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Nik Weis: der Super-Rammler

Winzer Nik Weis.
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Rudi Knoll trinkt köstlich-gemütlichen Weißwein von der Mosel, der kein Riesling ist und als vermehrungsfreudige Rebsorte gilt.
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Der Captain liegt auf der faulen Pfingst-Haut und lässt seinen Kollegen Rudi Knoll an die Artikel-Brücke.

Rudi trinkt seit den 1980ern professionell Wein und schreibt darüber und hat dir und mir eine Menge zu erzählen. Zum Beispiel über eine Rebsorte, die unter Experten als Super-Rammler berüchtigt ist: Müller-Thurgau.

Ja, die Traube ist extrem triebhaft. Es gibt rund 70 Sorten, bei denen sie als Vater oder Mutter (Wein-Genetik ist sehr divers) beteiligt war. Zum Beispiel: Albalonga, Optima, Ortega, Würzer, Goldriesling, Bacchus und jede Menge Namenloser, die nur eine Zuchtnummer tragen, weil ihre Aufseher mit der Taufe nicht hinterherkommen. Oder weil sie völlig bedeutungslos sind. Aber vielleicht ist die eine oder andere Brut dabei, die den Weinbau in Zeiten des Klimawandels durch Widerstandskraft entlastet, wie das bei manchen Züchtungen der Fall ist, die einst zu ganz anderen Zwecken geklont wurden – auf dass sie fette Nachkommen abwerfen.

An hohen Erträgen ist heute keiner mehr interessiert. Niemand braucht NOCH mehr Wein. Der weltweite Konsum ist rückläufig. Der Trend geht Richtung Fäulnis-Abwehr und Hitze-Resistenz. Neulich wurden im Anbaugebiet Bordeaux 6 neue Rebsorten zugelassen. Zum Beispiel die gute alte Touriga Nacional aus Portugal, aber auch die brandneue Zucht Arinarnoa, eine Kreuzung zwischen Tannat und Cabernet Sauvignon.

Die Rebsorte Müller-Thurgau hielt die Weinwelt über ein ganzes Jahrhundert zum Narren. Sie ist ein Kind von Professor Hermann Müller aus dem Schweizer Kanton Thurgau, das 1882 auf der Weinbauschule Geisenheim das Licht der Welt erblickte. Dieser human inspirierte Trauben-Nachwuchs machte vor allem in Deutschland Karriere – als Kreuzung zwischen Riesling und Silvaner und sprang 1976 mit über 24.000 Hektar und einem Flächenanteil von mehr als 25 Prozent auf Platz eins der Sorten-Statistik.

Erste Zweifel an einem Elternteil wurden 1957 in Franken laut, aber erst gentechnische Untersuchungen in der Weinbauschule Klosterneuburg (Österreich) ergaben 1998, dass Riesling zwar Mutter war, sich aber der Vater einen falschen Namen gegeben hatte. Zunächst vermutete man, er gehöre zur Familie der Chasselas (Gutedel), ehe sich herausstellte, dass Madelaine Royal, eine Kreuzung ohne ermittelbare Eltern (also quasi eine Waise), beteiligt war.

Eigentlich hätte damals die Sortenbezeichnung Rivaner (leitet sich her von Riesling + Silvaner) abgeschafft gehört. Sie war eingeführt worden, weil aus Müller-Thurgau zu viele Massenweine von minderer Qualität hergestellt wurden und die Bezeichnung unter einem schlechten Ruf litt.

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Ein Beitrag geteilt von Weingut Nik Weis (@weingut_nik_weis)

Das hätte nicht geschehen müssen, beweist Nik Weis, ein renommierter Winzer an der Mittelmosel, der im Zweitberuf Direktor einer Rebschule mit einem weithin gerühmten Bestand alter Riesling-Klone ist.

1997 übernahm Nik Weis den St. Urbanshof in Leiwen mit ehrwürdigem Rebbestand von seinem Vater Hermann. Die Saat dafür hatte 1947 Großvater Nicolaus Weis gelegt, der nicht nur ein Weingut, sondern auch die Rebschule gründete.

Zu dieser Institution gehört schon lange eine Anlage mit Müller-Thurgau, die verpachtet war, aber genutzt wurde, um → Edelreiser zu schneiden. Auf den 45 Hektar des Weinguts spielte diese Flur bislang eine winzige Nebenrolle.

2019 entschloss sich Weis erstmals Trauben selbst zu keltern und einen eigenständigen Wein zu erzeugen. Die Kundschaft war zunächst überrascht, einen „Müller“ auf der Liste des Riesling-Gutes zu entdecken. Weil nach der Probe Anerkennung laut wurde, macht Weis weiter und liefert mit dem Jahrgang 2020 eine achtbare Fortsetzung ab, und zwar den → Müller-Thurgau von Nik Weis, ein erdig-frischer Brotzeitwein, der auch gut zu Kartoffelsuppe und Speisen passt, die mit frischen Gewürzen zubereitet werden: Der Wein springt mich mit frischen und anregenden Noten an. In der Nase eine eben gemähte Wiese, etwas Walnusskerne und jede Menge Kräuterwürze von Kerbel, Melisse, Muskat und Thymian. Ich denke an eine gute Kartoffelsuppe und spüre mineralische Elemente. Das macht der Schiefer im Untergrund. Auf der Zunge verspielt-animierend und wieder kräuterwürzig, dabei magenfreundlich und leicht: 12% Vol. Alkohol. Sinnlich und feinfruchtig vibriert dieser gelungene Wein am Gaumen nach.

 

Datum: 30.5.2021