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Eine kurze, heftige und interessante Debatte im Internet. Werden Weine viel zu früh getrunken? Das stimmt, sagt der Captain. Doch junge Weine entsprechen inzwischen dem Geschmack der Konsumenten. Jeder Widerstand ist zwecklos.
Das war eine schöne Folge. Der Autor Mario Scheuermann veröffentlichte in seiner privaten Kommunikation auf facebook eine Liste von Weinen, die er öffnen wolle. Das wäre nichts Besonderes, doch die Weine, die Scheuermann aus seinem Keller holte, waren allesamt gereifte Weine, alte Flaschen, die seit Jahren im Dunklen ablagen. Und wohl dazu bestimmt waren, zu einem früheren Zeitpunk getrunken zu werden.
Unter Scheuermanns Weinen waren etwa ein 88er Grauburgunder von Dörflinger aus Baden, oder ein 88er Spätburgunder von Hans Lang aus dem Rheingau. Und beide Weine erwiesen sich – laut Scheuermann – als stabil und als interessantes Trinkvergnügen. Da wäre auch der Captain gerne dabei gewesen.
Der Captain trank am Mittwoch einen Grünen Veltliner „Hinter der Burg“ 1983 von Franz Prager aus der Wachau in Niederösterreich. Und war überrascht, wie viel Spaß dieser alte Saft noch machte. Unglaublich präsent, mit Anklängen von Kamille und auch Holunder. Und kaum Petrol. Fantastisch!
Gleichzeitig eröffnete der online-affine Winzer Dirk Würtz eine Debatte über den grassierenden Jungweinwahn. Händler und Konsumenten verlangen stets nach frischer und junger Ware und geben den Weinen keine Zeit zum reifen (Hier der gesamte Text). Würtz, so sein Statement, wolle von nun an bei dieser Praktik nicht mehr mitmachen. Diese Entscheidung trug ihm begeisterte Reaktionen zu.
Droht ein Aufstand gegen die Trinksitten?
Ja, das wäre nicht schlecht. Der Captain hat das Weintrinken mit weichen alten Bordeaux gelernt. Flaschen, die mindestens acht Jahre davor abgefüllt wurden. Und nicht, wie heute, erst drei Jahre alt sind, wenn sie geöffnet werden. Selbstredend viel zu früh geöffnet werden.
Und der Captain ist mit Federspiel-Weinen aufgewachsen, die man lange, lange vor den Smaragden getrunken hat. Die Smaragde hat man erst weggelegt. Und dann, fünf Jahre später, das erste Mal geöffnet. Der Sommelier hat den Kopf geschüttelt, wenn man im Restaurant einen zwei Jahre alten Smaragd trinken wollte. Wo gibt´s denn sowas?
Reife Weine sind gut. Doch Hinz und Kunz haben jeden Scheiß in den Keller gelegt
Doch leider haben Hinz und Kunz geglaubt, dass jeder Wein mit dem Hinlegen und Verstauben auch besser wird. Und so sind in deutschen Weinkellern vor zwanzig Jahren hunderttausende durchschnittliche Jungweine zu Essig verkommen, nur weil das Märchen vom Einlagern die Runde machte. Damals gab es eben kein Internet, keinen Würtz, keinen Scheuermann und auch keinen CaptainCork, wo man schnell hätte nachsehen können.
Und wegen dieser Enttäuschung, wegen Unkenntnis und mangelnder Aufklärung. Und eben weil nur alte und dumme Weinschwätzer Erklärungen gaben. Eben darum haben die Leute in den Neunziger-Jahren angefangen, nur mehr junge Weine zu trinken. Auf Nummer sicher.
Auch hat der damals mächtig werdende Weinpapst Parker gegen die alten Weine angeschrieben (oft völlig zu Recht übrigens), hat die alten Weine mit den alten Männern in Verbindung gebracht, die mit lallenden Stimmen und in angestaubten Anzügen ihren Mist herunterbeteten. Eine schreckliche Zeit. Damals war Parker ein Erlöser. Heute ist auch er alt geworden.
So kommt es, dass am 5. März 2010 fast alle Riesling Spätlesen aus dem Jahr 2007 schon ausgetrunken sind. Und auch fast alle Grünen Veltliner Smaragde des gleichen Jahres aus der Wachau (und auch die DAC-Reserven aus dem Weinviertel). Das ist mit Sicherheit eine fragwürdige Entwicklung, dem Wein und der Weinkultur nicht zuträglich. Doch auch der Captain weiß: Den meisten Leuten hat´s geschmeckt.
