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Black Print: der sanfte Riese

Mensch und Maschine: Markus Schneider
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Als Jungwinzer Markus Schneider 2000 den Rotwein Black Print erfand, löste das eine Revolution aus. Aber eine langsame. Heute zählt das Getränk zu den wichtigsten Weinen Deutschlands und ist eine Legende, die (fast) jeder Weinfreund kennt.
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Ein weißes Etikett mit fetten schwarzen Buchstaben. Am Rand ist noch ein ganz feines Relief eingestanzt mit ein paar Ranken, die zwischen Weinlaub und tribal tattoo rangieren. Das ist eigentlich nichts Besonderes beim Wein.

Es klebt auf einem Tropfen, der seine Zielgruppe nicht der Reihenhaussiedlung sucht, sondern in Weinbars, deren Stammgäste manchmal selbst tätowiert sind.

Als die ersten Flaschen Black Print 2001 in den Regalen auftauchten, gab es noch wenige Weinbars. Und hippe Wein-Nerds noch weniger. Vor allem nicht in der Pfalz.

Dort hatte ein gewisser Markus Schneider (Jahrgang 1975) die Idee zu diesem Rotwein.

Sein Name: Black Print.

Es geschah im 2.000-Seelen-Dorf Ellerstadt, etwa 20 Kilometer westlich von Mannheim.

Abseits der Weinstraße und ohne Genossenschaft ist das Örtchen nicht gerade der Nabel der Weinwelt. Markus Schneider: „Auf jeden Fall musste man mehr strampeln als die anderen. Andererseits gab es viele Weingüter, die erfolgreich waren. Das spornte an.“

Seine Jugend verwies, sagen wir mal, nicht direkt auf eine internationale Karriere.

Schule? „Da war ich keine Leuchte.“

Im Fußball schon. Den 1. FC Kaiserslautern hat man als Pfälzer in den Genen. Als Sohn eines Ellerstädter Obst- und Traubenbauern bekam er den Weinbau hautnah mit. Es ging vor allem um Mengen, weil Bauern ihre Ernte nach Gewicht verkaufen, nicht nach Qualität. „Da wurde jeder zusätzliche geerntete Zentner gefeiert.“

Je nach Sorte und Nachfrage gab es dafür umgerechnet 25 Euro. Manchmal auch nur 12,50 Euro. Schlechtes Wetter konnte existenzgefährdend sein. Und weil es der Bub mal besser haben sollte, hatte der Opa die Idee mit der BASF.

Der Chemiegigant gilt in der Region als erste Klasse in Sachen Job. Es hätte auch geklappt, das Problem war nur: Der Markus aus der 8. Klasse war erst 14 und damit zu jung für ein Betriebspraktikum bei der Badischen Anilin- und Sodafabrik.

Das war’s also mit dem sicheren Pöstchen.

Als Ersatz musste ein Praktikum im Weingut her. Schneider landete bei einem Betrieb namens Bürklin-Wolf.

Dort sah er, dass Weinmachen viel mehr ist, als im Weinberg den Rücken krumm machen. „Bis dahin kannte ich nur Trauben. Bei Bürklin-Wolf sah ich, was daraus entstehen kann.“

Nach den zwei Wochen gab er dort eine Bewerbung ab, ging nach Hause und erklärte seinem Vater, dass er ein Weingut eröffnet und die Schule eigentlich auch nicht mehr braucht.

Wozu noch lernen, wenn man weiß, wo es langgeht?

Ganz so schnell ging’s dann doch nicht. Mit 18 hatte Markus Schneider seine Ausbildung bei Bürklin-Wolf abgeschlossen, eines der ältesten und damals dynamischsten Weingüter Deutschlands.

Er hatte naturnahen Weinbau kennengelernt, moderne Kellertechnik und stellte vor dem Elternhaus ein Schild auf die Straße: ‚Weingut Schneider und Sohn – Ab sofort geöffnet‘.

„Du entscheidest. Du trägst das Risiko“, sagte ihm der Vater. Die Eltern opferten ihre Ersparnisse und gaben ihre Arbeitskraft umsonst dazu.

Schneider verfügte über einen Hektar, kaum Geld, aber das passende Selbstbewusstsein.

