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Und ein guter Wein muss auch dekantiert werden, um die edle Flüssigkeit vom sogenannten Depot zu trennen. Den Ablagerungen, die vor allem ältere Rotweine manchmal am Flaschenboden liegen haben. So viel zu den Regeln, wie sie heute noch gelehrt werden.
Dekantieren vs. Karaffieren
Bevor ich fortfahre, noch ein paar Worte zur Begriffsschärfe. In letzter Zeit ist das Wort Karaffieren aus der Mode gekommen und wurde mehr und mehr durch Dekantieren ersetzt. Wer Dekantieren sagt, meint heutzutage meistens Karaffieren, also das Zuführen von Sauerstoff. Die ursprüngliche Bedeutung des Dekantierens beschränkte sich auf die vorsichtige Trennung von Depot und Wein.
Der Kellner naht und baut seine Bühne auf. Der Wein wird geöffnet, die Kerze entflammt (sie soll hier keine Wärme spenden, sondern das Depot sichtbar machen), der Wein wird nun langsam über der Kerze in die Karaffe geleert, diese wird dabei sorgsam gedreht. Das sieht alles wahnsinnig wichtig aus. Und ist nicht nur in diesem Fall: expliziter Unsinn.
Wie auch der darauf folgende Hinweis des Kellners, dass der Wein jetzt erstmal eine Stunde atmen muss. Völliger Quatsch. Rein ins Glas. Und trinken. Aber bringen sie uns vorher bitte noch kleinere Gläser. Das Chianti-Format bitte. Und falls sie das nicht vorrätig haben, dann die Chardonnay-Gläser. Der Kellner rollt die Augen. Schon wieder Gäste, die sich mit Wein üüüberhaupt nicht auskennen.
Ich behaupte, in Deutschland werden 80% der wertvollen Weine durch Dekantieren vernichtet. Denn der Kontakt mit Sauerstoff kann einen älteren Rotwein schnell umkippen lassen. Es wäre auch in diesem Fall viel besser gewesen, der Kellner hätte die Flasche (ein 1995er Ornellaia aus der Toskana) nur geöffnet und einfach zehn Minuten offen stehen lassen. Das hätte gereicht.
Tod durch Belüften
Durch den nun erfolgten breiten Kontakt mit Sauerstoff gewinnt der Wein zwar schnell an Aroma, wirkt sofort weich und wenig verschlossen. Doch schon innerhalb einer halben Stunde beginnt die oxidative Note das gerade gewonnene Aroma zu erschlagen, der Wein verfällt in Minutensprüngen. Sein Charakter löst sich in Luft auf. Was für ein tragischer Tod.
Da ist es besser, den ersten Schluck Wein noch verschlossen zu empfinden. Im Glas öffnet sich der Saft sowieso relativ rasch. Und wenn der Wein nicht dekantiert wird, darf er auch in ein größeres Glas sinken.
Eine gute, etwas ältere Flasche Rotwein, sollte innerhalb einer oder maximal zwei Stunden getrunken werden. Denn meist wird der Saft nicht besser. Auch wenn Bekannte immer von diesen tollen Erlebnissen erzählen, wie gut der Wein am nächsten Tag war. Als man den Rest schon wegkippen wollte.
Dieses Phänomen – der Wein, der am nächsten Tag viel besser war – hat eine einfache Ursache. Es handelt sich um einen viel zu früh getrunkenen Wein, einen extraktreichen Wein, einen Wein der lange auf der Maische lag und dann im kleinen oder mittelgroßen Holzfass ausgebaut wurde. So ein Wein darf gerne dekantiert werden. Wenn man schon das Verbrechen begeht, ihn vor seiner Zeit zu öffnen. Denn auch wenn dieser Wein stundenlang durchatmet und so überhaupt erst genießbar wird, ist das Dekantieren hier gleichfalls Unsinn.
Welchen Wein dekantieren?
Denn der Wein sollte eigentlich noch nicht getrunken werden. Es kann kein richtiges Leben im falschen geben. Welchen Wein soll man dann überhaupt dekantieren?
Ich rate, jüngere, mittelschwere Rotweine und jüngere, kräftige Weißweine zu dekantieren. Obwohl man auch bei Weißweinen auf den Umstand hinweisen muss, dass diese meist zu früh getrunken werden. Wer 2019 einen 2018er Riesling Großes Gewächs trinkt (sobald der zur Verfügung steht), sollte zivilrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.
Dekantieren dient heute dazu, vor ihrer Zeit geöffnete Weine zugänglich zu machen. Alter Wein sollte generell nicht dekantiert werden. Dem Depot kann man mit einem neutralen Filter beikommen, den man gegen Ende der Flasche kurz in das Glas setzt. Ja, man kann sich die ganze Inszenierung, das Werkzeug, das Getue eigentlich sparen. Außer man trainiert Theater. Und macht den Wein wichtiger, als er ist.
Trotzdem der Captain Recht hat, macht man sich gerne höchst lächerlich, wenn man um undekantierten, gerne auch etwas niedriger als sommerabendwarm temperierten Roten in nicht melkeimergroßen Gläsern bittet.
Häufig ein unmögiches Unterfangen!
Dekantieren:
Wer zahlt, schafft an. Borolo z.B kann meist ruhig dekantiert werden, bei Burgund würd ich achtgeben o. sehr schnell austrinken….schwere, holzlastige Südfranzosen vertragen den Dakanter ebenso….
