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Kronen-Schlösschen: der große Weinraub

Johanna Bächstädt.
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Einbrecher plünderten den Weinkeller des bekannten Kronenschlösschens im Rheingau und nahmen nur die teuersten Flaschen mit. Die Täter waren eindeutig Experten. Nun hofft die Chefin des Hauses auf wachsame Sammler, denen die heiße Ware angeboten wird.
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Heute trinkt der Captain köstlichen Wein, um sich zu beruhigen, weil er sich sehr ärgert. Ausnahmsweise nicht über sich selbst, sondern über dreiste Einbrecher, die in einen legendären Weinkeller im Rheingau eindrangen, um wertvolle Flaschen zu stehlen.

Es ist das Weindepot des weltberühmten Kronenschlösschen-Hotels in Eltville, wo seit über 20 Jahren das legendäre Rheingau Gourmet & Wein Festival stattfindet. Der Captain berichtet hier über diesen Ort und seinen Erfinder Hans B. Ulrich.

Dessen Tochter Johanna Bächstädt ist jetzt Chefin des Hauses und hat sowieso schon keine leichte Zeit – wie fast alle Gastronomen heutzutage. Jetzt auch noch das. Der Captain war schon mal in diesem Keller und filmte ein bisschen. Das Video steht hier:

Johanna Bächstädt ist eine routinierte und PR-starke Vermarkterin des Genusstempels Kronenschlösschen. Dass sie nun ein schweres Verbrechen im eigenen Haus verkünden muss, ist sicher nicht einfach, aber die einzige Chance, den Tätern auf die Spur zu kommen, glaubt sie: „So viele Menschen wie möglich müssen von diesem Einbruch erfahren. Jeder Sammler sollte hellhörig sein, wenn ihm solche Weine angeboten werden, deren Herkunft ungewiss ist. Dann kann er das entweder der Polizei oder mir melden.“ Johannas E-Mail-Adresse: j.baechstaedt@kronenschloesschen.de.

Welche Weine genau entwendet wurden, muss noch präzise eruiert werden. Etwa 500 Flaschen waren es. So wie es aussieht, waren Kenner am Werk, die nur solche Weine mitgehen ließen, die mindestens 1.000 Euro wert sind. Sicher ist: 20 Flaschen Romanée-Conti sind weg. Darunter die Jahrgänge 2004, 2006 und 2007. Sassicaia (ab 200 Euro) hat die Eindringlinge gar nicht interessiert. Johanna: „Dafür nahmen sie alle Masseto mit, die sie fanden.“

Eine junge Flasche dieses Merlot-Klassikers aus der Toskana kostet ab 800 Euro. Ein gereifter Masseto noch viel mehr.

Zahlt die Versicherung? Glücklicherweise wurden erst vor einem halben Jahr alle Bestände neu bewertet. Trotzdem zickt die Versicherungsgesellschaft rum. Das wird noch ein harter Kampf. Der Schock sitzt tief. Aber Johanna denkt schon über die Lehren aus diesem Unglück nach: „Keine fremden Menschen mehr in den Keller lassen und striktes Fotoverbot erteilen.“

Tja, da gehört der Captain wohl auch dazu. Er hat jedoch volles Verständnis.

Wie geht es mit dem Festival weiter? Johanna: „Wir warten ab, wie sich die Pandemie entwickelt.“ Das Programm steht noch.

Was für eine traurige Geschichte! Darauf muss der Captain edlen Rotwein trinken, der zwar auch teuer ist, aber niemals in den Fokus jener Räuber geraten würde, welche die schweren Türen des Kronenschlösschen-Kellers aufbrachen. Es ist der köstliche und konzentriert-rotbeerige Réserve St. Laurent von Thomas Pfaffmann/ Weingut Wageck in Bissersheim, Pfalz.

Thomas und Bruder Frank Pfaffmann sind keine unbedeutenden Player in der Pfalz, die ein Händchen für Burgundersorten haben. Die Spitzenweine des Hauses brauchen ihre Zeit. Sowohl zum Reifen als auch an der Luft, wenn sie mal geöffnet sind.

Das trifft auch auf diesen St. Laurent zu, der bekanntermaßen kein Burgunder ist. Aber vielleicht kommen seine Trauben ja aus Frankreich. Oder aus Österreich. Nichts Genaues weiß man nicht. Und so schmeckt er: Dieser Wein von 30 Jahre alten Rebstöcken, der spontan vergor und im Fass reifte, bis er unfiltriert abgefüllt wurde, erfreute den Captain sehr – weil er aus einer Rebsorte gemacht wurde, von der man nicht viel liest. Im Glas tiefdunkel schimmerndes Rot. In der Nase dunkelwürzig und konzentriert nach Schwarzer Johannisbeere, etwas Teer, Sojasoße, Vanilleschote, Artischocke, weiter hinten Veilchenblüte. Im Mund gleichsam konzentriert mit dunklem Fruchtkern und lebendiger Säure. Im Mund beerige Noten nach Brombeere und Heidelbeere, dann Bratensaft, Blutorangensaft, Mokka. Am Gaumen trinkig und balanciert. Eine herrliche und elegante Entdeckung voller Würze und dunkler Saftigkeit und zum Reinsetzen gut.

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Die nach dem Blaufränkisch wohl spannendste Rebsorte Österreichs wird dort seit der Mitte des 19. Jahrhunderts angebaut. Auch in Tschechien, der Slowakei und neuerdings wieder verstärkt in Deutschland findet der St. Laurent einige Beachtung. Die meist sehr zuckerhaltigen Moste ergeben recht kräftige Weine mit merklicher Säure.

Schon als junger Wein kann ein St. Laurent mit seinen feinen Wildkirsch- und manchmal auch Holunderaromen ein Genuss sein. Zu Hochform läuft diese Sorte allerdings nach Ausbau in neuen und gebrauchten Holzfässern und nach längerer Lagerung auf. Dann entwickelt sie mitunter ausgesprochen animalische Noten und präsentiert einen ganzen Strauß getrockneter Kräuter.

St. Laurent reift früh aus. Traditionell um den 10. August. Zu diesem Tag gedenkt man dem heiligen Laurentius, der als Märtyrer im Jahr 258 nach Christi Geburt in Rom gefoltert und ermordet wurde, weil er als Verwalter des örtlichen Kirchenvermögens alles Geld an die Armen und Siechen verschenkte und hernach seinem Kaiser all die armen Gestalten als den wahren Schatz der Kirche präsentierte. Man soll sich nicht so fest an irdische Güter klammern. Dieser besinnliche Schlusssatz ist jetzt aber nicht an Johanna Bächstädt gerichtet, die wirklich zu bedauern ist.

 

Datum: 16.1.2021 (Update 25.7.2022)
 

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