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Kirnbauer: der Frauen-Versteher

Winzer Markus Kirnbauer aus dem Burgenland.
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Der österreichische Winzer Markus Kirnbauer schaffte es, seine Rotweincuvée DAS PHANTOM zum Kult zu machen, der besonders bei Frauen gut ankommt. Der Captain ergründet, wie das geschah.
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Es wird mehr Wein produziert als getrunken und Winzer müssen ständig nachdenken, wie und wo sie ihre Ware losschlagen. Dann fallen ihnen ein paar Werbemaßnahmen ein und sie wenden sich an Medien, die über Wein berichten, schalten dort Anzeigen, nehmen an (kostenpflichtigen) Wettbewerben teil und schicken ihre Weine an die bekannten Wein-Guides, die jedes Jahr im Herbst erscheinen. Auch das kostet Geld. Burgenland-Winzer Markus Kirnbauer aus Deutschkreuz macht alles anders und ist damit erfolgreich. Dazu gleich mehr.

Wer liest eigentlich die ganzen Wein-Guides? Das fragt sich der Captain immer wieder, bis er die Antwort bekam: keiner. Sorry, das ist jetzt leicht zugespitzt. Besser ist: fast keiner. Wie gelangt der Captain zu diesem harten Urteil?

Der Captain ist in der Medienbranche ganz gut vernetzt und kommt an Zahlen, die nicht jeder sieht. Die Firma Media Control in Baden-Baden misst so ziemlich alles, was in Deutschland von Medienmarken verbreitet wird, unter anderem auch die Verkaufszahlen der Weinführer. Und so sehen die Media-Control-Zahlen der deutschen Weinführer für das Jahr 2020 aus:

  • Gault&Millau Weinguide Deutschland 2020: 6.142
  • VINUM-Weinguide 2020: 3.049
  • Eichelmann 2020: 2.752
  • Falstaff 2020: 662

Die Zahlen wurden im November 2020 abgerufen. Zum Verständnis: Media Control misst nur jene Verkäufe, die mit einem Kassenscanner registriert werden. Außen vor sind Verkäufe in kleinen Buchhandlungen ohne solche Geräte, Weinläden, Internetverkäufe und andere Quellen. Die Faustformel in der Buchbranche lautet: Verdopple die Media-Control-Werte und du kommst den wahren Verkaufszahlen ziemlich nahe. Demnach wurden von den Weinführern des Jahres 2020 2x 12.605, also etwas mehr als 25.000 Exemplare verkloppt. Die Hälfte davon bestritt der Gault&Millau Weinguide Deutschland, den es nicht mehr gibt. Nachdem der bisherige Lizenznehmer aufgab, macht der Münchner Burda-Verlag weiter. Die deutschlandweite Ausgabe wurde eingestampft, es gibt jetzt nur noch einen Baden-Württemberg-Führer. Angeblich sind weitere Regional-Ausgaben geplant. Fazit: Alle verkauften Weinführer zusammen erreichen nur ein sehr überschaubares Publikum

Der Captain schätzt die Arbeit sehr, die für diese Bücher geleistet wird, und er kauft sie gerne. Sie dienen ihm als wichtige Nachschlagewerke, wenn er nach Basisinformationen sucht. Aber zum Weinkauf würde er sich niemals von so einem Guide inspirieren lassen. Menschen mit weniger ausgeprägtem Wein-Interesse erst recht nicht. Warum also dort nach neuer Kundschaft fischen? Eben.

Kommen wir zu Markus Kirnbauer. Der hat sich vor ziemlich genau 10 Jahren für eine gewagte Strategie entschieden und wirbt seither dort, wo nicht viel über Wein, aber über das schöne Leben steht: in den Wochenendbeilagen der österreichischen Tageszeitungen und Illustrierten mit hohen Auflagen. Zwischen Artikeln über Prominente, Mode, Reisen und Sport. Natürlich schaltet er seine Anzeigen auch ein bisschen in Weinzeitschriften und bezahlt Geld an Guides, aber das zählt kaum. Kirnbauer suchte die große Bühne. Und landete mit seinem Wein DAS PHANTOM einen Hit, den viele kennen und kaufen. Insbesondere Frauen, wie der Captain aus dem Markt hört. Österreichische Sommeliers sagen, DAS PHANTOM sei einer der bestverkauften Weine, wenn Damen am Tisch sitzen und (mit)bestimmen, was ins Glas kommt. Was hat dieser Wein, das andere nicht haben?

