiert werden.

Wenn Alexander in seiner Parzelle am Klosterberg steht, kann er die zwei Kilometer Luftlinie rüber zu seinen Stöcken auf dem Langsurer Brüderberg gucken, von wo andere spannende Weine kommen. Um dort hinzufahren, braucht Alex mit dem Wagen allerdings 20 Minuten. Der kurvenreiche Weg führt durchs Saartal und über die Mosel hinweg. Der Weg ist das Ziel, heißt es so schön. Auch wenn der etwas komplizierter ist. So wie die Herstellung von diesemsinnlich-schönen Wein,der mich beeindruckte: Im Glas mittleres Gelb. In der Nase rauchig und zart-phenolische Noten nach altem Gummi. Das kommt wohl vom Hitzejahr 2018. Dann Orangenschale und pflanzlich nach Rhabarber. Im Mund herrlich elegant, saftig und weich nach frisch gepflücktem gelben Apfel. Am Gaumen Limette und ein bisschen Salz. Dabei sehr stoffig und ungemein beruhigend. Ja, dieser Wein holt dich runter wie eine Meditation, wenn du ihn trinkst und im Mund hin- und herschiebst. Ein wirklich tiefenentspannter Riesling von der Saar.

 

Datum: 4.4.2021
 

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