Immer wenn eine Fraktion Überhand gewinnt, schlägt sich der Captain auf die andere Seite. Schon aus Trotz. Argumente sind ihm fremd. Wenn alle das eine für richtig halten, muss er aus Zwang das andere vertreten. Auch diesmal.
Diesmal geht es um trockene Weine. Das heißt, um trockene Weine, die als trocken deklariert werden, aber nicht trocken sind, weil sie edelfaules Lesegut verpasst bekommen haben. Hier am Schiff wurde einmal die Neue Wachau ausgerufen, jene Winzer gelobt, die dieser alten, botrytisverseuchten Machart ein Ende bereiten. Allen voran Peter Veyder-Malberg, der Botrytis schlicht für unzumutbar hält.
Mit dieser Meinung steht Malberg nicht alleine da. Viele Weinfreunde teilen sie und trinken gerne staubtrockene Weine, die ihren Geschmack alleine aus der Mineralität beziehen, weil’s Spaß macht und schmeckt.
Der Captain hat schon vor langem entdeckt, dass alte Wachauer Weine traditioneller Weingüter erst nach Jahren so richtig gut schmecken. Wenn sich der erste Petrolton eingeschlichen hat und die Edelfäule ihren geschmacksbildenden Anteil der Eleganz überantwortet. Dann können diese Weine so richtig gut getrunken werden. Egal, welchen Fehler sie in sich tragen.
Dem Captain reicht es überhaupt mit dem Sauberkeitswahn. Er riecht und trinkt auch gerne Weine aus dem Bordelais, die ein bisschen Kellertöne haben, also etwas muffig duften. Und auch der leichte Stallgeruch ist nicht zu verachten, den die so genannte Brettanomyces mit sich bringt.
Die Fehltöne und ihre Verwaltung müssen freilich im Rahmen bleiben. Da ist ein guter Önologe gefragt. Ein Traditionalist, der weiß, was er macht. Weil er es immer schon so gemacht hat. Und vor ihm seine Eltern und Großeltern. Ein solcher Traditionalist ist Emmerich Knoll. Ihm folgt Emmerich junior nach, der etwas moderner keltert, aber trotzdem den typischen Stil der Knoll-Weine beibehält. Und bei Knoll hat man vor Botrytis keine Angst. Und auch nicht vor der geringfügigen Verwendung infizierten Leseguts. Es macht die Weine runder und molliger.
Aber sie müssen altern, damit sie perfekt zeigen können, warum sie auf die Flasche gebracht wurden. Wie der Grüne Veltliner Loibenberg Smaragd, den der Captain vor ein paar Minuten geöffnet hat. 10 Jahre, nachdem er abgefüllt wurde.
Ein Glück, dass es Weinhändler gibt, die diese alten Flaschen noch lagernd haben.
Im Herbst vor der Lese hat es in der Wachau ordentlich geregnet. Nach einem heißen und trockenen Sommer. Also gab es eine gewisse Menge Botrytis und die hat diesen Wein am Anfang fast untrinkbar gemacht. Aber das weiß man ja von Knoll-Weinen. Die ersten paar Wochen sind sie gleich gut zu kippen, danach folgt eine lange Phase des Rückzugs. Mitunter mehr als fünf Jahre lang. Das braucht Geduld.
In der Nase etwas Drops, dann Minze, Limettenzeste, kandierte Orangenschalen, wie man sie in guten Hotels zum Teebekommt. Dann wieder heller Drehtabak, etwas Windbäckerei und auch ein bisschen Aprikose.
Im Mund dann eine Pracht. Der Wein trägt einen schmalen, aber gut geschnittenen Mantel. Aprikose, Limette, etwas Pfirsich, dann wieder Drops, Kräuter, etwas Weihnachtsbäckerei. Und definitiv nicht trocken. Aber weit entfernt von einem lieblichen oder halbtrockenen Wein, wie man ihn aus Deutschland kennt. Eben das Ding dazwischen.
Und erst der Gaumen! Großartig, wie hier die Säure die Cremigkeit unterläuft und eine perfekte Trinkigkeit zimmert. Es ist eine Freude, das Glas zu leeren. Ein perfekter, mittelalter Veltliner, den man jetzt trinken sollte. Stimmt, Knoll-Weine kann man immer gut weglegen. Dieser hier ist aber jetzt genau am Punkt. Ganz genau jetzt.
http://weinlagen-info.de/#lage_id=2592
Schütt GV 04 war einer der heimlichen Stars in unserer letztjährigen Knoll Verkostung! Bortrytisnoten hab ich da gar keine im Kopf!
Danke für den Tipp. Ist geordert.
Ich bildete mir ein, ich sei weg von den botrytisverseuchten GVs, aber es schmeckt halt immer noch. Mir gefällt aber auch der neue botrytisfreie Stil in der Wachau.
PS.: Schon mitgekriegt, dass es dem Uwe den Eisenberg weggespült hat? Ein Drama. Der Eisenberg ist mein Standard-BV.
Ja, mitbekommen. Gotteseidank nicht zu Gänze
Ein gutes Alter steht eben fast jedem vernünftigen Wein.
Schütt GV Smaragd 99 Magnum. Vor 2 Jahren in Bern getrunken.
Getrocknete weisse Steinfrüchte, Orangenschale, caramelisierte Ananas, warmer Apfelkuchen, leicht Salbei, Minze und Fenchelsamen. Am Gaumen ein Hauch Salz, erinnert an nassen Meeressand, dann wieder reife, ja schon warmes Quittenchutney, unglaubliche Länge mit Nougat und weisser Schokolade im Nachhhall. Ein Volumen wie ein grosser, reifer Condrieu.
So macht Botrytis Spass!