Die Leute mögen es, die Weine jung zu trinken. Auch wenn sich für manchen von uns Weine verschlossen präsentieren, heißt das noch lange nicht, dass die Weintrinker, die den Empfehlungen erfahrener Vertrauenspersonen (Weinberater, Sommelier, Captain, etc..) gerne folgen, nicht an jungen, etwas harten und sehr frucht- und terroirbetonten Granaten Freude finden. Mein Geschmack, dein Geschmack, unser Bac.
Die Leute lieben junge Weine
Im Bekanntenkreis des Captain trinkt man gerne auch mal eine reife Flasche Wein (7-10 Jahre alter Riesling, 10-20 Jahre alter Bordeaux, etc..). Doch gerade bei den Weißweinen hält sich die Begeisterung in Grenzen. Kommt aber ein junger frischer Riesling auf den Tisch. Oder ein 10 Monate alter steirischer Sauvignon, dann findet die Mannschaft das lecker. Und zwar alle. Das ist die Wahrheit.
Deswegen dient der Aufschrei von Dirk Würtz und die ständig wiederkehrende Debatte über viel zu jung getrunkene Weine nur der Selbstbestätigung der Autorenschaft. Diese (und das sind ein paar tausend Leute) braucht andauernde Vergewisserung, mit ihrem Empfinden nicht alleine dazustehen.
Deswegen sind alle Aufklärungsversuche auch unnützes Treiben. Vielleicht kann man ein paar erfahrenere Weintrinker in einem Korridor auf die gemeinsame Flanke holen. Doch letztlich wird es bleiben, wie es ist: Die Leute wollen junge Weine trinken. Je jünger, desto besser.
Was bleibt dem Captain und Konsorten? Klare Antwort: Das gallische Dorf. Die Eigeninitiative. Das Weglegen. Der eigene Keller. Das Anstiften, es gleichzutun. Und den milden Blick auf jene, die ihre Weine zu früh vernichten. Es ist ihr Bier.
Toller Artikel lieber Captain. Ich denke auch, dass speziell in Österreich einige Rotweine ihr versprochenes Potential nicht eingehalten haben und der Konsument sie heute deswegen eher in ihrer Fruchtphase schätzt. (gilt international sicher auch für viele italienische Rotweine)
Bei den Weißweinen wird in Österreich ja generell der eher, spritzig, leichte Typ bevorzugt. Viele Smaragde werden meiner Meinung nach eher wegen Punkten/Prestige getrunken und nicht wegen dem Geschmack… Den Geschmack eines guten gereiften Weißweins schätzt eben nicht jeder…
Ahoi Captain,
im großen und ganzen hast Du absolut Recht. Soviel vorab.
Aber:
1. Ich wollte keinesfalls zustimmendes Kopfnicken erzeugen, sondern eine kritische Diskussion anregen. Deswegen hatte ich beispielsweise auch früh in die Facebook Runde gefragt wo denn die Jungweinfreaks bleiben
2. Ich begebe mich jetzt auf die Aufklärungsmission. Ich werde den Leuten immer und immer wieder „gereifte“ Weine vorsetzen, damit sie überhaupt die Möglichkeit haben so etwas zu probieren. Ich bin mir sicher (hoffe), dass sich dann alles ein wenig ändern wird.
P.S.
Ich habe übrigens auch jede Menge solcher Leichen im Weinkeller liegen…
Ein Problem ist ganz sicher, dass der Konsument es auch recht schwer hat zu gereiften Weinen zu kommen, in der Gastronomie werden diese ja nicht so oft angeboten (Ausnahme Topgastronomie!).
das stimmt nicht, sonst hätten wir bei Wein & CO in der Jasomirgottstraße in den letzten beiden Jahren nicht einige Wachauer Smaragde aus den 90ern verkauft.
da wird schon was dran sein, aber es bleibt nicht bei dem wie es ist. wein ist olympisch: (höher schneller weiter): immer wie fruchtiger & früher, immer wie schwerer & dominanter. zeit hat keiner und warten will keiner. schade drum. anstatt zu erklären resigniert der captn.
Liebster Captain,
das hast Du wunderschön in Worte gefasst! Ich kann nur zustimmen! Immer wieder die gleichen Reaktionen in entsprechenden Seminaren und Verkostungsrunden… Reife Weine, werden als ’nett‘ und ‚interessant‘ kommentiert. Begeisterung kommt fast ausschließlich bei jungen, knackigen Weinen auf… Hier wird dann gerne vom Lagerpotential geschwärmt…
Aber was soll’s? Wein ist ja eine sehr persönliche Erfahrung und wer auch an den älteren, reifen Weinen gefallen findet, dem Mangel es ja nicht an Auswahl.
