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VDP: altes Leid + neues Leid = Beileid

Erste Lage, Großes Gewächs. Oder Erstes Gewächs und Große Lage? Wer steigt da durch? (Foto:VDP)
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Captains Maat Felix Eschenauer zerpflückt die neuen Beschlüsse zur VDP-Qualitätspyramide. Dabei hat Deutschland genug gute Winzer, die auf diese verwirrende Klassifikation mittlerweile pfeifen können.
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Was gestern in Neustadt im Rahmen einer außerordentlichen Mitgliederversammlung des VDP (Verband Deutscher Prädikats- und Qualitätsweingüter) beschlossen wurde, hatte im Vorfeld für einigen Zündstoff gesorgt. Denn es handelt sich nicht nur um die weitere Ausformung der VDP-Klassifikation. Die jetzt beschlossene und in einigen Regionalverbänden bereits seit zwei Jahren geforderte Vierstufigkeit (Bspw.: Kühling-Gillot Riesling trocken, Niersteiner Riesling trocken, Nierstein X Riesling trocken, Nierstein Ölberg Riesling trocken GG), ist tatsächlich die einzig nachvollziehbare Neuerung.

Aber sie birgt Widersprüche: Neben den sog. „Ersten Lagen“, also jenen Lagen aus denen bisher alle „Großen Gewächse“ stammen konnten, wird es jetzt auch „Große Lagen“ geben. Und nur aus diesen dürfen die Trauben für das „Große Gewächs“ fortan stammen. In der Praxis heißt dies: Die Regionalverbände bestimmen die besten „Ersten Lagen“ und klassifizieren diese als „Große Lage“.

Wie ein bisschen schwanger

Der beste trockene Wein aus der „Großen Lage“ ist also das „Große Gewächs“. Folgt man dem Konzept mit einer gewissen sprachlichen Logik, dann müsste der beste trockene Riesling aus einer „Ersten Lage“ auch „Erstes Gewächs“ heißen. Dieser Weg ist jedoch verbaut, da ein „Erstes Gewächs“ eine weinrechtlich genau definierte Bezeichnung für einen Rheingauer Wein aus den Rebsorten Riesling oder Spätburgunder darstellt. Fail 1.

Bleiben wir im Rheingau. Punkt 5 des Beschlusses definiert die Spielräume der Regionalverbände, was zur Folge hat, dass es im Rheingau auch weiterhin trockene Prädikatsweine geben wird. Obwohl dies unter Punkt 7 – „Festlegung der Prädikate auf fruchtsüße Weine“ – ausgeschlossen wird. Es wird „weitgehend“ ausgeschlossen… Das ist ungefähr so, wie „ein bisschen“ schwanger sein. Unterm Strich kann also jede Region in Zukunft machen, was sie will. Fail 2.

Ein großer Schritt – in die falsche Richtung

Tja, ist das eigentlich für den Konsumenten noch interessant? Oder geht es hier um ganz andere Interessen? Um die Vorstellungen einiger Weniger und die Nabelschau vieler Weingüter? Was als Idee vom großen trockenen Wein seinen Anfang nahm, entwickelt sich langsam aber sicher zur Posse. Zu einer Posse, die am Kunden völlig vorbeigeht. Und ihm am Ende das Weintrinken gar verleidet.

In den letzten 20 Jahren hat sich der VDP zu einer festen Marke am deutschen Weinmarkt entwickelt. Wein aus Flaschen mit dem stilisierten Traubenadler auf Kapsel oder Etikett kann man bedenkenlos kaufen. Die Qualität ist überdurchschnittlich gut und das ist – abseits aller geschmacklichen und ideologischen Vorlieben – erstmal eine großartige Leistung.

Unterm Strich wird eine schlüssige Klassifikation dadurch aufgeweicht, dass die Regionalverbände – jetzt auch verbindlich – wieder mehr wurschteln dürfen. Eine Lagenklassifikation ist das nebenbei schon lange nicht mehr. Hier geht es seit Jahren um den Aufbau einer starken Marke. Jeder neue Beschluss wird nicht dazu führen, dass das Profil geschärft wird, sondern mehr und mehr das Konzept aufweichen. Der Entschluss vom gestrigen Tag ist der Anfang vom Ende: weil versäumt wurde, von Anfang an ein schlüssiges Konzept für die einzelnen Regionen zu entwerfen, bekommen die Regionalverbände jetzt erst Spielraum zur Gestaltung.

Der Spielraum ist prinzipiell nötig: An der Mosel hat der Riesling eine größere Tradition als beispielsweise in Baden. Während der Fokus an der Mosel auf der Erzeugung restsüßer und edelsüßer Weine liegt, die im Ausland für deutschen Wein schlechthin stehen, gibt es in Rheinhessen und der Pfalz die ganze Bandbreite von Rebsorten und einen Schwerpunkt in der Erzeugung trockener Weine. Die Nahe hat in diesem Punkt nach wie vor kein klares Profil. Und so könnte man alle Anbaugebiete durchexerzieren.

Der Beschluss von Neustadt – ein Rückschritt

Vielfalt ist Horror für gutes Marketing. Das sollte auch der VDP wissen. Geht es um den Erhalt der deutschen Weinkultur, wie sie sich in den letzten 50 Jahren entwickelt hat oder um die Umstellung auf ein Herkunftssystem französischer Prägung? Oder gar um die Verankerung einer Luxusmarke? Alles zusammen kann und wird nicht aufgehen.

Zur Entspannung trinke ich einen großartigen Wein aus dem Gut eines der Vordenker der „Großen Gewächse“. Der leider so früh verstorbene Bernhard Breuer wäre sicher spätestens am heutigen Tage aus dem VDP ausgetreten, wenn er es nicht schon zu Lebzeiten getan hätte. Damals 1999, als die „Ersten Gewächse“ Gesetz wurden, da läutete schon das Sterbeglöckchen für das ganze Konzept. In den letzten fünf Jahren war man auf dem besten Wege, die Fehler der Vergangenheit zu nivellieren, auch wenn dabei an einigen Regionen konsequent vorbeigearbeitet worden ist.

Der Neustädter Beschluss ist ein Rückschritt – vor allem, was die Transparenz der Klassifikation für den Weintrinker betrifft. Denn jene wird letztendlich nurmehr über den Preis definiert. Eine merkwürdige Entwicklung, die mit dem Fokus auf Lage, Herkunft und Handwerk wenig zu tun hat.

 

Datum: 27.1.2012 (Update 1.12.2014)
 

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