Im Rheingau ist es flach. Überwiegend flach. Aber es gibt auch einige berühmte Berge. Und die sind dann häufig auch sehr gute Weinlagen: Johannisberg, Rüdesheimer Berg, Gräfenberg. Und es gibt den Nonnenberg. In Rauenthal. Das ist da, wo der Rheingau bald schon wieder aufhört. Weiter hinten ist nur noch Hochheim. Und das ist, wenn man genau hinsieht, ohnehin ein ganz eigenes Gebiet. Behaupte ich. Aber das wird auch bestritten.
Rauenthal besitzt einen ganze Reihe vortrefflicher Lagen, der Nonnenberg sticht aus mehreren Gründen deutlich heraus: 1.) Der Weinberg ist markant. Er wird von einer klassizistischen Villa geziert, so dass die Anlage aus der Ferne wie ein Schlösschen im Médoc wirkt. 2.) Das Weingut Georg Breuer ist der Alleinbesitzer des Wingerts – erkennbar an der Aufschrift „Monopol“ auf den Etiketten des Hauses. Das hatte man wohl im Burgund gesehen und das Burgund war schließlich das Vorbild für den Breuer’schen Weinstil schlechthin. 3.) Obwohl im Rheingau nahezu jeder Rübenacker als „Erstes Gewächs“ klassifiziert worden ist, hat man dem Nonnenberg diese Ehre verwehrt. Warum das trotzdem eine der besten Rieslinglagen der Welt ist und weshalb man ihm die formale Anerkennung verwehrte, dazu später.
Der Name Nonnenberg erinnert an das ehemalige Kloster Tiefenthal, das Besitz in Rauenthal hatte, den Hang roden ließ und die Reben pflanzte. Das muss ungefähr um die Mitte des 12. Jahrhunderts gewesen sein. Bis zur Säkularisation waren die Nonnen Hüterinnen des Weinbergs. Der ist nach Süd/ Südwest ausgerichtet und hängig bis steil. Auf rund 6 Hektar stehen die teilweise über 50 Jahre alten Reben auf einem tiefgründigen, teils lehmigen, teils schiefrigen Boden, der mit Quarziten durchsetzt ist. Das gibt saftige, in ihrer Jugend oft von kerniger Säure geprägte Rieslinge.
Breuer, der Visionär
Das Weingut Breuer ging 1910 aus dem Besitz des Handelshauses Scholl & Hillebrand hervor und wurde unter der Regie des 2004 mit 57 Jahren zu früh verstorbenen Bernhard Breuer eines der besten Weingüter Deutschlands. Bernhard Breuer war ein Visionär – der geistige Vater und Vorreiter der Großen Gewächse. Er initiierte das „Comitée Erstes Gewächs“ und legte damit den Grundstein für ein Umdenken bei der Herstellung trockener Rieslingweine. Damit machte er sich nicht nur Freunde. Als das Land Hessen der Bezeichnung „Erstes Gewächs“ als erstes und einziges Bundesland den Status einer weinbaurechtlichen Bezeichnung gab, war Breuer der letzte, dem dies gefiel. Denn das Modell „Erstes Gewächs“ hatte nicht mehr viel mit dem gemein, was sich sein Komitee einst erdacht hatte. Die Lagen waren unter anderem auf der Basis von Klimawerten erstellt und klassifiziert worden. Man hatte nur das Mostgewicht im Sinn. Ein Humbug. Der Nonnenberg wurde dann auch nicht als „Erstes Gewächs“ verbucht.
Als Reminiszenz will ich einen Nonnenberg vorstellen, der noch unter Bernhard Breuers Leitung gekeltert wurde. Aber auch nicht vergessen, darauf hinzuweisen, dass auch die neuen Jahrgänge aus dem Nonnenberg Größe zeigen. Denn sowohl Breuers Tochter Theresa, als auch sein Bruder Heinrich sind begnadete Winzer, die die großen Fußstapfen problemlos ausfüllen.
