Der Freund edler französischer Weine hat ein echtes Problem. Denn es kommen in diesen Tagen eine Menge Subskriptionsangebote seriöser Händler ins Haus geflattert. Für den ganz neuen Bordeaux-Jahrgang. Für viele sind die aufgerufenen Preise aber ein herber Schlag ins Gesicht.
Wie üblich überschlagen sich die Lobeshymnen für den aktuellen Jahrgang. So wie jedes Jahr. Man setzt auf das Kurzzeitgedächtnis der Kundschaft. Die Preise überschlagen sich auch. Die Freunde renommierter Châteaus im Bordelais können sich da ein Gegrummel nicht verkneifen. Wer soll das noch bezahlen?
Keine Weinrunde, in der nicht über neureiche Inder, Chinesen und Russen gelästert wird, die durch ihre Gier nach Prestigeweinen diesen Preisanstieg verursacht haben sollen.
Egal, wer wirklich daran schuld ist, bei diesen Preisen kommt man einfach nicht mehr mit. Die neuen Kunden aus der Ferne kaufen alles auf, was nicht niet- und nagelfest ist. Das ist zu viel für die deutsche Bourgeoisie, die sich mit ätzendem Spott über reiche Chinaleute, die Zucker in ihren Bordeux schütten, zurückzieht. Man gibt auf und beschränkt sich auf weniger renommierte Châteaus. Also auf Weine, über die man noch vor einigen Jahren geflissentlich hinweggelächelt hat.
Da frage ich mich, warum man bei dieser obskuren Preisentwicklung nicht gleich ganz umschwenkt auf andere Weinanbaugebiete. Auch innerhalb Frankreichs. Ich rede nicht von der Bourgogne. An der haben wir uns zu oft die Zähne ausgebissen. Viel zu kompliziert dort alles.
Nein, ich denke da an die dritte bedeutende französische Region. Die, die zwar auch ihre weltweite Reputation hat, aber immer noch unter „ferner liefen“ abgeheftet wird. Ich meine die nördliche Rhône.
Die nördliche Rhône ist klein und übersichtlich. Und wird kaum beachtet. Was mich schon immer gewundert hat. Sie ist die Dritte der großen französischen Anbaugebiete und liegt abseits der Achse Bordeaux-Bougogne. Cuvées spielen hier (im Gegensatz zur südlichen Rhône) keine Rolle. Es ist alles reinsortig. Das macht die Sache einfach. Syrah bei den Roten, Viognier (der alte Haudegen der Rhône) bei den Weißen. Marsanne und Rousanne bilden als Weißweinsorten eher die Ausnahme.
Es sind so klangvolle Weinlagen, wie Côte-Rôtie, Hermitage oder Condrieu. Für Weine dieser Lagen werden zwar noch immer deftige Preise gefordert, verglichen mit den Preisen vieler hochkarätiger Châteaus in Bordeaux ist alles aber immer noch relativ günstig. Und leidet auch nicht unter diesen Qualitätsschwankungen wie viele Burgunder. Denn vieles, was man von der nördlichen Rhône bekommt, ist Weltniveau. Die Roten sind schlank, elegant und verfügen dennoch über Tannin-Biss und schöne Vielschichtigkeit. Die Weißen haben Körper und Fülle. Beide Gattungen sind irre lagerfähig. Was will man mehr?
Wer Condrieu sagt, meint eingentlich Weißwein. Denn die 110 Hektar große Lage ist ausschließlich mit der weißen Rebsorte Viognier bepflanzt. Ihre Granitböden ergeben zusammen mit dieser würzigen Rebsorte eine kräftige Melange.
Vor mir steht ein Condrieu aus dem Hause Domaine & Maison Nicolas Perrin, in dem Winzergenie Nicolas Jaboulet mitmischt.
Im Glas zartes Goldgelb. Der Wein duftet nach eingelegter Birne. Eine Prise Flieder und ordentlich Holunder-Likör. Gern auch holländische Tulpenfelder.
Im Mund zeigt er eine dichte Struktur, ist vom wärmenden Typus. Halt ein klassischer Condrieu.
Zurückgenommene Säure, die den Wein dadurch etwas breiter macht, weißer Pfirsich und etwas englische Orangenmarmelade, die mit den Schalenstücken drin. Am Ende macht sich ein sehr dezent eingesetzter Holzton bemerkbar, der sich schon jetzt wunderbar integriert; bedenkt man, dass es sich hier um einen jungen Wein handelt. Eigentlich viel zu jung getrunken.
Ich empfehle den Wein einige Stunden zu karaffieren oder über mehrere Tage hinweg zu verkosten. Er entwickelt sich nämlich prächtig unter Zugabe von Luft.