„Mein Vater hat nie Wein gemacht und konnte deshalb nie reinreden. Andererseits konnte ich auch nie um Rat fragen.“

Den hätte er vielleicht manchmal brauchen können. Die ersten Jahre waren hart. Wein ausschenken in der Fußgängerzone und Touristengruppen bespaßen sind kein Zuckerschlecken. „Bei Weinfesten kam ich fünf Tage nicht in den Weinberg. Heute undenkbar.“

Das Mini-Weingut machte jede Menge Arbeit. Die Saisonkräfte zog der Vater für den Obstbau ab.

Mitte der 1990er-Jahre war deutscher Wein noch nicht wirklich angesagt, außer bei alternden Schoppentrinkern. Neukunden gewinnen war kaum möglich.

Einkäufer und Gastronomen sagten ihm: „Du bist nicht besser und nicht billiger als alle anderen, warum sollen wir dich auf die Karte setzen?“ Andererseits machte sich langsam Aufbruchstimmung breit. In den ersten Top-Restaurants blätterten die Gäste erstaunt in reindeutschen Weinkarten.

Kies knirscht, Sand rieselt, der Groschen fällt.

Schneider stand in seinem Weinberg, der Kies knirschte, der Sand rieselte, es war trocken und heiß. Schneider erinnert sich: „Da fiel der Groschen. Dieses Terroir ist ganz klar rot.“

Rückblickend lag der Gedanke eigentlich auf die Hand. Leichte, wasserdurchlässige Böden gibt es viele in die Pfalz, am Rand des Haardt-Gebirges, wo Ellerstadt liegt, gern mit Lehm, Löss und Sand gemischt.

Nach Baden im äußersten Südwesten bekommt die Region die meiste Sonne ab. Satte 2.000 Stunden pro Jahr. Winzer setzen deshalb Feigenbäumchen vor die Haustür. Die Früchte werden reif, deshalb pflanzten sie die Römer schon vor 2.000 Jahren hier an. Sowas beeindruckt Kunden aus dem kühlen Norden.

Schneider besuchte die Brüder Knipser in Laumersheim, die mit Rotwein seinerzeit ganz vorne waren. „Da durfte ich die Trauben kurz vor die Ernte probieren. Ich staunte nur.“

1996 pflanzte er Merlot und Syrah ein. „Das sollte nicht von Anfang an ein großer Wein werden. Wie auch, die Reben brauchen Zeit.“

Während die verging, machte er sich Gedanken darüber, wie man die Weine an den Mann bringen könnte.

Um das Millennium waren Übersee-Weine angesagt. Die fettesten Cabernets aus Kalifornien und Shiraz aus Australien waren gerade üppig genug. Restaurants wurden von Magazinen für ihre Neue-Welt-Weinkarten ausgezeichnet. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen.

Schneider gefielen diese Weine. „Die ich bezahlen konnte jedenfalls, so für zehn oder zwanzig Mark“.

Für Spätgeborene: Das sind umgerechnet 5 bis 10 Euro. Ein Kurs, für den man mit etwas Geschick ein preiswertes Bordeaux-Cru schießen konnte.

Einfach schöne Flaschen

Schneider gefielen coole Namen wie Spice Root oder Death Arm, anstatt einer Legende auf dem Flaschenetikett, wie bei deutschen Weinen üblich. „Außerdem waren diese Weine alle wahnsinnig reif und üppig. Das hat mich gepackt“.

Winzer sonnten sich nicht in Spitzenweinen, sondern sprachen von entrance quality. Auch diese Idee gefiel ihm.

Der Legende nach saß er mit einem Freund in der heimischen Küche und ließ ihn seinen Roten probieren. Kommentar: „Der isch so dick, do kannscht eh Zeidung mit drucke.“

So entstand der Name Black Print.

Dazu dachte er sich ein Etikett aus. „Auf den schwarzen Untergrund kam ich später. Erst mal sollten es einfach schöne Flaschen werden.“

Ein Profi übernahm die grafische Gestaltung: Ute Trinkaus (kein Künstlername) aus Bad Dürkheim.

Bewusst oder unbewusst – Markus Schneider fuhr eine Markenstrategie. Jedenfalls war ihm klar, dass das Erscheinungsbild wichtiger ist als Lagenbezeichnung.