Temperieren:
Diese bacherlwarmen Italiener beim Italiener sind sowieso nicht auszuhalten. Tolle Kombination: Zu warm plus Dekanter!
Deshalb: Coolness beweisen und rein mit dem (einen!) Eiswürferl. Bis zur Mittelklasse ist das Ok. Wer zu warmen Ornellaia o. Tignanello serviert gehört sowieso bestraft
(mit bis zu 5 Jahren Flaschenentzug).
Sakrileg: Auch den Weinen des geschätzen Captains tut ein Eiswürferl gar nicht schlecht, wenn er – wie meist im Restaurant – nicht perfekt gekühlt ist.
was ist denn in der Preisklasse bis 15 Euro ein junger Wein? Wir haben 2013, vor uns ein 2010er 8 Euro Rotwein, ist der nun noch jung? Weil ich ich denke bis 2020 wird er sich nicht mehr halten.
Ich bedanke mich herzlichst für diesen Beitrag, stehe ich doch fast ewig „im Krieg“ mit einem Herrn, der die Weinfachschule besucht hat, was immer das auch bedeuten mag.
Es ist kaum möglich, gemütlich ein Glas Roten mit ihm zu trinken, ohne dass umgehend derbe Kommentare erfolgen. Hierbei sind den schauspielerischen Möglichkeiten meines Gegenübers keine Grenzen gesetzt, oft dachte ich, ich müsste den Notarzt holen, so dermassen abfällig benahm und äusserte er sich über meinen Rotwein, zumal dieser ja auch noch (welche Sünde) äussert preisgünstig war.
Es ist auch schwer, solche Zeitgenossen zu widerlegen oder zu überzeugen. Ihm war es gänzlich unverständlich, dass ich z.B. in einem italienischen Restaurant 2x einen alten Bardolino habe zurückgehen lassen, er schmeckte einfach nicht und das hatte nichts mit dem total überteuerten Preis von 80 € zu tun. Und hier ist das Wort: „SCHMECKT…“- Entweder der Wein schmeckt MIR oder nicht, alles weitere interessiert mich absolut nicht, da kann auch die tollste Show abgezogen werden und der Preis ins lächerlich astronomische gehen.
Mir ist es unverständlich, warum man nicht den Schneid hat, FREUNDLICH zu sagen: „Lass den Quatsch, den du gerade veranstalten willst, schütte den Wein ins Glas und PROST!“ Und wem er nicht schmeckt, weil zu süss, zu trocken, zu kalt oder zu warm ist, der kann es auch in kurzen Worten sagen und muss sich nicht abfällig mit Würgereiz dazu äussern.
Ich wünsche allen hier ein fröhliches „Prost!“
wir dekantieren sogar uralte Bordeaux! Als ich in einer meiner Weinrunden neu war staunte ich, als kein geringerer als Jan Erik Paulson einen 47er Pichon Baron oder einen 53er Petite Village dekantierte. Kurz danach waren die Weine in einem inferioren Zustand und ich fühlte mich in meiner Meinung bestätigt „nur keine Altweine dekantieren..“. Eine Stunde später war alles anders, die Weine in ihrer Frische nicht übertreffbar und ich bekehrt! Seither dekantiere ich jeden Wein (den ich gleich trinken will) und bin von dem positiven Effekt nicht nur vollkommen überzeugt, ich kann würde es auch jedem empfehlen…
Ich hols dann auch noch mal hier rüber:
So allgemeingültig würde ich das nicht sehen wollen, nicht jeder Wein verträgt das. Vor allem bei Burgundern wäre ich da lieber vorsichtig. Für einen 47er Baron würde ich es aber auch sofort unterschreiben, dass er karaffiert gehört.
Ich hatte dazu natürlich auch ein Erweckungserlebnis. Es war ein 79er Grand Puy Lacoste und wir baten ihn in einem Restaurant karaffieren zu lassen, schon eine Stunde bevor wie essen wollten. Die Sommelière riet dringend ab. Und das war auch gut so, der Wein zeigte sich zunächst wunderbar, auch noch Fruchtnoten und gutes Gerüst, aber er zerfiel zusehends, obwohl die Dame ihn behandelte wie ein rohes Ei, es war am Ende ein regelrechtes „gegen die Zeit trinken“.
Bei einem entsprechend hochwertigen JUNGEN Wein hätte ich allerdings nie Bedenken, ansonsten ist es – wie so oft – trial and error.
Ich lehne mich mal „ganz weit aus dem Fenster“ und vermute dieses Szenario fand beim Italiener statt…
Dort erwarte ich was Wein angeht schon lange keine Kompetenz mehr.
Aufpassen, dass Sie nicht aus dem Fenster fallen, lieber Gast, Es war ein belgisches Sternerestaurant.
Hier noch einpaar weitere Begriffsverwirrungen;-) http://www.bio-wein-online.com/blog/2011/03/vom-karaffieren-dekantieren-und-avinieren/
Für mich einer der besten Beiträge von Herrn Klimek. Kann die Erfahrungen zumindest für Rotwein 1 : 1 bestätigen. Weshalb ich Weine , die älter als 10 jahre sind, immer am ersten Abend austrinke.
Nach meiner Erfahrung gewinnen die meisten Weine durch Dekantieren. Auch die reifen Jahrgänge. Und für’s Dekantieren braucht es keine große Show.