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Friaul: Manchmal das kleine Burgund

Berg und Wein, so soll es sein: Collio...
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Der Captain hat von einem einzigartigen Weinkauf erfahren und kann darob nur den Kopf schütteln. Gute Weine gibt es billiger. Wie etwa diesen Chardonnay aus der Region Friaul. Einem großen Burgunder steht dieser Saft nicht nach.
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Gute Laune im Board an Bord, denn der Captain hat ein kleinen Coup gelandet und vom Verkauf der teuersten je in Österreich verkauften Flasche Wein berichtet. In einem Tiroler Hotel wurde ein Flakon der Penfolds Ampoule 2004 für sage und schreibe 160.000 Euro an den Mann gebracht. Wahrscheinlich ein Russe. Die können da noch mithalten. Auch in Sachen Dekadenz.

Man kann jetzt breit darüber diskutieren, ob ein solcher Kauf sinnvoll ist oder nicht; wir alle wissen aber: hier geht es nicht mehr um den Wein (ein reinsortiger Cabernet-Sauvignon), sondern um ein Kultobjekt. Dem Captain fällt dazu nichts ein. Er würde einen Audi A4-Kombi einem vergoldeten Maybach vorziehen. Damit ist wohl alles gesagt.

Leistbar jedoch ist der Wein, den der Captain heute am Kombüsentisch entkorkt, während der Zahlmeister Kalbsschnitzel klopft, die er mit Gorgonzola („Gorgonzola gor gon, Camembert come on“) und Haselnüssen in der Pfanne braten möchte. Das hat der Zahlmeister bei Jamie Oliver gelesen. Und weil der Zahlmeister den Trends immer ein paar Jahre hinterherhinkt (raucht auch noch Zigarre, wer macht das heute noch?) müssen der Erste und der Captain jetzt diese Schnitzel verspeisen. Zugegeben: Kochen kann der Zahlmeister. Es wird kein Horror. Ganz im Gegenteil.

Zuerst Maximin

Dazu trinkt man zuerst eine Flasche restsüßen Riesling Herrenberg Kabinett feinherb von Maximin Grünhaus. Lecker Möselchen, wenig Alkohol, mega Trinkvergnügen. Deutsche Klassik für kein Geld. In der Nase Apfel, dann auch Banane, etwas Johannisbeersaft, etwas Pfirsich, etwas Haribo und auch getrocknete Aprikosenkerne. Schöne Mineralität. Im Mund dann die klassisch hohe Säure des Jahrgangs („Arschjahr“), die vom relative hohen Zucker (23 Gramm) vernichtend geschlagen wird. So ist 2010 gut trinkbar. Ex und hopp. Und kaum zu spüren.

Deswegen ist es Zeit, die zweite Flasche zu öffnen. Zumal der Zahlmeister (die lächerliche Schürze eines stadtbekannten Delikatessladens um seinen wachsenden Wams gebunden), sich anschickt, die Schnitzel in die Pfanne zu werfen. Der Erste beginnt aufzudecken, der Captain holt den Korkenzieher und öffnet einen Wein aus dem Friaul, das Italien, das kaum einer kennt.

Es ist der Chardonnay „COF“ 2010 von Paolo Meroi aus Buttrio. Meroi zählt zu den neuen aufstrebenden Winzern im Friaul, die so neu auch nicht mehr sind. Er ist Teil der 90er-Revolution, die der damals weit zurückstehenden Region einige Dutzend Spitzenwinzer bescherte. Das Friaul wurde der Ausgangspunkt einer italienischen Önologie-Erneuerung. Und auch Josko Gravner kommt aus der Gegend, wenngleich nicht aus dem Epizentrum. Gravner, der uns die Amphore bescherte.

Merois „COF“ hat einen Tonkrug freilich nie gesehen sondern das Fass, das kleine Eichenfass, neu oder gebraucht. Merois Chardonnay ist zudem das Gegenteil eines autochthonen Weines. Er ist eine ganz klar erkenntliche Imitation eines großen Burgunders.

Solche Imitationen gibt es überall, wo Weißweinwinzer Kalk- und Kieselböden vorfinden, wo im September die Nächte kühl werden und wo Winzer gerne große Burgunder trinken. Meroi trinkt gerne große Burgunder.

Nicht besser und nicht schlechter

Imitation heißt nicht besser oder schlechter; Imitation heißt der Versuch ranzukommen. An ganz große weiße Burgunder kommt selten ein Imitationswinzer ran. Heinz Velich in Österreich vielleicht, der der Imitation seine Handschrift aufdrückt. Oder Gantenbein in der Schweiz. Doch ein Burgunder wird das selten. Muss auch nicht.

So auch Merois „COF“. Meist ist er zu breit. Doch das Jahr 2010 war auch im Friaul etwas regnerischer und kühler, deswegen ist dieser Chardonnay näher an der schlanken Eleganz angelehnt.

In der Nase grüner Apfel, etwas Marshmellow, gelber, frisch geschnittener Paprika, Karamell (vom Holz), nasser Stahl, süßlicher Tabak, auch – ganz gering – Naphthalin. Und etwas Basilikum, Salbei und ein Hauch Lavendel. Na ja, vielleicht kann man Lavendel durch südliches Kraut ersetzen.

COF: ein Kraftlackl

Im Mund dann das, was ein großer Burgunder auch hat. Zuerst eine kalte, leicht eisige und auch angenehm säuerliche Eleganz, die danach am Gaumen von einem satten Karamelton (wieder Holz) gekontert wird. Hier fehlt noch die Eleganz, denn der Wein ist zu früh geöffnet. Auch Luft hilft wenig, hintennach bleibt der „COF“ 2010 ein protzender Kraftlackl.

Das schmeckt zwar, offenbart aber, dass er den Brustkorb noch ausatmen muss. Der Captain rührt den COF wieder an, wenn er die Pubertät hinter sich gelassen hat. Also 2014. Ein richtig guter, fetter Weißwein. Jenseits der aktuellen Moden. Und eine Imitation. Aber wen kümmert das schon? Wenn der Wein einfach nur gut schmeckt.

  • Den COF 2010 von Meroi Davino gibt es für 28,90 Euro.
 

Datum: 4.8.2012 (Update 7.1.2015)
 

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