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Kalifornien: sei tolerant!

Winemaker Molly Hill.
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Der Captain trinkt Cabernet Sauvignon von Sequoia Grove und lässt sich auf etwas ein, das man in der Alten Welt kritisch sieht: Süße im Rotwein.
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Die Nacht senkt sich über Berlin, des Captains räudige Heimat, die er trotz allem nicht verlassen will. Heute war es angenehm kühl. Leichter Wind lässt das Schiff sanft schaukeln, sodass im großen Glas des Captain ein wenig Bewegung aufkommt. Was liegt da drin?

Rotwein aus Kalifornien, wie er typischer nicht sein kann. Es ist der Napa Valley Cabernet Sauvignon von Sequoia Grove, ein Weingut in der zentralen Napa-Valley-Region Rutherford.

Das Weingut hat seinen Namen von den gigantischen Sequoia Trees der Gegend, die man bei uns auch Mammutbäume nennt, weil sie irre hoch und breit wachsen können. 2003 fiel einer auf das Gebäude und verwüstete es beinahe komplett. Seit ungefähr jener Zeit hat eine gewisse Molly Hill als Chef-Önologin das Sagen.

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Der Betrieb gehört einer wohlhabenden Weinhändlerfamilie aus New York, die sich nicht besonders stark einmischt. Diesen Cab, wie man in amerikanischen Weinkreisen lässig Weine aus der Rebsorte Cabernet Sauvignon nennt, würde man bei uns Gutswein oder Gebietswein nennen, also Mittelklasse.

Die Lagenweine des Hauses kosten weit über 100 Dollar. Ich will gar nicht noch tiefer in die Historie eintauchen (gegründet 1985 etc.) und auf all die anderen Weine von Sequoia Grove eingehen, sondern steuere direkt auf die Botschaft dieses Getränks zu. Denn es ist, was viele Cabs aus Kalifornien sind, auch im gehobenen Bereich: mit ein bisschen süßlicher Vanille-Aromatik gesegnet.

Der geeichte Trockentrinker aus Deutschland ist – besonders, wenn es sich um Rotwein handelt – erstmal schockiert und hat zwei Möglichkeiten: totale Ablehnung oder eine kleine Turnübung in der Sozialtechnik namens TOLERANZ. Und bitte wie geht die? So wie überall sonst auch: sich darauf ein- und die Folgen wirken lassen. Genau das tue ich hier.

Und siehe da – nach einigen Sekunden der Furcht kommt plötzlich Interesse und ein gewisses Wohlgefallen auf, was ganz sicher der zarten Mineralität und den sehr gekonnt eingewobenen Gerbstoffen dieses Weins zu verdanken ist. Das hat Molly (die zum Feierabend am liebsten eiskaltes craft beer trinkt) gut hinbekommen.

Wo liegt was in Kalifornien? Klick aufs Bild und nutze diese interaktive Landkarte.

Und weil ich rein zufällig ein paar Reste superscharfes Feuerfleisch aus einer Lieferung vom Koreaner im Kühlschrank habe, kombiniere ich das Getränk damit: Volltreffer! Der Rest steht im Verkostungsbericht: Im Glas dunkles Rubinrot mit hellen Rändern. In der Nase viel Beerenwürze und rauchiger Schmelz. Ich rieche Brombeere, rotes Paprikapulver, schwarzen Pfeffer, kalten Braten und Kaminasche. Im Mund sehr weich und würzig. Ich spüre sanfte Tannine, milde Pikanz und schmecke Kardamon, dann Pflaumkompott, etwas Schwarze Johannisbeere und eine unverhohlene Vanille-Süße, die den europäischen Gaumen zunächst überfordert, dann aber auf willkommene Weise einlullt, weil sie gut eingebunden ist und harmonisch schmeckt, insbesondere im Verbund mit der dem Getränk innewohnenden zarten Mineralität und seinen sanften Gerbnoten. Seine Süße wird sozusagen zum integrativen Teil des Weins. Kein uninteressantes Lehrstück zum Austrinken.

Warum ist Cabernet Sauvignon die wichtigste rote Rebsorte Kaliforniens? Nun, das hat mit Geschichte, Geologie und dem Klima zu tun. Cabernet Sauvignon steht für Bordeaux, also die Herkunft der edelsten Weine. Die Kennedys schlürften Bordeaux im Weißen Haus und die Aufsteiger im Land wollten mitziehen. Darauf reagierte die kalifornische Weinwirtschaft und pflanzte auf teufelkommraus diese Rebsorte an. Dann kam das →Urteil von Paris und der endgültige Dammbruch.

Das kalifornische Terroir ist wie gemacht für Cabernet Sauvignon. Es ist verdammt trocken. Wenn Regen fällt, dann außerhalb der Wachstumsperiode. Dies und geringe Fruchtbarkeit der Böden versetzt die Reben in einen Stresszustand, wodurch sich der Fokus der Rebe vom Wachstum der Blätter auf die Reifung der Trauben verlagert. Dazu kommt noch die Eigenheit des vulkanischen Untergrunds, der guten kalifornischen Cabernets einen erdigen Charakter verleiht.

 

Datum: 13.7.2021
 

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