Und ich könnte mir vorstellen, dass dieser Kreis die nächsten Jahre sogar wieder etwas größer wird…
Lieben Gruß
Michael Liebert
Nochmal, um es dann wirklich ganz deutlich zu sagen: Ich rede nicht von alten Weinen mit Petroltönen oder was auch immer, die grundsätzlich ja auch nicht jedem schmecken. Ich rede davon, WANN man Weine aus dem aktuellen Jahrgang anfängt zu vermarkten. Im Jungweinstadium, oder eben nach einer gewissen Zeit, wenn sie schmecken. ich rede nicht davon, die Welt davon zu überzeugen nix zu trinken, was nicht wenigstens 20 Jahre alt ist.
Was Ihr hier nicht erwähnt, ist die ökonomische Seite. In Zeiten, wo Geiz geil ist, will sich der durchschnittliche Konsument auch ganz einfach nicht festlegen und gibt sein Geld lieber unter dessen für anderes aus.
Wie oft hören wir von den Weingütern, dass die Leute heute mit ein paar Flaschen den Hof verlassen, wo man sich früher noch – in alter Treue zum Haus und Hof-Weingut – die Holzkisten ins Auto geladen hat.
Dann kommt noch die Unsicherheit dazu. Wie lange KANN man denn WELCHEN Wein lagern…..
Last but not least ist Wein überall und im Ûberfluss zu haben, so why bother? Umso besser, dass es Leute wie Euch gibt, die darauf aufmerksam machen und hier und da doch mal wieder den einen oder anderen neugierig machen können. :-).
Gruss aus Schweden, die Heike
vinumdiligo.blogspot.com
Hallo Heike, es freut uns, dass man uns auch im Norden gerne liest. Ich glaube Dirk Würtz wollte mit seinem Protest ausdrücken, dass er glaubt, Winzer und Weinmacher sollten ihre hochwertigen Weine eventuell erst 2-4- Jahre später realisieren, wenn sie dem ersten Höhepunkt nahe sind. Dieser Meinung schließen wir uns an, glauben aber, dass en Riesling aus dem Jahr 2006 inzwischen als alter Wein gilt. Und wir glauben auch, dass dem Konsumenten derart gereifte Weine (auch wenn es sich um eine lächerliche Zeitspanne handelt) nicht schmecken. Der Massengeschmack will eben nur junge Weine, egal welche Kategorie.
Deine Beobachtungen teilen wir, schönen Abend in den Norden..
CC
Hallo Zusammen! Was in meiner letzten Mail wohl etwas zu kurz kam ist Folgendes: Ich teile natürlich u.A. die Meinung von Dirk Würtz! Es gibt viele Weine die einfach zu jung auf dem Markt erscheinen. Oft wegen der angeblich großen Nachfrage, was ja ansich Gut ist und uns Produzenten sowie Händler freuen sollte, aber es gibt eben Weine, dazu zähle ich persönlich den Riesling, die sollten ab einer gewissen Qualität einfach etwas Zeit in der Flascher, oder Tank bzw Fass (Nein, kein Barrique!!) habenn um zum Punkt zu gelangen, ausgewogen und GENUSSREIF zu sein. Es kann durchaus vorkommen dass Händler sowie Sommeliers und Konsumenten bei zu früh auf dem Markt erschienenen Weinen dann auch noch behaupten der Wein sei unstimmig, unausgewogen oder gar schlimmeres. Das, liebe Freunde geschieht doch nur aus dem Grund weil viele nicht die Geduld haben abzuwarten bis der Stoff wirklich auf dem Punkt ist gesoffen zu werden. Beim Käse oder beim Fleisch sind wir wohl schon einen Schritt weiter. Da ist das Bewusstsein wesentlich offener! Zu junger Käse scmeckt doch auch nicht wirklich, und von gut gereiftem Fleisch was man einmal gegessen hat kommt man auch nur schwer wieder los. Warum ist das beim Wein nicht so?! Gejht es nur noch ums Geschäft und ist der Genuß schon Zweit oder gar Drittrangig? Ist die Nachfrage tatsächlich sooooo Groß??? Dann widerum muss ich mich Fragen warum oft über den Absatzmarkt Deutschland zum Beispiel so gejammert wird. Ich habe es schon einmal erwähnt und ich tue es hier wieder. Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, die Amis z B. haben es teils schon seit längerem begriffen und warten lieber 2 Jahre auf den aktuellen Jahrgang und haben mehr Spaß damit. Sollte gerade diese Tatsache nicht Anreiz genug sein für ein generelles Umdenken des Konusmverhaltens der Weinerzeuger, Weinhändler, Sommeliers und Weintrinker ?? Ich denke schon und ich bin sehr Positiv dass wir, mit vereinten Kräften die Lage dahin lenken können, viele Weine in Zukunft mit mehr Vergnügen saufen zu können!!! Teilt mir mal Eure Meinung mit! Mit den besten Grüßen, der Marco G. Z. aka The Wine Rock n Roller!
