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Chardonnay: Mamma mia!

Rainer Schneider mit Mutter Edith.
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Der Captain trank einen zarten, unwiderstehlichen Chardonnay von der Nahe und beweist damit, wie wichtig es ist, immer wieder nach Winzern aus der zweiten Reihe zu sehen.
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Als der Captain im Sommer an der Nahe weilte und sich durch die Gegend probierte, stieß er auf einen wundersamen Wein: Chardonnay aus steiler Lage. Erwartungslos hob der Captain sein Probierglas und musterte den Trank. Hellgelb und wenig verheißend im Glas. In der Nase ein Hauch Animalik und warme Frucht. Dann im Mund die unerwartete Überraschung: Ganz zarter Wein mit sanften Noten flutet den Raum und schmeichelt sanft. Ein ungewöhnlicher Tropfen kündigt sich mit leisen Tönen an. Ich spüre junge Ananas, weißen Pfirsich, Bananenpüree und gelben Apfel. Dann sehr verhalten Haselnusscreme, Honigwabe (die immer etwas bitter schmeckt) und eine Prise weißen Pfeffer, der mineralisch wirkt. Butterweich und frisch zugleich und dank gekonnt dosierter Säure ohne jede Opulenz. Glockenklar rutscht der Wein am Gaumen vorbei die Kehle hinab und hinterlässt ein bisschen Aprikosenschmelz. Ich fühle dem letzten Schluck nach und denke, ich trinke Meursault. Das ist ein Wein, der sich erst beim zweiten oder dritten Schluck erschließt, dann aber umso tiefer im Gedächtnis haften bleibt. Was für ein schönes Erlebnis!

Wie heißt dieser Wein und wer machte ihn?

Der Chardonnay Oberhäuser Kieselberg kommt von einem steilen Hang (Kalk, Lehm, Kies) mit Ausrichtung gen Süden. Seine Trauben wuchsen an Stöcken, die 2002 gepflanzt wurden und nun voll im Saft stehen. Kaufpreis ab Weingut: 9 Euro. Winzer: Rainer Schneider vom Weingut Karl Stein. Konzept: Naja, man wollte einfach was Neues probieren. Die Hälfte des Weins reifte im gebrauchten Barrique und durchlief den biologischen Säureabbau (BSA), der die spitze Apfelsäure in mildere Milchsäure verzaubert. Der andere Teil lag im Stahltank, der knackigen Frische wegen.

Karl Stein ist eigentlich für seine vornehmlich tankvergorenen Sekte bekannt. Und das, was man aus Riesling, Weißburgunder, Grauburgunder, Müller-Thurgau, Silvaner und Gewürztraminer so macht. Alles sehr solide und von einer gewissen Filigranität geprägt. Aber Chardonnay? Die Familie selbst scheint diesem Wein nicht recht zu trauen. Wie schade.

2006 stieg Sohn Rainer an der Seite der Mutter ein, die lange Jahre unter ihrem tonangebenden Vater Winzerin war, bis dieser verstarb und sie walten durfte, wie ihr gefiel. Was aus dieser Zeit blieb? Edith Schneider: Man muss sich arrangieren und vornehmen, dass man später nicht selbst so wird. Frauen im Weinbau? In den 80er-Jahren wollten alle wissen, wie es einem im Weingut geht. Darüber habe ich nie nachgedacht. Ich mag meinen Beruf. Diese Fixierung auf Mann oder Frau finde ich schrecklich. Entweder man kann den Job oder man kann ihn nicht.

Rainer absolvierte Lehrstationen in der Pfalz, Wachau (Knoll), Australien, Kanada und der Hochschule in Geisenheim, bevor er seine Rolle im Haus übernahm. Man liest viel von Winzervätern, die ihren Töchtern den Boden bereiten. Die Feminisierung der Weinvermarktung begünstigt diesen Weg. Von der Mutter zum Sohn, das ist seltener und wenig plakativ. Rainer nennt seine Mutter Edith, als wäre sie eine Schwester. Edith hielt immer die Fahne für das Weingut hoch, egal, wie schwierig die Zeiten gerade waren. Sie gab den Druck, den sie vom Vater spürte, nie an mich weiter. Diese kleine Frau hat hier alles gestemmt. Sie kocht unheimlich gerne und gut. Das führte mich ans gute Essen, Trinken und den Winzerberuf heran. Rainers Vater sitzt an hoher Behördenstelle in Mainz. Wenn die Arbeit zum späten Nachmittag getan ist, packt er zu Hause mit an. Das funktioniert gut. Kann Edith loslassen? Wir machen immer noch alles zusammen. Hand in Hand. Zukunftsentscheidungen überlässt man mir. Es sind gute Eltern. Sie sind für mich da.

Vom Weingut blickt man über das Nahetal rüber zum gewaltigen Gutshaus von Dönnhoff. Die historische Luitpoldbrücke führt über den Fluss. Sie trennte einst die Bayerische Pfalz von Preußen. Rundherum ein Naturschauspiel wie auf einem Gemälde des 19. Jahrhunderts. Rauschende Wälder, lichte Haine und steile Weinberge. Keine Schnellstraße, Hochspannungsmasten, Windräder stören das Idyll. Ein paar Kilometer weiter braust die Moderne. Hier jedoch herrscht friedliche Stille. Nahewinzer sein muss sich besonders anfühlen.

Ein klares Geschmacksprofil gibt es an der Nahe nicht. Manche sprechen von einer gebietstypischen Mineralik. Das ist dann schon alles. Man muss sich von Betrieb zu Betrieb durchtrinken, um der Nahe näher zu kommen. Die großen Namen heißen Dönnhoff, Emrich-Schönleber, Schäfer-Fröhlich, Diel, Hermannsberg, Korrell, Schneider, Tesch. Wenn man noch eine Flasche Racknitz-Wein bekommt, hat man Glück. Den Betrieb gibt es nämlich nicht mehr.

Was von Racknitz blieb

Rund 50 verschiedene Bodenformationen mit Schiefer, Vulkangestein, Kiesel und manchmal Kalk prägen den Untergrund des Anbaugebiets Nahe. Die Parzellen von Karl Stein sind um Oberhausen verstreut. Über insgesamt 13 Hektar Rebland verfügen die Schneiders in verschiedenen Lagen mit klingenden Namen: Oberhäuser Leistenberg, Niederhausener Felsensteyer, Niederhausener Klamm und weitere. Etwa 100.000 Flaschen schickt die Familie pro Jahr raus, heißt es. Die Sektsparte profitiert vom zarten Sprudelboom und wächst.

Ach ja, noch ein anderer Wein blieb dem Captain sehr angenehm im Gedächtnis. Eine wunderbar süße und rauchige Auslese aus Riesling und Gewürztraminer vom Oberhäuser Rotenberg. Der Verschnitt beider Sorten ist eine alte Tradition der Region. Preispunkt: 9 Euro. Man muss die Weine von Karl Stein einfach mal kosten.

 

Datum: 16.3.2020
 

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