Markus Schneider war einer der ersten deutschen Winzer, der erkannte, was Marketing bedeutet, auch wenn er das heute runterspielt: „Ich habe bei der Gründung von Weingut Schneider nur etwas moderner gedacht, als damals üblich.“

2000 erntete er den ersten Jahrgang. Merlot und Cabernet Sauvignon flossen in die Cuvée und noch ein bisschen von dem, was da war: Blaufränkisch, St. Laurent, vielleicht noch Dornfelder. Markus Schneider muss nachsehen. Aber stimmt.

Merlot und Cabernet waren die Darlings ihrer Zeit. Winzer wie Knipser bewiesen, dass sie in die Pfalz gut gedeihen. Das wollte nicht jeder wahrhaben.

Auch Vater Schneider fand die Klone aus Frankreich un peu gaga: „Das wächst viel zu langsam und dann nur eine Traube pro Stamm. Bub, wie willscht domit Geld verdiene?“

Prädikate? Nein, danke

Einzelne Verkostungsnotizen über den Black Print sind nicht überliefert. 2001 ahnte noch keiner, dass hier einer die wichtigsten Weine Deutschlands entsteht. Die Trauben waren anständig reif, der Wein ein Roter mir üppigem Körper. Da konnten die zeitgemäß dürren Pinötchen nicht mithalten.

In Ellerstadt stand plötzlich ein Wein von internationalem Format auf dem Tisch, den es zu dieser Zeit in Deutschland nicht gab.

Die Trauben kamen aus Lagen mit unterschiedlichen Böden. Geerntet wurde sortenweise, je nach Reifegrad. Spätestens jetzt war klar, dass die übliche Qualitätspyramide hier keine Rolle spielt.

[Erklärung: Das Prädikatssystem, also die Einstufung in verschiedene Qualitätsstufen, lässt nur bestimmte regionale Sorten zu, nach denen der Wein auch schmecken muss. Merlot und Syrah sind nicht dabei. Selbst für einen einfachen Qualitätswein bestimmter Anbaugebiete müssen drei Viertel der Trauben aus derselben Lage stammen, wenn sie auf dem Etikett steht. Der Zuckergehalt der Trauben dient als Messlatte. Je mehr Zucker, desto mehr Alkohol ist später im Wein. Das galt (und gilt) gesetzlich als Beweis für Qualität.]

Alles das passte überhaupt nicht zu Schneiders Black Print.

Spätlese, Auslese, Beerenauslese waren nie Thema. „Weine wie Trockenbeerenauslese kannte ich als Junge von Feiertagen und wollte nicht der tausendste Winzer mit diesem Portfolio sein“.

Markus Schneider ignorierte das System, nach dem die Bauern seit Generationen ihre Weine bewerten.

Die ersten heißen Jahre

„Mein Wein war damals ein neuer Stil, so konzentriert“, sagt Schneider. Nur war das längst nicht jedem klar. Zunächst bediente er weiter die alten Vertriebskanäle. Schunkelrunden und Verkostungen in der Fußgängerzone gehörten dazu.

2003 war einer der ersten sehr heißen Jahrgänge in der Pfalz. Bis weit in die 1990er-Jahre hatten die Winzer fast jedes Jahr gezittert, ob die Trauben ausreifen. Auf einmal brannte die Sonne wochenlang vom Himmel. Danach ging es mit vielen warmen Jahren weiter. Der Klimawandel kam in Wallung, auch wenn das noch keiner wusste.

„Wir waren so etwas nicht gewohnt.“ Das Wetter spielte Schneider in die Karten. Es machte seinen Rotweinstil erst möglich. „In der Zeit konnte ich zum ersten Mal Geld vom Konto abheben.“

Bald standen eine neue Presse und ein Maischegärbehälter auf dem Hof. „Einen Kredit wollte ich dafür nicht aufnehmen. Den hätte ich auch nicht gekriegt.“

Langsam kamen die guten Jahre. In der Gastronomie waren die Miniportionen der Nouvelle Cuisine gegessen. Immer mehr Köche verlegten sich auf regionale Produkte, die immer mehr Landwirte lieferten. Das öffnete Türen für deutschen Wein. Von Bioleks alfredissimo! bis zur verschlafenen Provinzzeitung wussten auf einmal alle, dass deutscher Wein gar nicht so schlecht war.

