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Auch Südtirol leidet: #ichtrinkezuhause

Keller-Rundgang mit Elias Holzer von der Klosterkellerei Neustift.
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Ganz Italien ist abgesperrt, auch Südtirol vom Rest der Welt getrennt. Der Captain erinnert sich an seinen Besuch im Eisacktal und an die Weine, die er dort trank.
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Der Captain steht im Kontakt zu Weinmenschen in Italien. Zum Beispiel mit Elias Holzer, Vertriebsmanager der Klosterkellerei Neustift im Südtiroler Eisacktal. Im Herbst 2017 lernte der Captain Elias an seinem Arbeitsplatz kennen. Damals war der zackige, junge Mann noch PR-Manager. Es war ein unbeschwerter Besuch der Gegend. Man spürte die Zufriedenheit der Menschen mit sich selbst und ihrer Lage. Das hat sich nun schmerzhaft verändert.

Elias schreibt dem Captain: Wir dürfen die Heimatgemeinde aktuell nur unter bestimmten Umständen verlassen. Und nur mit dieser Selbsterklärung:

Alle öffentlichen Veranstaltungen, Weinverkostungen und Kundenbesuche sind abgesagt. Es wird rigoros kontrolliert. Ein Verstoß gegen die Vorschriften kostet 330 Euro Strafe. Sehr viele Bestellungen aus dem italienischen Markt wurden storniert oder aufgeschoben. Restaurants, Barbetriebe und Geschäfte (bis auf Lebensmittelhändler und Apotheken) haben geschlossen. Es gilt ein Mindestabstand von einem Meter zwischen den Menschen. Im Kloster Neustift läuft der Betrieb auf Sparflamme. Das Museum, das Bildungshaus, das Schülerheim, der Klosterladen, der Stiftskeller und sogar die Basilika bleiben zu. Das heißt, Hochzeiten und Beerdigungen finden nicht statt. Aber der Humor funktioniert noch. Wir schicken uns die Hashtags #iobevoacasa + #ichtrinkezuhause.

Die Südtiroler Weinwirtschaft ist exportschwach und hängt am Binnenmarkt. Das wirkt sich nun dramatisch aus. Die Erzeuger fürchten, dass sie auf ihrer Ware sitzen bleiben und für die Lese 2020 in den Kellern kein Platz frei wird. Man erwägt sogar, gezielt weniger zu ernten. Bis dahin wird allerdings noch viel Wasser die Etsch hinabfließen.

Schon mehrfach weilte der Captain in Südtirol, um Weine zu probieren. Im Frühling 2020 war ein weiterer Besuch geplant. Daraus wird wohl nichts. Ein Grund für den Captain in die Vergangenheit zu blicken und auf eine bessere Zukunft zu hoffen.

Bis vor Kurzem galt: Südtirol ist teuer, denn Südtirol ist gut. Wer hier Urlaub macht, bekommt alles, was er sich wünscht: stabiles Wetter, nette Leute, atemberaubende Landschaften, fantastisch gutes Essen und Weine, die von der Perfektion ihrer Kellermeister zeugen. Der einzige Nachteil bei so viel Supidupi: Südtirol wurde ein bisschen bequem. Wagemutige Weine, die neue Wege beschreiten, gibt es hier selten. Dafür ausreichend viel Klassik. Na gut.

Große Genossenschaftskeller beherrschen den Markt. Das ist weltweit einmalig und hört sich etwas bedrohlich an, ist es aber nicht, denn diese Kooperativen arbeiten auf einem Niveau, das die Erwartungshaltung jedes Neulings auf den Kopf stellt. Südtirols Kellereien füllen Topware ab und zahlen ihren Traubenlieferanten Kilopreise, von denen deutsche Weinbauern nur träumen. Das Einzige, über das man sich in der Südtiroler Weinwirtschaft den Kopf zerbrach, war der Klimawandel. Dann kam das Virus.

Durch ihre Kessellage ist die quirlige Provinzhauptstadt Bozen die heißeste Stadt Italiens. Rundherum gibt es Pläne, mit den Rebstöcken die Berghänge hinauf zu wandern und weiter unten gelegene Pflanzungen aufzugeben. Denn es wird immer schwerer, alpine Frische in die Flaschen zu zaubern. Wer richtig trockenen Knack will, muss schon ein bisschen suchen. Der Captain bestieg zu diesem Zweck den Linienbus und reiste hinauf ins Eisacktal, wo die Hänge höher liegen. Eine Handvoll Winzer teilen sich hier die Rebflächen auf.

Pacherhof: der schönste Winzer Südtirols

Der Augustinerorden, der hier seit 1142 die Klosterkellerei Neustift (Abbazia Novacella) betreibt, ist größter lokaler Player. Armut, Keuschheit und Gehorsam heißen die Prinzipien der Mönche, die hier leben. Und die Selbstversorgung mit landwirtschaftlichen Produkten. Doch die Weinproduktion übersteigt schon lange den Eigenbedarf der frommen Brüder und so entstand ein schwunghafter Handel mit der Außenwelt. Die Kellerei unterhält 6 Hektar eigene Pflanzungen in der unmittelbaren Nachbarschaft und weitere Flächen am Kalterersee und bei Bozen. Den Rest liefern etwa 50 Vertragsbauern der Gegend, deren Böden von Granit geprägt ist und mineralische Weine hervorbringen. Der Betrieb ist hochmodern organisiert. Kellermeister Celestino Lucin gilt als anerkannte Größe der italienischen Weinwelt. Auch jenseits der Landesgrenzen ist der Önologe ein gefragter Berater. Zum Beispiel in Rumänien.

Wer zu Besuch kommt und in Novacella klösterliche Enthaltsamkeit erwartet, wird schnell eines Besseren belehrt. Der Captain trank sich gemeinsam mit Elias Holzer durchs Programm und blieb bei der Edelserie Praepositus hängen. Der hochtrabende Begriff kommt aus dem Latein und bedeutet „der Höhergestellte“, also Chef.

Ein Sylvaner (die Rebsorte wird in Südtirol mit Ypsilon geschrieben) stach heraus. Die Traube ist dortzulande mäßig verbreitet (70 von insgesamt 5.300 Hektar), läuft aber im Eisacktal zur Höchstform auf, was man im Sylvaner Praepositus deutlich schmeckt: Dieser elitäre und beeindruckend elegante Selektionswein wurde zu einem Viertel im 3.000-Liter-Fass aus Akazienholz ausgebaut, der Rest ruhte im Stahltank. In der Nase sehr zurückhaltend. Ich rieche etwas Limette, Zitronenzeste und einen Hauch kalten Kamin. Im Mund schmelzig, dicht und kräuterwürzig. Ich spüre zunächst Salz, dann gelben Apfel, Banane, Ananas. Dann noch frischen Koriander und Palmherzen. Diese Mischung aus Mineralität und Exotik macht diesen Wein zu einem außergewöhnlichen Trinkerlebnis. Ein wirklich gesegneter Wein.

Verblüffende Wein-Fakten über Südtirol

 

Datum: 11.3.2020 (Update 15.3.2020)
 

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