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Exzellenz ohne Botschaft?

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Wolfgang Faßbender reicht es! Und Faßbender ist nicht der einzige Weinjournalist, Weinenthusiast oder Winzer, der sich über die Mission von Korkbotschafter Robert Hoefer aufregt. Deswegen gibt es jetzt Widerrede satt.

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Man könnte es sich einfach machen. Der selbst ernannte Korkbotschafter, ein Herr namens Hoefer, ist ja auch zu lustig. Wie er da in seinen Kurzfilmen über Wein zu philosophieren scheint, den neugierigen Besucher gibt, um dann jeweils blitzschnell zuzuschlagen, um unvermittelt die These aus dem Halfter zu ziehen, dass Kork sowieso die Krönung sei (wenn nicht immer schon, dann jetzt erst recht), hat schon was Skurriles. Und dann die ganze Chose mit der Exzellenz und der Schärpe und dem Selbstbeweihräucherungs-Brimborium.

Was das alles mit Wein zu tun hat, erschließt sich auch dem gutwilligsten Genießer nicht. Und wie der Mann überhaupt dazu kommt, für eine Industrie die Trommel zu rühren, ob aus eigener Überzeugung oder dank ausgestellter Schecks, bleibt ebenfalls unklar. Man könnte das einfach als Werbekram der Korkproduzenten abbuchen. Oder, womöglich doch eher umgekehrt, als Satire. Bezahlt von einem Schraubverschlusshersteller.

Aber ich mache es mir nicht einfach. Ich gebe zu, dass nicht nur Möchtegern-Diplomat Hoefer, sondern auch allerlei Winzer, die ich kenne und schätze, überzeugte Anhänger des aus Eichenrinden gestanzten Zylinders sind. Diverse Weinhändler schwören darauf. Sommeliers recken den Daumen. Die allesamt als blöde zu bezeichnen, wäre nicht nur fahrlässig, sondern schlicht falsch. Völlig verdreht ist aber auch so einiges, was der Korkbotschafter oder andere Spaßvögel verlauten lassen. Dass Wein nur mit Korken gut reife, dass die Qualität desselben dramatisch zugenommen habe, dass vor allem Spitzenweine den Korken verdient hätten und dass man je mehr Korkfehler vermeiden könne, desto mehr Geld man für die Ware ausgebe.

An Milliarden von Flaschen empirisch bewiesen

Ich verzichte an dieser Stelle auf detaillierte Widerlegungen, denn dass Weine auch anders verschlossen gut altern, ist durch diverse Versuche theoretisch und mit Milliarden an Flaschen empirisch bewiesen worden. Wer solche Binsenweisheiten bestreitet, wird auch behaupten, dass die Erde eine Scheibe und Sarah Wiener eine gute Köchin sei. Die von mir geschätzten Korkverfechter unter den Weinfreaks sind zum Glück nicht so simpel gestrickt und geben alle zu, dass Schrauber, Glas und Stainless Cap gut seien, führen aber allerlei Gründe an, weshalb sie eben doch auf dem altbewährten Zapfen beharren.

Die Kunden wollten es so (stimmt sogar manchmal), die Natur müsse geschützt werden, man habe es schon immer so gemacht. Nur die These, dass es beim Kork kein Problem (mehr) gäbe, ist die gefährlichste, denn widerlegen lässt sie sich nur mühsam. Bundesweite Statistiken exstieren nicht, ein zentrales Korkfehlerregister beim Bundeskriminalamt wird nicht geführt.

Traditionalisten löschen gerne unangenehme Erlebnisse aus ihrem Gedächtnis

Und was entgegnet man nun einem, der angibt, bloß alle Jubeljahre mal einen TCA-Fehler zu entdecken? Dass er selektiv schmecke? Dass er nicht alle Knospen auf der Zunge habe? Dass sein Gehirn all die subtilen Beeinflussungen ausblende, zu denen ein Kork nun mal fähig ist? Ich verzichte meist auf Diskussionen und gewinne lieber still und leise ein weiteres Mal den Eindruck, dass der Traditionalisten Unterbewusstsein unangenehme Erlebnisse rasch löscht, angenehme überhöht.

Weiter auf Seite 2…

Dass viele Weine auch ohne Verseuchung durch Trichloranisol vom Korken beeinflusst werden, nehmen die Konservativen achselzuckend als gottgegeben hin, verweisen zudem gern darauf, dass in den letzten 20 Jahren nur viereinhalb Kunden reklamiert hätten. Als ob die Kunden automatisch jeden verdächtigen Tropfen zurückschicken würden. Als ob sich McDonald’s-Esser über jede versalzene Portion Pommes frites beschweren würden. Wer mal auf Weinmessen fast leer getrunkene, völlig verseuchte Probeflaschen entdeckt hat, weiß, was ich meine.

Korkbotschafter und andere Scheuklappen-Trinker würden an dieser Stelle ihren ultimativen Trumpf ausspielen und einwenden, dass der Schrauber auch nicht der Weisheit letzter Schluss sei. Als ob das einer behauptet hätte! Stelvin & Co. sind Notlösungen, die sämtlich Nachteile haben, die sorgfältig behandelt werden wollen und penible Arbeit beim Füllen verlangen. Dass die eindeutigen Korkfehler nicht mehr ganz so zahlreich auftreten wie noch vor ein paar Jahren, glaube ich übrigens auch.

Dass ich bei fast jeder Verkostung wenigstens ein, zwei TCA-Tropfen habe und mindestens ebenso viele Zweifelsfälle, unterschreibe ich aber ebenfalls. Ein- oder zweideutige Fehler bei Schraubern sind mir in den letzten Jahren dagegen nur gerade zwei untergekommen.

Botschafter? Eher Legationsrat!

Seine Exzellenz, den Korkbotschafter, würde ich jedenfalls zurückstufen in der diplomatischen Hierarchie. Zum Legationsrat vielleicht und mit der Auflage, sich vor erneuten Beförderungen erst mal kundig zu machen bei denen, die keinen Kork mehr verwenden und jenen, die Tag für Tag viele Flaschen öffnen und zwar keine statistischen Absolutheiten zu bieten haben, aber doch einen ganz guten Überblick über das Ausmaß der Problematik.

  • Der Autor ist ein renommierter Journalist. Mehr Informationen zur Person hier
 

Datum: 31.7.2012
 

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