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Die Nordrhone ist verflucht teuer! Kein Wunder, dass die Weine wenig beachtet werden. Ich frage mich, wer diese Apothekerpreise eigentlich bezahlt?
teuer? nicht zwingend. natürlich gibt es einige vertreter (belle helène, la mouline, la turque, lancement usw.), die im hochpreissegment liegen, jedoch noch weit entfernt von den teuresten bordeauxs.
die alternativen sind gefragt; st. joseph, erschwingliche côte-rôtie und nicht zu vergessen die vins de pays des collines rhodaniennes und die cornas, können auch teuer sein, die meisten liegen jedoch in einem guten segment beachtet man die qualität der weine.
die weine sind schwierig zu trinken, wie golenia richtig bemerkt, in der jugend oft unnahbar und störrisch, mit guter säure und festen tanninen, rotbeerigen aromen, pfeffrig und verschlossen. trotzdem gehören sie zu meinen lieblingen in der weinwelt, nach einigen jahren oder jahrzehnten in der flasche, offenbaren sie ein weinerlebnis der sinnlichen art.
eben diese störrische, unnahbare art, macht sie sehr rar auf weinkarten und bei der weinkonsumierenden gesellschaft. es sind nun mal nicht hoch extraierte, marmeladige fruchtbomben, die man nach 1-2 jahren flaschenreife sich zu gemüte führen kann.
danke golenia, weiter mit weinen von der nördlichen rhône!
Ahoi Gast,
was Sie da schreiben hat schon seine Richtigkeit. Die nördliche Rhône ist sicher kein Preis-Leistungs-Gebiet. Im deutschen Einzelhandel beginnen die Basisqualitäten bei ca. 13 – 14 € für die Roten. Ein Schnäppchen bepreist sich anders, klar. Aber: selbst bei den roten Basisweinen bekomme ich immer das, was die nördliche Rhône ausmacht: schlanke, kernige Weine, die eine ganz eigene Handschrift haben. Eben überhaupt nicht austauschbar. Selbst bei den Basics nicht.
Allerdings bleiben die Spitzenweine von dort preislich deutlich unter denen aus Bordeaux. Teuer zwar, aber nicht durch weltweite Hyperreputation so abgehoben.
Abgesehen davon, dass Perrin-Weine für mich zu den wirklich guten gehören, werde ich den Côte Rotie schon deshalb versuchen, weil ich endlich wissen will wie Leukoplast und Verbandkasten aus der Flasche riecht. So kann man auch Neugier wecken 🙂
Und sonst teile ich des Frischmaats Sicht der Dinge. Keine Schnäppchen, dafür aber grossen Weinwert im Glas und in der Flasche.
Der ausgeleierte, unwahre Gemeinplatz Bordeaux=zu teuer ist mir in einem Weinblog ein Mysterium. Ich kapier’s nicht.
Brauchen deutsche Weintrinker für ihren Seelenfrieden Bordeaux als Sinnbild des Bösen?
Denn die Chinesen verteuern Mouton, Latour etc und ein paar weitere Topweine (Ausone usw.). Ich glaube aber nicht, dass hier nur enttäuchte Weinfreunde rumlaufen, die sich leider leider ihren so liebgewordenen Mouton nicht mehr leisten können.
Schon ein paar sehr gute 2eme Grand Cru’s bleiben im Preis moderat. Und zwischen Euro 10,00 und o.g. Euro 37,00 gibt es hunderte excellente Bordeaux.
Wobei man im Umkehrschluss jetzt nicht sagen kann, dass Verbandskasten und Leukoplast nach Côte-Rotie riechen. Sonst würde ich mich nämlich freiwillig ins Krankenhaus begeben.
Daran ist überhaupt nichts ausgeleiert. Bordeaux ist eben zu teuer. Weiterhin. Fragen Sie mal bei verschiedenen Händlern nach. Die möchten sich die Preise am liebsten nicht mehr antun. Von den 9000 Erzeugern dort gibt es „hunderte exzellenter Bordeaux“, wie Sie schreiben. Das ist mir aber zu wenig – bei diesen Preisen. Und solange Bordeaux von Kennern wie vom Gelegenheitsweinkäufer als „das Maß aller Dinge“ verehrt wird, solang wird Bordeaux eben auch als Buhmann herhalten müssen. Warum bleiben denn dort die kleinen unbekannten wohl auf ihren Weinen sitzen?
ich kenne keine moderaten 2ème grand cru classé. vielleicht definiere ich moderat falsch…
ab einem gewissen preis hört jegliches preis- genuss verhältnis auf, man kann die qualität des weines getrost vergessen, da es ja eh nur um den preis geht.
wie will man auf weinkarten diese top-bordauxs noch kalkulieren, wenn man denn gewillt ist sie einzukaufen?