„Ich wollte ursprünglich nur von Traubenanbau und Fasswein unabhängig werden, damit zwei Familien davon leben können. Ab 2004 war das so“. Da kam der Black Print gerade erst in Fahrt.

Cabernet Franc ja, Riesling nein

Markus Schneider hat vieles richtig gemacht – und dachte trotzdem weiter. Der Rebsorten-Mix war ihm wichtig. Cabernet Sauvignon gibt ordentlich Struktur, „aber man muss sehr auf den Wetterverlauf achten. In kühlen Jahren reduzieren wir schon am Stock und ernten nur wenig. Sonst hat man zu viel Paprika- und Gemüsenoten. In warmen Jahren ist er ein Langläufer, da passt alles.“

Auch Syrah hat seinen Stammplatz in Schneiders Welt. Wenn er neu pflanzt, kommen immer bessere Klone zum Einsatz. Am liebsten deckt er sich an der Rhône ein, wo er Top-Winzer kennt, die ihre Stöcke durch Stecklinge vermehren. Von dieser sélection massale pflanzt er 2022 eine Syrah-Parzelle – mit Stecklingen von die Côte-Rôtie, eine der besten Rhône-Lagen überhaupt.

Mitte der Nuller-Jahre wurde ein Riesensatz Neuzüchtungen in Deutschland marktreif. Die meisten davon äffen ziemlich plump französische Namen nach. Sie heißen Cabernet Dorio oder Cabernet Mitos und sind sonst nicht weiter erwähnenswert.

Mit Cabernet Dorsa pickte Markus Schneider den einzigen Treffer raus. „Viele Winzer waren skeptisch. Aber die Dorsa bringt viel Konzentration und Schwarzaromatik. Black Print ohne Cabernet Dorsa geht gar nicht.“

Von den nördlichen Sorten ist Blaufränkisch immer dabei und „bringt den leicht wilden Touch mit.“

Von anderen Sorten hat er sich verabschiedet. Malbec wurde gerodet. „Der hat nicht die Erwartungen erfüllt. Die Tannine bleiben zu hart.“

Auch St. Laurent, der in den ersten Jahren so wichtig war, flog raus, obwohl ihm gerade ein gewisses Comeback nachgesagt wird. Die tintige Sorte mit den Sauerkirscharomen, die Liebhaber mit Spätburgunder vergleichen, steuerte nicht genug Aroma bei. „Die Beeren nehmen zu viel Wasser auf, und man kriegt zu selten Topreife. Sélection massale von Merlot, Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc bringt da mehr“.

Bei den Weißweinen im Einstiegsbereich verabschiedet er sich gerade vom Riesling: „Mit dem Klimawandel macht der immer mehr Arbeit.“

Schneider will sich auf das Wesentliche konzentrieren. Dieser Satz wird noch öfter fallen.

Zahnarzt oder Fliesenleger

2004 lernte Markus Schneider seine spätere Frau kennen. „Auf einmal war ich ein Team.“

Caroline nahm sich zuerst Verwaltung und Kommunikation vor. Das konnte dem Winzer nur recht sein. Als nächstes erklärte ihm die Weinbau-Ingenieurin mit Geisenheim-Abschluss, dass man nicht ewig alles allein machen kann, wenn man besser werden will.

Du gehst ja auch nicht zum Fliesenleger, wenn du Zahnschmerzen hast. Dieser Satz soll gefallen sein.

Schneider stellte zwei weitere Geisenheim-Absolventen ein. Direkt von der Uni, das war ein Risiko. Einer von den beiden ist heute Chef-Kellermeister Marc Schoderbeck, seine rechte Hand heißt Christian Schmidt. Die Fluktuation im Betrieb ist gering, was in der Branche nicht unbedingt die Regel ist. Schneider spricht immer stolz von seinem Team. Da gibt es die Önologin Zoey aus dem chinesischen Kanton und Ex-Tauchlehrer Wayan aus Bali. „Der ist nicht mehr wegzudenken“.

