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Franz Schindler: Rotwein aus dem Chaos

Ferry Schindler kann Desinfektionsmittel sprühen und gleichzeitig Wein testen.
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Der Captain schreibt über einen köstlichen Rotweinklassiker aus dem österreichischen Burgenland, ein Wein, der sich (wie einige andere) mit breiten Phönix-Schwingen aus dem Sumpf des Glykol-Skandals erhob.
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Fasziniert von einem Besuch in den Grand-Cru-Weinkellern des Bordelais begann Winzer Franz Schindler aus Mörbisch am Westufer des Neusiedlersees 1985 damit, Rotwein im Barrique auszubauen, während um ihn herum die Weinwirtschaft zusammenstürzte.

Was ist damals passiert? Das mag sich ein jüngerer Weinfreund heute fragen. Daher in aller Kürze: Als ein Winzer auffällig große Mengen von Frostschutzmitteln steuerlich geltend machen wollte (obwohl er nur einen kleinen Traktor besaß), kam der sogenannte Glykol-Skandal ins Rollen. Die Behörden deckten auf, dass österreichische Winzer Weine widerrechtlich statt nur mit Zucker (bis heute erlaubt) zusätzlich mit Diethylenglykol (wird in Frostschutzmitteln verwendet) versetzt hatten, das die Weine süffiger machte und ihnen eine angenehm-ölige Konsistenz verlieh.

Deutsche Großkellereien (unter anderem Pieroth aus Burg Layen an der Nahe) verschnitten diese Weine mit heimischen Produkten und vermarkteten sie im großen Stil als „Qualitätsweine“. Die deutsche Weinwirtschaft schätze den Schaden auf eine Milliarde D-Mark. In der Folge brach der gesamte österreichische Weinexport zusammen. 1.250 österreichische Weine kamen auf eine Giftliste. Millionen Flaschen mussten vom Markt genommen werden.

In jener chaotischen Zeit also begann Franz Schindler seinen Blaufränkisch in französische Eichenfässer zu legen und mit weiteren Rebsorten als Verschnittpartner zu experimentieren. 1988 war die Cuvée d´Or (Goldmischung) geboren, die heute aus einem großen Teil Blaufränkisch, etwas weniger Cabernet Sauvignon und ein bissl Merlot hergestellt wird und damit eine Art Burgenland-Bordeaux darstellt. Heute hat Sohn Ferry Schindler das Sagen im Betrieb und hält das önologische Feuer am Lodern.

Es ist ein grandioser Wein, den der Captain am liebsten zu seinem Lieblings-Entrecôte (herrlich saftig und zart) in der Paris Bar mitnehmen würde, aber das erlauben die gestrengen Ober dort sicherlich nicht. Im Glas satt glänzendes Rubinrot. In der Nase Schwarzkirsche, Brombeere, dunkles Kakaopulver aus dem Biomarkt, ein bisschen Rumtopf, zerquetschte Mon-Cherí-Praline. Im Mund Sauerkirschkompott, Koriandersamen, ein Plättchen Bitterschokolade von Lindt, Bratensaft, blutiges Fleisch, Maduro-Zigarre, blanchierter Spinat mit sanften Eisen-Noten. Was für ein rassiger Wein wie ein schwarzglänzender Hengst. Dann am Gaumen Gelee von Schwarzer Johannisbeere und ein versöhnlich Quentchen Extraktsüße, das diesen Wein zu einem butterweichen Schmeichler macht. Ich kann gar nicht anders, als mir dazu ein scharf angebratenes Steak mit rohem Kern vorzustellen.

Übrigens, dem Captain gucken ja viele Kollegen auf die Finger. Rudi Knoll kommentiert den Glykolskandal so: Das Zeug war nie eine Gefahr für Leib und Leben. Es ist kein einziger Mensch erkrankt, nicht mal am Rekordwein mit 62 g/l Glykol. Das Bundesgesundheitsamt, das es damals gab, gestand ein, dass Glykol eigentlich unbedenklich und die Bezeichnung „Gift“ völlig unangebracht war.

 

Datum: 9.2.2021
 

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