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Bitte redet anders über runde Menschen

Bruno Schulz in seinem Lieblings-Restaurant, das es nicht mehr gibt.
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Man nennt sie "dick", manchmal sogar "fett". Das geht so nicht weiter, meint Genuss-Profi und Weinwerber Bruno Schulz.
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Der Captain macht heute etwas ganz anderes. Ein Widerspruch, denn das versucht er immer wieder, um dich bei Laune zu halten. Also, was ist der neueste Trick? Antwort: Er lässt einem schreibenden Kollegen den Vortritt. Nicht jedoch bevor ein fantastischer Wein auf dem Tisch steht, eine Delikatesse für Schlemmer, die das Waghalsige lieben, nämlich die Kombination von Wein mit Käse, die übrigens meistens daneben geht.

Es ist der anspruchsvoll gereifte Mittelrhein-Riesling Bacharacher Wolfshöhle Riesling EDITION 1 feinherb von Freidrich Bastian für rund 19 Euro, also nicht günstig. Aber dafür ein echter Leckerli, das fortgeschrittene Weintrinker schätzen werden: Im Glas sattes Gelb. In der Nase zarter Rauch, saurer Apfel, Grapefruit, Zitronenabrieb, Vegetabilität und ein Hauch Petrol. Im Mund kaum spürbare Süße, dass man sich fragt, woher die Bezeichnung „feinherb“ kommt. Im Mund konzentriert nach saftigem Apfel und leicht pikante Bitternoten, die den Wein durchziehen wie Edelschimmel in Gorgonzola. Und genau das macht diesen Wein zu einem ausgezeichneten Käsegetränk, derer es nicht viele gibt. Kein Wein für Anfänger, aber eine spektakuläre Delikatesse, die ganze 10 Monate vergor! Schöne Entdeckung, über die sich der Captain sehr freut.

Friedrich Bastian ist ein singender Weinmacher oder weinmachende Sänger (je nachdem welche Perspektive man einnimmt), den ich neulich porträtierte:

Friedrich Bastian: der zart-bittere Ton

Bastians Wein macht dick, vor allem mit Käse. Das ist das Stichwort für Bruno Schulz, der mit Leib und Seele Genussmensch ist und zum Thema „dick“ etwas auf Facebook schrieb, was dem Captain gut gefiel. Bitte sehr:

Substantia Jones ist eine kugelrunde Fotografin aus Big Apple – New York, die runde Menschen für ihr Adipositivity Project fotografiert, weil sie Vorurteile gegen „Fettleibige“ ausräumen möchte und ein bisschen hat es wohl auch mit ihr selbst zu tun. Und ihrem gespannten Selbstverständnis. Die Frauenzeitschrift Brigitte (viele Fotos von Substantia) macht das zum Thema. Und sowas folgt auf Diätvorschläge, Gymnastikübungen und Tortenrezepte im nie enden wollenden Kreislauf. Es ist ein Reichweitengarant: die ewige Diskussion um dick und dünn, dick oder dünn, dick und doof und um die Positionen Ästhetik, Gesundheit etc. pp., die immer und immer wieder ergebnisfrei durchgekaut werden. Von den Redakteuren wie den Kommentatoren. In puncto schön oder hässlich empfehle ich zum Einstieg das wunderbare Buch „Dick oder dünn? Körperkult im Wandel der Zeit“ von Michèle Disou-Manent, Tran Ky und Hervé. Das relativiert eine Menge und hilft zumindest den klügeren Diskutanten eine allzu verengte Sicht auf die Dinge zu vermeiden, egal wie heftig die Marketingpenetration unserer Tage bereits auf sie eingewirkt hat. Auch das Thema Gesundheit ist so eindeutig nicht, wie es scheint, wobei wir die Extreme bitte außen vorlassen. Und da sind nicht zuletzt noch die albernen, pseudogönnerhaften Plattitüden wie zum Beispiel „jeder wie er sich wohlfühlt“, was oft wie ein tröstendes Überdenkopfstreicheln bei einem armen alten Hund rüberkommt. Jedem ist klar, dass sich runde Menschen in Gesellschaft bis auf Ausnahmen kaum wohlfühlen können, weil sie regelmäßig gebodyshamed und gedisst werden was das Zeug hält, mal mehr und mal weniger offensichtlich. Es ist auch egal, ob Männer runde oder dünne Frauen lieber haben oder umgekehrt. Die Welt passt eben nicht durch kleingedachte und noch kleinherzigere Schablonen. Jeder Mensch hat eine Geschichte, die nicht nur aus Disziplin und Dauerlauf bestehen kann. Die Menschen sind wie sie sind und keiner wie der andere. Wer das nicht als Geschenk anzunehmen weiß, hat nicht verstanden. Die Welt ist nicht da, um der verengten Sicht von Brigitte und Frank Mustermann gerecht zu werden. Und so sind auch bei Substantias Bildern welche, die mir gefallen und manche eben nicht. Zum Glück ist das den Bildern egal und den Menschen darauf sowieso. Ich wünsche mir mehr Lässigkeit im Umgang miteinander. Auch für mich selbst und mit anderen. Das habe ich heute und daraus für mich mitgenommen. Und auch das Adjektiv fett bei Menschen künftig einfach nicht mehr zu gebrauchen. PS: Ich bin selbst ziemlich groß und ziemlich rund und habe eine zarte, wunderschöne Frau. Auch das soll’s geben.

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Ein Beitrag geteilt von Substantia Jones (@adipositivity)

Danke, Bruno! Stell dich bitte kurz vor: „Ich bin 55 Jahre alt, habe Innenarchitektur studiert und einiges Geisteswissenschaftliche. Nach vielen Jahren und Stationen in Projekten der internationalen Entwicklungshilfe in Asien und Afrika arbeite ich als Designer, Texter und Moderator. Mit meiner Agentur → schulzundtebbe entwickle und pflege ich Personen-, Unternehmens- und Produktmarken mit meinem Lebensschwerpunkt Genuss. Ich liebe und lebe das integrierte Storytelling, bin Vater eines Sohnes und schreibe immer und leidenschaftlich, ob Essays, Short Stories oder Reiseberichte. Oft geht es dabei um die Liebe, das Leben, Essen, Trinken, gerne Wein und Kultur.“

 

Datum: 8.1.2021
 

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