Ja, die Produzenten haben es in der Hand, indem sie bei jedem Wein angeben, wann dieser seinen voraussichtlichen Höhepunkt haben wird. das Beispiel Käse: hier hat man bedeutend weniger Ausfuehrungen, fuer den Verbraucher also uebersichtlicher. Beim Wein mit allen Traubensorten, Qualitätsniveaus, Jahrgängen – wer soll durchblicken, wenn nicht absoluter Profi? Weingueter: you rule! Informiere den Konsumenten auf schlichte Weise, dann wird sich das Verhalten sicherlich anpassen?
Heike
auf der anderen seite gibt es gründe wieso keiner mehr einen 3 jahre alten wein trinken will, der jetzt um die zeit schon in der flasche ist. ganz einfach: weil sie nicht halten.
verständlich oder?
die schuld liegt nicht beim weintrinker sondern beim winzer.
Ich glaub hier von Schuld zu sprechen, ist etwas zu viel der Selbstbezichtigung. reden wir besser von Irrtümern..
@gottfried
Du triffst den Nagel direkt auf den Kopf!
@gottfried:
Zugegeben, es gibt sicherlich mehr als einen Einflußfaktor auf die Lagerfähigkeit von Wein. Und ja, es gibt genügend Weine, die nach drei Jahren nicht mehr zu trinken sind.
Aber: Am Füllzeitpunkt (allein) liegt das wohl in den allerwenigsten Fällen. Eine Füllung im März nach der Ernte schließt nämlich beim Weißwein eine lange Haltbarkeit definitiv NICHT automatisch aus.
Grüße
Bernhard
Also mich gab es schon vor 20, 30 Jahren und zwar auch schon über Wein schreibend, wenn auch nicht im Internet. Wer damals meinen Empfehlungen zu Weinen aus den 1970er und 1980er Jahren folgte, kann sich jetzt freuen, dass er keine Weinleichen sondern gereifte Schätze im Keller liegen hat. Auch gab es damals z.B. schon einen August F. Winkler, auf dessen Urteil man sich verlassen konnte, und einige andere mehr.
Das Jungweintrinken als solches ist im Übrigen kein wirklich neues Phänomen. Es war schon immer kennzeichnend für den Massengeschmack. Neu ist lediglich, dass man nicht nur die einfachen und dafür auch bewusst gemachten Weine jung trinkt sondern auch die grossen und auf Lagerfähigkeit ausgerichteten Weine. Der Beginn dieser Entwicklung lässt sich im Übrigen was Deutschland betrifft ziemlich genau in den 1920er Jahren dokumentieren.
Das hatte zwei Gründe zum einen war da der Jahrgang 1921. das war der ersten Jahrgang in Deutschland, der von der Publikumspresse als Jahrhundertjahrgang gehypt wurde. Darauf hin verlangte das Publikum bereits Anfang 1922 nach den Weinen. Diese wurden oftmals unstabil gefüllt, was zu Nachgärungen führte bis hin zu Vergiftungen. Die kaltsterile Abfüllung war zwar bereits erfunden, wurde aber beim Wein noch nicht angewandt. Das kam dann aber wenige Jahre später und damit begann das Jungweintrinken. Vorher war das praktisch gar nicht möglich, es sei denn der Wein wurde vor Ort als Heuriger aus dem Fass gezapft. Vor 1921 gab es praktisch keine Jungweine ausserhalb der Erzeugergebiete. So richtig in Mode kamen die dann ab 1933 durch den massenhaft organisierten Weintourismus der Nazi-Organisation „Kraft durch Freude“ sowie die überall im Reich durchgeführten Weinwochen und Weinpatenschaften.
Interessant. Wusste ich nicht. Danke.
1921 war der absolute Obersupersonderknallerjahrgang! Alles was ich bisher aus diesem Jahr trinken durfte war eine Offenbarung!