Schon von Anfang an war DAS PHANTOM eine Grenzüberschreitung. Als er 1987 zum ersten Mal erschien, waren rote Cuvées im österreichischen Weingesetz gar nicht vorgesehen. Weil es nicht erlaubt war, die Rebsorten aufs Etikett zu schreiben, gab der sogenannte Weininspekteur (entspricht der deutschen Weinkontrolle) den Tipp: Sucht euch einen Phantasienamen, dann dürft ihr abfüllen. So kam es zum Namen DAS PHANTOM. Markus sagt: Es war die erste Rotweincuvée Österreichs und die Geburt einer ganzen Kultur, die heute von vielen Winzern gepflegt wird.

Im PHANTOM schwimmen die Rebsorten Syrah, Merlot, Cabernet Sauvignon und Blaufränkisch. Letztere ist die rote Leitrebsorte des Burgenlandes und Wirbelsäule des Weins. Und so schmeckt er: Im Glas mittelkräftiges Karminrot, etwas trüb. In der Nase Brombeere total, ein bisschen Lakritze und ein aufgebrochener Mars-Riegel mit zarten Noten von Karamell, Erdnuss und Milchschokolade. Dann dunkle Kirsche, Pflaumenkompott, ein Büschel Liebstöckel, im Volksmund auch Maggikraut genannt. Im Mund ein aufregendes Gemisch: Kakaopulver, samtige Beerenfrucht, zarte Bitternoten von Orangenschale und straffe Säure. Weich und zupackend zugleich bei angenehmen 13,5% Vol. Alkohol. Das ist nicht viel. Ich schmecke nussige Noten und würzige Frische, beides in perfekter Balance. Dieses Gleichgewicht zeichnet den Wein aus. Im Abgang viel dunkle Würze. Es ist ein bemerkenswert präzise komponierter Wein, der mit sich bringt, was man selten in einem Wein gleichzeitig findet: Kraft und Milde, Rasse und Weichheit, Würze und Frucht.

Markus Kirnbauer ist eigentlich gelernter Steuerberater. Von Betriebsnachfolge war lange nicht die Rede. Vater Walter ist nur 20 Jahre älter, war offenbar jedoch weise genug, dem Sohn Raum zu geben und ihm die Geschäfte führen zu lassen. Von Markus kam die Idee zu einer neuartigen Werbekampagne. Eine Agentur half bei der Umsetzung.

Man kann sagen, die Sujets der Kampagne verströmen eine gestrige James-Bond-Erotik, in der Männer dominieren und Frauen die Rolle dürftig, aber sehr hübsch verpackter Schmuckstücke zukommt. Man kann aber auch weniger streng urteilen und zu einem anderen Urteil kommen. Markus Kirnbauer: Erotische Phantasien spielen hier gar keine Rolle, sondern die Wertschätzung gegenüber Frauen.

Der österreichische Werberat formulierte 2017 im Rahmen einer Beschwerde: „Die Werbung für die Weine der Firma Kirnbauer sind in der Tat etwas zu sexistisch geraten. Eine Frau in Reizwäsche, ein Mann mit Weinflasche, welcher darauf wartet die Frau betrunken machen zu können, sodass diese leichtsinnigen Sex anbietet.“ Hier geht’s zum ganzen Text. Eine spätere Entscheidung stellte allerdings keinen Verstoß gegen die Richtlinien des Ethik-Kodex der Werbewirtschaft fest.

Wer sich jedes einzelne Foto-Sujets der PHANTOM-Werbung seit 2012 ansehen will, kann hier durch meine Bildergalerie klicken und sich selbst ein Urteil bilden:

Mit dem Blick nach Deutschland, wo die Winzer gerne Herkunft, Rebsorten und Weingut nach vorne stellen, sagt Markus Kirnbauer: Ich glaube, ein erfolgreicher Wein muss für sich eine Marke sein und ein ganz bestimmtes Bild erzeugen. Wer Werbung für Wein macht, darf alles nicht zu ernst nehmen. Es geht um Genuss.

Die Kirnbauers holen aus ihren 45 Hektar Wein für knapp 300.000 Flaschen pro Jahr. Im Keller liegen 1.000 Barriques. Etwa 80.000 Flaschen vom PHANTOM verlassen in einem durchschnittlichen Jahr das Weingut. Das Werbebudget für DAS PHANTOM betrug zu Beginn 60.000 Euro. Inzwischen schlägt die Kampagne mit 75.000 Euro pro Jahr zu Buche. Umgelegt auf jede Flasche Wein von Kirnbauer ergibt das 25 Cent Aufpreis, um das PHANTOM und seinen Erzeuger bekannt zu machen und neue Käufer zu gewinnen. Kein schlechter Deal, findet der Captain.

 

Datum: 22.11.2020 (Update 23.11.2020)
 

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