Auch seine Vorbilder hält er in hohen Ehren, selbst wenn er manche überholte:

  1. Fritz Knorr, legendärer Kellermeister bei Bürklin-Wolf, der ihm als Praktikant eine neue Welt eröffnete und 2012 verstarb. „Er war verantwortlich für meinen Erfolg.“
  2. Heinrich Vollmer, der mit nichts in Ellerstadt ankam, und ein Spitzenweingut aufbaute.
  3. Die Knipsers, die als Chemiker einen ganz anderen Blick auf die Materie haben.
  4. Eben Sadie, der im glutheißen Swartland (Südafrika) taufrische Weine macht.
  5. John Alban, einer der Rhone Rangers, die in den 1990er-Jahren mit Spitzenweinen aus den Rhône-Sorten in den USA Furore machten. „Seinen Syrah habe ich mir letzte Woche noch gekauft.“
  6. Herbert Seckler von der Sylter Sansibar, der ihm schon als Niemand eine Chance gab und seit Jahrzehnten sein Ratgeber ist. „Obwohl er sich jetzt auch manchmal Rat bei mir holt.“
  7. Dirk Niepoort für sein Wissen und seinen Weitblick.
  8. Sogar Danie Steytler vom Kaapzicht Wine Estate, der viel jünger ist als er selbst, lobt Markus Schneider als Seelenverwandten und Pinotage-Erneuerer.

Wer nachdenkt, merkt: Fast alle fingen mit wenig bis nichts an und wurden große Weinleute.

Black Print macht Eindruck

Mit der vergrößerten Mannschaft kamen größere Erfolge für Schneiders Black Print. Magazine und Zeitungen jubelten über „Wein Made in Germany“. Der biedere Gault-Millau-Führer vergab seine Trauben.

Aus Hotellerie und Gastronomie meldeten sich die ganz Großen. Der Bayrische Hof und das Vier Jahreszeiten in München, das Adlon in Berlin, das Atlantik Hotel an der Alster legten Black Print in ihre Keller. Und auch Zwei-Sterne-Koch Tim Raue orderte begeistert.

Diese Aufmerksamkeit von prominenten Bestellern löste einen Schneeballeffekt aus. Schneider-Weine tauchten bei immer mehr Anlässen auf. Meryl Streep feierte auf der Berlinale 2021 den Goldenen Bären für ihr Lebenswerk mit Black Print.

Als Angela Merkel im Jahr darauf ihren Lieblingskollegen Barack Obama in Deutschland empfing, gab es zu dem viergängigen Dinner nicht etwa Große Gewächse aus dem Rheingau oder Auslesen von der Mosel, sondern Schneider-Weine.

Es gibt Fotos, auf denen beide Politiker mit zwei Flaschen Schneider im Bild stehen. „Das war absolutes Glück. Ich rede grundsätzlich nicht über Lieferungen in die Politik. Und dann sowas.“

Was sicher sehr half: Black Print war kein utopisch teurer Château Margaux, den sich sowieso keiner leisten kann, sondern ein Markenwein für unter 20 Euro. „Black Print tranken Leute, die sich keinen großen Kopf um Wein machen wollten. Das war das Neue an diesem Wein.“

Der Effekt des Black Print überstrahlte den Wein selbst. Altvordere Winzer wie Werner Näkel oder Paul Fürst hatten zwar längst bewiesen, dass deutsche Spätburgunder ganz oben mitspielen können. Das machte aber nur in Kennerkreisen die Runde. Der Black Print riss alle besseren Roten mit nach oben.

Bis dahin bedeutete deutscher Rotwein nämlich: Leichtwein mit wenig Konzentration oder überextrahierter Spätburgunder.

Der Black Print räumte mit dem verstaubten Image auf. Für manchen wurde er zur Einstiegsdroge in die wunderbare Welt der Weine. Manche Black-Print-Trinker der ersten Stunde haben heute Spitzenweine für Zehntausende Euro in ihren Kellern liegen.

Auf Augenhöhe mit Antinori und Mondavi

Black Print war eine geniale Idee. Heute kann man Schneiders Markenwein-Strategie mit denen von Antinori, Torres oder Mondavi vergleichen. Mit dem Unterschied, dass diese Weingiganten in ihrer Heimat hochverehrt werden.

In Deutschland passt Schneiders Erfolg nicht jedem. Kollegen, die ihr ganzes Leben dem Erfolg hinterherliefen, sahen sich von einem Newcomer abgehängt.

Dann ist da noch die übliche Branchenblase im Netz, wo sich eine Handvoll Leute für eine qualifizierte Mehrheit hält, der es nicht in die Köpfe passt, dass sich Schneider erdreistet, eine Cuvée ohne Lage zu machen.

