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Franz Gojer: mein Dach aus Wein

Unter der Pergl: Winzer Florian Gojer
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Der Captain trinkt mächtigen Kult-Rotwein aus einer wenig bekannten Sorte: Lagrein. Schade, dass solche Weine im deutschen Handel kaum zu finden sind.
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Während der Kindheit in seiner ländlichen Herkunftsregion im Süden Österreichs hörte der Captain oft einen Spruch: Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht. Das hat schon lange keiner mehr zu ihm gesagt.

Dabei trifft es so gut auf die Situation vieler Weine zu, die es einfach nicht nach Deutschland schaffen, weil der Importeur denkt: Was der Deutsche nicht kennt, sauft er nicht.

Ich kenne Hunderte solcher Weine in Österreich, Italien, Spanien und Frankreich, die köstlich schmecken und meistens nicht übertrieben viel kosten. Aber weil sie so komisch und unbekannt heißen, sind sie im deutschen Handel kaum zu finden.

Mein Wein von heute ist einer davon. Er heißt so wie die Traube, aus deren Saft er hergestellt wurde: Glögglhof Lagrein Riserva von Franz Gojer.

Die Gojers sind eine alteingesessene Winzerfamilie in der Anbauregion Sankt Magdalena, die am Stadtrand von Bozen beginnt und sich durch ein warmes Tal in Nord-Südausrichtung zieht, das vom mediterranen Klima des Bozner Kessels geflutet wird. Hier fühlen sich zwei rote Rebsorten besonders wohl: Vernatsch und Lagrein.

Lagrein ist eine der ältesten Rebsorten Italiens und eng verwandt mit Teroldego und Lambrusco. Trotzdem schmeckt er ganz anders. Seine Farbe ist tiefdunkel, fast schwarz mit violettem Schimmer. Er verfügt über eine rassige Säure und handfeste Gerbstoffe, die an Unterholz, schwarze Beeren und Tinte erinnern.

Lagrein mag warme Böden und wird fast nur in Südtirol angebaut. Die Weine kommen sowohl als Rosés wie auch als kräftige, tiefdunkle Rotweine auf den Markt. Spitzenweine werden seit einigen Jahren auch in Barrique-Fässern ausgebaut, was ihnen ein sehr dichtes und komplexes Aromengerüst verleihen kann. Oft schmeckt man dann neben Pflaume, Brombeere und dunkler Kirsche auch Lakritz und Kaffee. In Deutschland gibt es einige Versuchsanbauflächen mit dieser Sorte.

Der Lagrein Riserva von Florian Gojer ist eine Besonderheit. Er genießt in gewissen Kreisen kultischen Ruf, was einfach nur daran liegt, dass er schmeckt, wie er schmeckt: nach dunkler, beeriger Tiefe und kräutriger Frische zugleich. Kurz: ein Solitär im bisweilen etwas austauschbaren Weinprogramm aus Südtirol: Im Glas tiefdunkles Rubinrot. In der Nase viel Sauerkirsche, ein Hauch Lakritze, dunkle Schokolade, Bratensaft. Im Mund herrlich-konzentriert, saftig und voll kräutriger Würze. Dann geröstete Algen (salzig), Brombeere (schmelzig) und dunkle Extraktsüße. Am Gaumen rassige Säure und Räucherspeck, runde Tannine, einfach nur schön. Ein mächtiger Wein, der trotz seiner 14,5% Vol. frisch schmeckt und auf der Zunge zergeht.

Irgendwas haben die Gojer-Älteren richtig gemacht, denn alle Kinder ergriffen interessante Berufe: Tochter 1 Anna arbeitet als Dramaturgin am Theater in Freiburg. Tochter 2 Marlene gründete mit ihrem Lebensgefährten ein Kaffee-Startup in Berlin, das die Ernte von kolumbianischen Bauern fair vertreibt:

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Ein Beitrag geteilt von Kaffee La Finca (@kaffeelafinca)

Sohn Florian setzt die Tradition des Glögglhofs fort, lernte das Winzerhandwerk unter anderem beim kalifornischen Ausnahmewinzer Jim Clendenden. Ist ein irrer Typ. Klick mal in den Artikel rein.

2010 kauften die Gojers einen alten Hof auf der anderen Seite des Tals, wo sie auf 600 Metern Seehöhe Weißweine machen.

Zurück zum Wein. Die Zusatzbezeichnung Riserva bedeutet, dass er zwei Jahre gereift sein muss, bevor er in den Handel kommt. Florian Gojer: Unser spontanvergorener Lagrein Riserva liegt für 12 Monate in Barriques und Tonneaux aus französischer Eiche, kommt dann wieder in Tanks und nimmt dann noch etwa drei bis vier Monate Flaschenreife auf, bevor er auf den Markt kommt.

Das Blätterdach, unter dem Florian auf dem Bild oben steht, heißt Pergola, in Südtirol sagt man Pergl. Die Methode wird auch Dachlaubenerziehung genannt. Anstelle einer vertikalen Laubwand wie im beliebten Spaliersystem, werden die einzelnen Triebe in ca. zwei Metern Höhe horizontal zu einem Dach erzogen. Darunter kann man meist aufrecht laufen und die Trauben hängen vom Blätterdach herab im Schatten. Die Verdunstung im Boden bleibt gering, die Blätter werden ganzflächig besonnt und die Trauben verbrennen nicht in der Sommerhitze.

Weil das Weingut über keinen Onlineshop verfügt, kannst du Florian Gojer eine E-Mail schicken und dein Interesse bekunden: info@apartments-gojer.it; der Versand im 6er-Karton nach Deutschland und Österreich kostet 17 Euro. Alles gut angelegtes Geld, wenn man merkt, was da im Glas schwimmt.

 

Datum: 9.5.2021
 

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