Achtundneunzig aus der Magnum
Der 1998er hat den Vorteil, dass er aus der Magnum kommt. Das hat ihm eine Frische bewahrt, die man aus der 0,75 Liter-Flasche nicht mehr erwarten darf. Die Nase zeigt reife, satte Würze von einem Apfel- und Quittengelee, das mit Muskat und Zimt verfeinert wurde. Auch Zitrusabrieb und nasser Schieferstein strömen aus dem Glas. Das Glas sollte groß sein – für viel Luft und den großen Schluck! Am Gaumen ein kompakter, kräftiger Wein, der an große Elsässer erinnert. Eine Mischung aus saftiger, mundfüllender Frucht und kühler Würze und Spannung. Bitte nicht zu kühl trinken.
Das Pendant aus 2008 ist viel zu jung, kann aber nach mehrstündiger Badezeit in der Karaffe schon Spaß machen: Ein eher leichter Nonnenberg (12 % Alkohol), der schlank, ja fast sehnig ist. Ein Knochen mit Geschmack aber sehr wenig Fleisch. Viel Zitrusfrucht, reifer, rotwangiger Apfel, salzige Noten, kraftvolle, markante Säure.
Ich erinnere mich an diese Sache, als wäre es gerade gestern gewesen. Zu der Zeit habe ich im Rheingau gearbeitet. Das war ein gewaltiger Aufruhr damals, die Breuer Story. Aber er hatte Recht, und wie, und im Rückblick hatte er noch mehr Recht. BB war ein ganz großer, einer der mich persönlich gewaltig geprägt hat und dem ich viel verdanke. Wenn ich da an die vielenGespräche morgens um fünf hier bei mir in der Küche denke…
Übrigens war er mit seinem Tagebuch damals quasi der allererste Weinblogger!
Von Breuer hört man nur Gutes, z.Bsp. weiss Frau Dr. Kegel, die unlängst das Weingut von Othegraven abgegeben hat, dankbar zu erzählen wie er ihr als einer Branchenfremden geholfen hatte. Das Ergebnis ist bekannt.
Und hier der Nonnenberg aus der Luft:
http://www.weinlagen-info.de/?lage_id=1100
Ich muss mich wiederholt für diese Ergänzungen (Luftbilder und Lagenkarten) bedanken..
Gern geschehen. Ihr könnt bei Artikeln über Lagen gleich auf weinlagen.info gehen, dort auf die Lage, url aus „anzeigen -> link“ kopieren und als Link in den Artikel einbinden. Umsonst und für alle, wie wikipedia.
Es ist mir stets eine Freude, wenn Sie das machen..
Na ja, altbekannte Story und an der Leistung von Herrn Breuer ist wirklich kein Zweifel zu finden und er hat wirklich großes geleistet. Beim Nonnenberg muss man aber auch die ganze Bandbreite des Problems mit einbeziehen. Es handelt sich keineswegs um einen Fall von Beamtenwillkür. Ich habe auch Stimmen gehört, die sagten, dass der Nonneberg niemals eine Erste Lage gewesen sei. U.a. wurden ja auch historische Steuerkarten bei der Klassifizierung heran gezogen. Natürlich hat die Sache ein Geschmäckle, wenn dann Lagen zu Ersten Gewächsen werden, wo in der Vergangenheit niemals Weinbau betrieben wurde. Letztendlich ist aber eines entscheidend: Die Leistung des Winzers. Es gibt unzählige Durchschnittsweine von Ersten Lagen zum doppelten Preis einer Durchschnittsspätlese. Unabhängig davon, dass er sich wegen des Streits über den Nonnenberg von den Ersten Gewächsen zurück gezogen hat, muss aber die Leistung Herrn Breuers würdigen, dass er die Lagenklassifikation mit begründet hat und die ersten Schritte weg von diesem unsäglichen Zucker-Weingesetz gemacht hat.
Altbekannt für die altbekannten Kenner. Hier will man die Massen agitieren.
„letztendlich entscheidet die Leistung des Winzers“ ist eine Tautologie