Bösartige Facebook-Kommentare fanden Resonanz im wirklichen Leben. Bedrohungen, Sachbeschädigungen und Schlimmeres folgten.

Markus Schneider will nicht darüber reden, sagt dann aber doch: „Beim Fußball kann es auch ein bisschen weh tun, aber mit angelegtem Art. Wenn es dreckig wird, hört es auf“.

Das ist klar untertrieben. Man merkt Schneider an, wie tief ihn die Angriffe verletzten. Heute kann er immerhin sagen, dass ihn die Neider nicht aufhalten konnten.

Fässer schlafen nicht

Das liegt auch daran, dass Schneider nie stillsteht. Der Black Print ändert sich ständig.

Neben Rebsorten und Feldarbeit passt Schneider die Arbeit im Keller an. Der direkte Holzeinfluss und der Sauerstoff, dem der Wein beim Ausbau in 225-Liter-Fässern ausgesetzt ist, wurde ihm zu viel. Er ließ sich eigene Fässer bauen.

François Frère, eine über 100 Jahre alte Tonnelerie im burgundischen Saint-Romain, bekam den ersten Auftrag: ein 1.500-Liter-Fass.

Ein weiteres in dieser Größenordnung baute Johanneskreuz, ein Küfer aus der Pfalz. „Jedes Fass trägt auf seine Weise zum Endprodukt bei. Wir lassen die Weine auch nicht mehr einzeln in den Fässern liegen.“

Mehrmals im Jahr wird der Inhalt sämtlicher Fässer zusammengeführt und dann wieder auf einzelne Gebinde verteilt. „So bilden sich die einzelnen Merkmale wesentlich harmonischer aus.“

Wo er sich das abgekuckt hat? „Rate mal, was die Leute bei Mouton-Rothschild im Juli machen? Da schlafen die Fässer auch nicht.“

Am Ende kommt alles in große Fässer mit armdicken Dauben. Darin reift der fertig cuvéetierte Wein mit sehr feinem Lufteintrag über lange Zeit. Das kostet natürlich viel Geld. „Lohnt sich aber. Es schafft unendlich Möglichkeiten.“

Auch Beton- und Keramiktanks sind im Einsatz. „Die nutzen wir für Merlot, Cabernet und Syrah.“

Schneider liebt diese Spielereien mit der Luftdurchlässigkeit. Überhaupt liebt er alles, was man auch mal anders versuchen kann.

Mit dem Erfolg musste die Anbaufläche wachsen. Schneider kaufte und pachtete reichlich zu. Flurbereinigungen und ein paar andere Gelegenheiten ließ er nicht aus. Aus einem Hektar sind heute 92 geworden. Für Deutschland ist das riesig. Dazu kommen zugekaufte Trauben aus weiteren zehn Hektar Fläche.

Die Kunden stehen Schlange, Fachhändler wie Gastronomen. Es gibt Abfüllungen für die legendäre Sansibar auf Sylt und die MS-Europa. Schneider hat sich ein Weinimperium aufgebaut.

Eher scheu als laut

Der Wein, das Etikett, das Marketing, das alles klingt nach großem Ego. Dazu passt Markus Schneiders Erscheinung. Er ist ein Bulle mit breiten Schultern und Vollbart. Auf Fotos sieht man ihn im Fußballtrikot in seinem Keller.

Aber wenn er spricht, dann ist sein Pfälzisch weich. Er ist nachdenklich, und seine Worte sitzen. So, wie man sich den Mann hinter dem schwarzen Label NICHT vorstellt. Eher scheu als laut.

Wer erleben will, wie Schneider aussieht und spricht, schaut in dieses Video rein. Dort sieht man auch wie es Im Weingut Markus Schneider zugeht:

„Zoom-Meetings, das ist so gar nicht meine Welt“, seufzt der Winzer, der Weine macht wie Riesen-Ausrufezeichen. Von Facebook hat er sich privat abgemeldet. Keine Gala-Diners, keine Moderationen mehr, keine Online-Verkostungen. Auf der ProWein war er das letzte Mal vor drei Jahren und will dort nicht mehr hin.