es gibt wirklich sehr viele (un)bekannte châteaus, die preislich sehr attraktiv sind. die arbeit im rebberg und keller hat sich in den letzten 25 jahren nicht nur bei den grossen namen deutlich verbessert, auch die sogennten kleinen, machen heute einen super job.
wir hatten vor rund zwei monaten eine interessante blinddegustation mit roten 2006er péssac-leognan weinen. gewonnen hat la mission haut brion, ca. 850 franken die flasche, zweiter wurde château seguin 36 franken die flasche, dritter château haut brion ca. 900 franken die flasche, danach alle anderen bekannten und unbekannten namen. von den anwesenden sommeliers war niemand erstaunt, denn viel wussten schon vorher, dass es für 30-60 franken überragende weine im bordeaux gibt.
tip: château le queyroux, côte de blaye, ca. 40 franken die flasche. und dazu ein total biodynamisch-verrückter winzer, dominique léandre-chevalier.
Bordeaux wird in Sippenhaft genommen. Wenn ich richtig verstehe, als Sinnbild des bösen Kapitalismus, falschen Götzendienstes (wegen blinder Verehrung) und von Unfähigkeit (kleine Winzer verkaufen nicht). Also ein Buhmann, der es so richtig verdient hat.
Ich schrieb: 100te exzellente Weine. Denn ich wollte eine, in meinen Augen, realistische Zahl für Weine mit sehr gutem Preis-Leistungsverhältnis nennen. Ordentlich arbeitende Winzer gibt es im Bordeaux natürlich mehr. Und das Verhältnis von Masse und Klasse ist in anderen Weinregionen mit Sicherheit auch nicht besser.
Die Besprechungen der Weine auf Cork zeigen, dass überall auf der Welt nur mit Wasser gekocht wird. Ein Beispiel: Fabelhaft von Nieport. Klassischer Marketingwein, auf unkomplizierte Trinkbarkeit hin produziert. Eher fetter Preis. Die selbe Herangehensweise haben die Rothschild mit ihren Bordeaux Superieure billiger vorexerziert. Fürs selbe Geld bekomme ich aber auch einen Lamothe de Bergeron Cru Bourgeois (Euro 11-12).
Um es klarzustellen: ich bin nicht für ein Bordeaux über alles. Die Vielfalt bei Weinen ist interessant.
Aber im ganzen Cork-Blog Bordeaux komplett auszublenden? Kompliment.
Bordeaux ist eben mehr als die klassischen „großen“ Appellationen. Cote de Bordeaux bringt inzwischen viele tolle Weine hervor, die man hier noch gar nicht kennt.
Gute „günstige“ Bordeaux sind Weine wie Sociando – der 2010er ist nebenbei ganz große Klasse, genauso wie der Poujeaux 2010.
Beide kostete ich als Fassprobe, beide sind besser als vieles in der Luxusliga.
Ein anderer Preislseistungshit ist Chateau du Retout von dem ich gerade 12 Flaschen um je 9 Euro (inkl. Steuer) subskribiert hab. Ein ganz klassischer Bordeaux der zu Beginn stinkt wie Sau – na und!
Ich gebe hier allen recht und zeige trotzdem mit meinem Stinkefinger auf Bordeaux. Was mich stört ist, dass ein Chateau Mouton knapp 100 Hektar Fläche besitzt und nicht wenig Wein produziert und trotz aller Menge so teuer ist.
Der Preis eines raren Hermitage oder Cornas (die Region Cornas hat eine Gesamtrebfläche die etwas größer als Mouton ist!!!) ist (wegen kaum vorhandener Menge und daher hoher Nachfrage) marktwirtschaftlich gewachsen. Der Preis spiegelt die Qualität. Das passiert in Bordeaux in den seltensten Fällen.
Cheers
Brane Cantenac, Rauzan Gassies z.B. haben derzeit keine exzessiven Preise. Im Übrigen stimme ich Ihnen komplett zu.
Taugt das, um Bordeaux zum Buhmann zu machen? Und nur gefühlte (nicht nachgeprüfte) 0,1 % über Weine aus Bordeaux in einer täglichen Weinzeitung zu schreiben?
Und außerdem. Selbst wenn Bordeaux durchweg zu teuer wäre (was so nicht stimmt), und man gleichzeitig Miniregionen und Überseeweinen zugesteht, ihre Weine teuer anbieten zu müssen. Man also beim Preis unterschiedlich tolerant ist.
Die Cuvees aus Bordeaux haben eine eigene Charakteristik. Die sollte wohl ab und zu besprochen und kommentiert werden.
Ich finde die Argumentation abenteuerlich: ihr Weininteressierten braucht nicht die teuren Bordeaux zu trinken, wir zeigen euch Alternativen. Und dann wird Syrah besprochen.
Das passt nicht zusammen.