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Ätna: in Cinzanos Schrebergärten

Hier probiert der Winzer selbst: Andrea Franchetti.
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Der Captain trinkt Rotwein von den kalten Hängen des Vulkans, wo Wermut-Erbe Franchetti einem anspruchsvollen Hobby nachgeht.
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Der Captain verreist (gedanklich) zum Ätna, dem derzeit wahrscheinlich angesagtesten Anbaugebiet der Welt, wo vor 20 Jahren noch ein paar alteingesessene Winzerlein festklebten und ihrem mühsamen Tagewerk nachgingen.

Mühsam, weil in den steilen, von rauen Winden bewehten und unwegsamen Lavahängen des Vulkans der Einsatz von Maschinen scheitert und die Personalkosten so hoch sind, dass gewinnbringender Weinbau lange Zeit unmöglich war. Dann kamen die Reichen. Wohlhabende Winzer und Quereinsteiger vom sizilianischen Flachland, aus der Toskana, Piemont, Frankreich, Spanien, Belgien. Nur China und Deutschland fehlen noch. Und sie begannen atemberaubend kühle und feinfruchtige Weine zu erzeugen.

Einer davon ist Andrea Franchetti, Erbe des Wermut-Imperiums Cinzano (das an Campari verscherbelt wurde) und Kultwinzer in der Toskana (Tenuta Trinoro), der auf dem kalten Berg seinen nächsten Triumph feiern wollte.

Äh, was macht den Ätna eigentlich so besonders? Es ist die Kombi aus Boden und Luft. Tausende Lavaströme, die in den letzten 600.000 Jahren aus dem Gestein quollen, formten diesen Giganten und jeder einzelne von ihnen hinterließ ein anderes Terroir – je nachdem, wann und aus welcher Tiefe er emporgeschossen kam. Die Zusammensetzung der Mineralien, die Konzentration von Schwefel und anderen Substanzen schufen Weingärten unterschiedlichster Charaktere – Contrade genannt. Manchmal nur so groß wie ein Schrebergarten am Bahndamm.

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Hier stecken noch Tausende Rebstöcke im Boden, die über 100 Jahre alt sind, weil es sich einfach nicht lohnte, sie auszureißen. Heute sind diese Methusalems umhegte Stars, die abgeschirmt und betüddelt werden wie die späte Marlene Dietrich in ihrem Pariser Appartement.

Ätna-Weine sind nie billig und deshalb kostet der Passorosso von Passopisciaro fast 30 Euro. Es ist ein Paradebeispiel für die elegante Ätna-Stilistik, die man einfach kennen soll. Im Glas durchscheinendes und leicht trübes Rot. In der Nase Wacholder, Johannisbeerblätter, Minze, mit mehr Luft Orangenzeste, Kakaopulver. Im Mund herrlich trocken und feinkörnig-rau. Ich schmecke Kirsche, Blutorange, gelbe Pflaume, feinwürzige Gerbstoffe und fühle mich sofort an die fantastischen Nebbiolo-Weine des Valtellina am Nordrand Italiens erinnert. Aufregend dosierte Säure steht gegen elegante Frucht und irre feingeschliffene Tannine. Gute Balance, viel Saftigkeit und schöne Länge. Charaktervoller Rotwein von den Nordhängen des Ätna, der im Stahltank vergor und im großen Holzfass reifte.

 

Datum: 5.6.2020