„Ich lese nichts in den sozialen Medien.“ Auch ein Selfie mit ihm ist nur noch schwer zu bekommen. Schneider will die Kontrolle behalten: „Wer weiß, wo das landet.“

Selbst große Partys und Menschenansammlungen mied er lange. Eine Spätfolge der üblen Attacken auf ihn und seine Familie? Er sagt nein.

Wenn man Markus Schneider fragt, wie er es geschafft hat, sagt er: „Pünktlichkeit, Ordnung, Fleiß“.

Das kann man gruselig finden, aus seinem Mund klingt es weich. Und: „Ich antworte auf jede Anfrage. Keiner soll sagen, der hat’s nicht nötig.“

Auch wenn er es sich heute leistet, für ein gutes Fußballspiel der Reds mal schnell nach Liverpool zu fliegen, ist er immer noch Mitglied bei seinem FCK, wo die Roten Teufel der internationalen Klasse schon so lange hinterherlaufen.

Markus Schneider ist viel unterwegs. Die Kontakte in Bordeaux und im Burgund wollen gepflegt sein. Er betreibt gemeinsame Projekte mit → Dirk van der Niepoort und dessen Sohn Daniel in Portugal und an der Mosel. Südafrika und das Partner-Weingut Kaapzicht in Stellenbosch nennt er zweite Heimat. Auch dort entstehen Schneider-Weine.

Holy Moly und Tohuwabohu

Denn Black Print längst nicht der einzige Wein von Markus Schneider. Es gibt Tohuwabohu und Holy Moly, Einzelstück und Ursprung. Katui ist ein Sauvignon Blanc. Der war Blickfang bei Obama und Merkel. „Zuerst verkaufte er sich nicht gut. Ich wäre fast gescheitert.“ Dann wählte er das Maori-Wort Katui als Namen und ab ging’s.

Aber der Black Print bleibt Markenkern der Weinwelt von Markus Schneider. Mit millionenschweren Investitionen erweiterte er sein Weingut in Ellerstadt. Zwischen den Weingärten spannt sich eine optisch reduzierte Kelterhalle. Hinter 100 Meter glatten, grauen Betonflächen lagern hunderte Fässer. Und der Laden brummt.

Wie viele Flaschen Black Print jedes Jahr über den Tresen gehen wird nicht kommuniziert. Im ersten Jahrgang waren es gerade mal 2.000. Insgesamt 800.000 Buddeln füllt der Betrieb heute ab. Trotzdem ist die Nachfrage größer als das Angebot. Feinkost Käfer in München ist Kunde und auch der riesige Flughafen-Händler Heinemann. Alle müssen sich für eine begrenzte Menge anstellen.

Schneider könnte bedenkenlos expandieren. Will er aber nicht. „Wir finden hier keine Weinberge mehr, die die richtigen Böden haben.“

Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc müssen ausreifen, dazu brauchen sie Sonne und karge Erde. Kunstdünger kommt nicht in Frage, Herbizide und Insektizide auch nicht.

Black Print ist heute kühler trotz höherer Temperaturen

Selbst Weinberge mit betagten Stöcken ergeben nicht zwingend guten Wein. Seit 2015 ist also Schluss mit dem Flächenwachstum. Außerdem wird die Ernte mit dem Klimawandel immer anstrengender. Das Zeitfenster schrumpft, man muss eine Riesen-Mannschaft am Start haben, um jede Rebsorte bei optimaler Reife innerhalb kurzer Zeit zu lesen. Schneider will nicht die Kontrolle verlieren.

Klimawandel ist das große Thema. „Ich schatte die Trauben mehr ab und ernte etwas früher. Black Print ist heute kühler trotz höherer Temperaturen.“

Es soll auch keine neue Weinlinie mehr geben. Stattdessen sieht er sich den Black Print umso genauer an. Seit 2003 legt er große Mengen Rotweine weg und versichert, dass sie bei Vertikalproben absolut alterungsfähig sind. Bei reifem Lesegut mit viel Holzkontakt ist das nicht oft so.

