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Weinflaschen stehend oder liegend lagern?

Ist die Lagerung nur eine Frage der Tradition?
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Sollen Weinflaschen aufrecht oder traditionell waagrecht gelagert werden? Da gehen die Meinungen der Weinfreunde auseinander. Die Wissenschaft sagt immer öfter: stehend!
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Auskünfte zur richtigen Lagerung von Weinflaschen füllen Millionen von Internet-Seiten (gefühlt). Da kann ich nichts Erhellendes hinzufügen.

Deshalb bete ich aus purem Pflichtbewusstsein die wichtigsten Mantras dieser Lebensfrage herunter, bevor ich zum spannenden Teil komme: Soll man Weinflaschen besser aufrecht oder liegend lagern? Aber erstmal ein paar allgemeine Regeln, die beim Weinlagern wichtig sind:

  • Konstante Temperatur: Alles zwischen 12 und 18 Grad ist ok. Hauptsache, es gibt keine heftigen Schwankungen.
  • Feuchtigkeit: 50% bis 80% Luftfeuchtigkeit sind optimal. Diese Werte erreichen die meisten Räumlichkeiten in Mitteleuropa von selbst, außer man steht gerade im Heizungskeller. Extrem trockene Luft ist schlecht für traditionelle Korkverschlüsse, denn die können austrocknen und dichten dann nicht mehr. Folge: Ein Teil des Weins verdunstet oder oxidiert (verdirbt) viel zu schnell.
  • Dunkelheit: Licht ist (neben Hitze) so ziemlich das Schlimmste, was man einem Wein antun kann.
  • Ruhige Lagerung? Lange Zeit hieß es, dass Erschütterungen die Weinqualität beeinträchtigen. Neue Erkenntnisse sagen: Es ist egal, ob der Wein bewegt wird oder nicht.

Fazit? Am besten ist ein kühler, dunkler, etwas feuchter Keller, der obendrein geruchsneutral ist. Also ein typischer Altbaukeller mit dicken, atmenden Wänden.

Jetzt aber zum eigentlichen Thema: Soll ich meine Weine stehend oder liegend aufbewahren? Dazu eine kleine Geschichte.

In den 70er- und 80er-Jahren trieb in Wien ein schillernden Herr namens Udo Proksch sein (Un)wesen. In seinem privaten Club 45 direkt über der berühmten Hofkonditorei Demel ging die Politikprominenz bei rauschenden Partys ein- und aus. Die Anwesenheit sehr schöner Frauen übte sicherlich auch eine gewisse Anziehungskraft auf die Mächtigen des Landes aus. Es waren halt noch andere Zeiten damals. Handyfotos gab es nicht. Diskretion und Korruption waren Ehrensache unter den Mitgliedern und Besuchern des Clubs. Proksch, sein Club 45 und viele andere Namen und Orte gingen später im Zuge der Staatsaffäre → Lucona in die Berichterstattung ein. Diese Details sind hier nicht wichtig. Nur soviel: Proksch wurde 1992 wegen sechsfachen Mordes verurteilt und saß bis zu seinem Tod 2001 im Gefängnis.

Mir geht es um etwas ganz anderes. Dieser Herr Proksch hatte in seinen frühen Jahren (neben vielen anderen absurden Geschäftsideen) einen bizarren Einfall und gründete den „Verein der Freunde der Senkrecht-Bestattung“. Der Name war Programm. Denn es ging darum, Tote platzsparend zu bestatten. Proksch wäre nicht Proksch gewesen, wenn diese Idee nicht Einzug in die mediale Berichterstattung gehalten und für kurze Zeit tatsächlich ernsthaft diskutiert worden wäre.

Ja, warum beerdigen wir unsere Toten eigentlich nicht senkrecht? Und warum lagern wir unsere Weinflaschen nicht aufrecht? Alles nur aus reiner Tradition?

Sogenannte Weinkenner raten üblicherweise, Weinflaschen liegend zu lagern – siehe Argument Feuchtigkeit weiter oben. Dadurch wird der Korken von innen nass gehalten und bleibt dicht. Es gibt aber auch seriöse Untersuchungen (zum Beispiel der Forschungsanstalt für Garten- und Weinbau in Geisenheim), aus denen hervorgeht, dass bei ausreichender Luftfeuchtigkeit eine stehende Lagerung vorzuziehen sei. Denn je geringer der Kontakt des Weins mit dem Verschluss ist, umso besser. Für Glas- und Schraubverschlüssen gilt das weniger, sie üben praktisch keinen Einfluss auf die Flüssigkeit aus. Bei Kork hingegen ist das anders. Kork gibt immer Stoffe an den Wein ab. Das hat Einfluss auf den Geschmack – im schlechtesten Falle in Form des berüchtigten Korkschmeckers.

Auch Champagner werden von Profis in den letzten Jahren immer öfter stehend gelagert, da es heißt, die Kohlesäure und der Alkohol (!) greifen den Korken an. Der berühmte und meistens recht teure ungarische Süßwein Tokajer wird in den feuchten Kellern seiner Erzeuger ausschließlich stehend gelagert. Und immer mehr Versuchsreihen von Weinbauinstituten bestätigen diese Praxis.

Müssen wir uns von einer uralten Tradition der waagrechten Weinlagerung in romantischen Weinkellern verabschieden? Es sieht so aus.

Übrigens, nach seinem Tod wurde Udo Proksch in Salzburg beerdigt. Ganz traditionell in waagrechter Position.

 

Datum: 2.3.2021 (Update 4.8.2021)
 

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