Zum Thema Wein und Nationalsozialismus ist übrigens gerade ein Buch fertig gestellt worden, an dem ich auch mitarbeiten durfte. Ein sehr spannendes Thema, leider ist die Suche nach einem Verlag bisher erfolglos. Wir drucken es dann halt selbst, wenn es nicht anders geht…
Von den Frühfüllungen des 1921ers hat natürlich nicht eine Flasche bis heute überlebt sondern nur die Weine, die dann regulär ab 1923/24 auf den Markt kamen. Die sind natürlich heute noch super! Ab er man kann die Geschichten in Zeitungen aus dem Frühjahr und Sommer 1922 nachlesen.
Lieber Captain, liebe Mitdiskutierende!
Ohne von „Schuld“ sprechen zu wollen, würde ich aber doch behaupten wollen, dass es die Weinproduzenten in der Hand haben, dafür zu sorgen, dass ihre Weine nicht zu früh getrunken werden. Der Konsument ist in der Regel fernab von Expertentum und kann das nicht einschätzen. Die schreibende Zunft ist dann schon ganz früh dabei, letztjährige Jahrgänge zu hypen.
Das alles lässt sich steuern, indem man den Wein dann verkauft, wenn er dazu auch „bereit“ ist … ich denke, das ist es, was Dirk Würtz anregen wollten.
Jüngste (Freitag/Samstag) Erfahrung bei einigen Einkäufen in Südtirol für die nächsten Verkostungen: Während man uns in einigen Kellereien ohne mit der Wimper zu zucken selbst Premiumlagen-Weine aus 2009 in den Karton packte, meinte der Verkäufer bei St. Michael/Eppan (ich gestehe, mit stolz geschwellter Brust, mein Liebling in Südtirol) lapidar, dass die 2009er der „St. Valentin“-Linie erst in ein, eher zwei Jahren in den Verkauf gelangen werden. Aktuell kann man nach wie vor „nur“ den 2008er erwerben.
Damit ist das Problem schon „an der Wurzel“ gepackt und im vorab erledigt: Der gierige und Jungweinwahnige Konsument muss sich eben gedulden, bis der Hersteller, der seinen Wein am besten kennt, der Ansicht ist, dass es Sinn macht, in den Verkauf zu gehen. Damit ist auch auf Seiten des Geld investierenden Konsumenten kein gesondertes Wissen vonnöten, wann nun der richtige Zeitpunkt zum Trinken ist. Das gibt der Weinmacher vor.
Kurze Anmerkungen eines einfachen Weintrinkers mit sehr beschränkter Erfahrung, was alte Weine betrifft:
Tatsächlich greife ich zuletzt auch gerne zu den jüngeren Weinen, weil die älteren vergleichsweise dann oft nicht der Hammer sind, und jetzt rede ich zum Beispiel von guten Burgenländern, Gabarinza etwa, oder diversen Pannobiles, von denen ihre Erzeuger sagen, dass sie zehn und mehr Jahre lagerfähig sind, mindestens, das sind sie aber nicht immer, beziehungsweise werden sie nicht mehr besser nach fünf, sechs, sieben Jahren, da trink ich sie doch lieber früher, und erspare mir außerdem das Herumschisteln im Keller. So viel vom einfachen Weintrinker.
@ Statuskrah: Bin ebenso der einfache Weintrinker, vielleicht gar einfältig. Ich bin der Ansicht, dass wenn ein Wein „gut“ ist (was immer das auch heißen mag für den einen, aber auch den anderen), dann ist er das jung, mittelalt, alt.
Ich habe weder die Möglichkeiten (Platz, Finanzen) noch das Know-How, um von Null ab mir einen Weinkeller so anzulegen, dass ich irgendwann reife Weine trinken kann. Das geht partiell, die Praxis ist aber doch eine andere: Freunde kommen vorbei, es ist Sommer, ich reiß eine Flasche Sauvignon auf aus 2008 oder auch schon 2009 und alle sind happy.
Schwierige Thematik. Oder eben nicht, denn bei vielen Weinen macht es gar keinen Sinn, sie nicht bereits jung zu trinken.
Doof bleibt aber, und da komme ich wieder auf Dirk Würtz zurück, wenn Winzer ihre Weine zu früh in den Verkauf geben. Da ist für mich der Ansatzpunkt. Denn mit der professionellen Zurückhaltung entscheidet der kundige Winzer, ab wann ein Wein zu schmecken hat und nicht ein Weinjournalist oder ein Konsument, der schon Anfang des Jahres Weine vom vorherigen Jahr ordert.
Ganz bei Ihnen, Kunstguerilla. Ich wollte nur die Ehre des hier schon mehrmals erwähnten Massengeschmacks wiederherstellen.
Aufwändiges, kompliziertes, mühsames Herumwerken.
achso