Außerdem gibt es immer weniger Black Print. Insgesamt erntet er heute 30 Prozent weniger. „Ich werde älter und die Reben auch. Viele der Parzellen, die ich vor 20 Jahren pflanzte, bringen nur noch die Hälfte des Ertrags. Dafür bessere Weine.“

Markus Schneiders eigenes Trinkverhalten änderte sich genauso wie sein Black Print. „Vor 20 Jahren hätte ich einen Wein wie den 2020er Black Print selbst nicht verstanden. Heute trinke ich schlanke Weine aus der Bourgogne, die Jahre brauchen, bis sie reif sind.“

Vor dem Fenster in Ellerstadt stehen 16 Pfirsichbäume, die an den ehemaligen Obstbauernhof erinnern, der manchmal mehr schlecht als recht überlebte. „Wenn wir das Weingut nicht gegründet hätten, gäbe es den alten Betrieb wohl nicht mehr.“

Schneider ist kein Mitglied im VDP, der renommiertesten Winzer-Vereinigung Deutschlands. Er absolvierte kein Önologie-Studium. In seiner Vita steht kein Praktikum in Neuseeland oder Kalifornien, wie es heute fast jeder Nachwuchswinzer vorzeigen kann. Trotzdem erfand er den bekanntesten deutschen Rotwein und zählt zu den erfolgreichsten Winzern des Landes.

Wie schmeckt der neue Black Print aus der Lese 2020? Der Wein ist nicht mehr so schwarz wie früher. Am lila Rand erkennt man seine Jugend. Wenn man das Glas schwenkt, laufen Tränen an der Innenwand runter. Das heißt normalerweise viel Glycerin, viel Konzentration. Kein Lichtstrahl dringt durch. Eben Black Print. Duft nach schwarzen Kirschen und Cassis. Beim zweiten Atemzug kommen blumige Noten dazu. Dann Sandelholz, Walnussschale, Pflaume und Backgewürze wie Piment. Im Mund sofort präsent. Schwarze Johannisbeere, Brombeere, Himbeere, Erdbeere, der typische Korb. Und natürlich Sauerkirsche, also richtig schwarze Schattenmorellen. In Sachen Frucht läuft hier das volle Programm, aber ich spüre null Marmelade. [Für viele andere Schwergewichte werden die Trauben überreif geerntet und so wirkt dann auch der Wein.] Hier schmecken die Beeren frisch wie zur richtigen Zeit gepflückt und sofort in den Mund gesteckt. Dazu treibende Säure. Die gibt jedem Schluck Drive und verhindert, dass der Wein schwer wird. Vorne auf der Zunge wirkt er leicht, am hinteren Gaumen macht sich wohlige Wärme breit. Das ist Balance. Die Tannine spürt man deutlich, wie es sich für so einen Wein gehört. Sie sind reif (sonst gäbe es unangenehme Noten von grüner Paprika), fein und präsent. Sie unterstützen die anderen Aromen und fühlen sich noch ein bisschen rustikal an. [Wenn die Trauben nicht zu spät geerntet werden, schmecken Tannine anfangs unrund, reifen aber in der Flasche nach. Solche Weine sind im Allgemeinen lagerfähig.] Trotz aller sensorischer Wucht liegt der Alkohol bei normalen 14% Vol. Ein Prozent weniger als im Vorjahr – das Ergebnis veränderten Anbaus, sagt Winzer Markus Schneider. Die mollig-runde Frucht ist typisch für Merlot, die Frische und schwarze Kirschen für den Cabernet Dorsa. Blaufränkisch steuert Blaubeeren und vielleicht ein paar Blütentöne bei. Syrah bringt viel Tannine. Cabernet Sauvignon noch mehr, die sind wichtig, um dem Wein Struktur zu geben, damit er nicht wie Multivitaminsaft schmeckt. Alle Aspekte zusammen ergeben einen dichten Wein. Man spürt auf der Zunge ständig etwas Neues. Darüber kann man eine ganze Weile nachdenken, denn der Abgang mit dezenten Fassholznoten zieht sich hin. Dieser berühmte Wein ist der Brummer, der er schon immer war, aber alles andere als fett.

„Im Vergleich zu 2019 ist das ein ganz anderer Wein“, erklärt Schneider.

Wieso?

„Neue Standorte, teilweise höher. Da erreichen wir eine ganz andere Reife. Da lesen wir jede Sorte genau zum richtigen Reifezeitpunkt. Der ist sehr unterschiedlich und organisatorisch eine große Herausforderung.“

 

Datum: 15.5.2022 (Update 6.7.2022)
 

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