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Was gestern in Neustadt im Rahmen einer außerordentlichen Mitgliederversammlung des VDP (Verband Deutscher Prädikats- und Qualitätsweingüter) beschlossen wurde, hatte im Vorfeld für einigen Zündstoff gesorgt. Denn es handelt sich nicht nur um die weitere Ausformung der VDP-Klassifikation. Die jetzt beschlossene und in einigen Regionalverbänden bereits seit zwei Jahren geforderte Vierstufigkeit (Bspw.: Kühling-Gillot Riesling trocken, Niersteiner Riesling trocken, Nierstein X Riesling trocken, Nierstein Ölberg Riesling trocken GG), ist tatsächlich die einzig nachvollziehbare Neuerung.
Aber sie birgt Widersprüche: Neben den sog. „Ersten Lagen“, also jenen Lagen aus denen bisher alle „Großen Gewächse“ stammen konnten, wird es jetzt auch „Große Lagen“ geben. Und nur aus diesen dürfen die Trauben für das „Große Gewächs“ fortan stammen. In der Praxis heißt dies: Die Regionalverbände bestimmen die besten „Ersten Lagen“ und klassifizieren diese als „Große Lage“.
Wie ein bisschen schwanger
Der beste trockene Wein aus der „Großen Lage“ ist also das „Große Gewächs“. Folgt man dem Konzept mit einer gewissen sprachlichen Logik, dann müsste der beste trockene Riesling aus einer „Ersten Lage“ auch „Erstes Gewächs“ heißen. Dieser Weg ist jedoch verbaut, da ein „Erstes Gewächs“ eine weinrechtlich genau definierte Bezeichnung für einen Rheingauer Wein aus den Rebsorten Riesling oder Spätburgunder darstellt. Fail 1.
Bleiben wir im Rheingau. Punkt 5 des Beschlusses definiert die Spielräume der Regionalverbände, was zur Folge hat, dass es im Rheingau auch weiterhin trockene Prädikatsweine geben wird. Obwohl dies unter Punkt 7 – „Festlegung der Prädikate auf fruchtsüße Weine“ – ausgeschlossen wird. Es wird „weitgehend“ ausgeschlossen… Das ist ungefähr so, wie „ein bisschen“ schwanger sein. Unterm Strich kann also jede Region in Zukunft machen, was sie will. Fail 2.
Ein großer Schritt – in die falsche Richtung
Tja, ist das eigentlich für den Konsumenten noch interessant? Oder geht es hier um ganz andere Interessen? Um die Vorstellungen einiger Weniger und die Nabelschau vieler Weingüter? Was als Idee vom großen trockenen Wein seinen Anfang nahm, entwickelt sich langsam aber sicher zur Posse. Zu einer Posse, die am Kunden völlig vorbeigeht. Und ihm am Ende das Weintrinken gar verleidet.
In den letzten 20 Jahren hat sich der VDP zu einer festen Marke am deutschen Weinmarkt entwickelt. Wein aus Flaschen mit dem stilisierten Traubenadler auf Kapsel oder Etikett kann man bedenkenlos kaufen. Die Qualität ist überdurchschnittlich gut und das ist – abseits aller geschmacklichen und ideologischen Vorlieben – erstmal eine großartige Leistung.
Unterm Strich wird eine schlüssige Klassifikation dadurch aufgeweicht, dass die Regionalverbände – jetzt auch verbindlich – wieder mehr wurschteln dürfen. Eine Lagenklassifikation ist das nebenbei schon lange nicht mehr. Hier geht es seit Jahren um den Aufbau einer starken Marke. Jeder neue Beschluss wird nicht dazu führen, dass das Profil geschärft wird, sondern mehr und mehr das Konzept aufweichen. Der Entschluss vom gestrigen Tag ist der Anfang vom Ende: weil versäumt wurde, von Anfang an ein schlüssiges Konzept für die einzelnen Regionen zu entwerfen, bekommen die Regionalverbände jetzt erst Spielraum zur Gestaltung.
Der Spielraum ist prinzipiell nötig: An der Mosel hat der Riesling eine größere Tradition als beispielsweise in Baden. Während der Fokus an der Mosel auf der Erzeugung restsüßer und edelsüßer Weine liegt, die im Ausland für deutschen Wein schlechthin stehen, gibt es in Rheinhessen und der Pfalz die ganze Bandbreite von Rebsorten und einen Schwerpunkt in der Erzeugung trockener Weine. Die Nahe hat in diesem Punkt nach wie vor kein klares Profil. Und so könnte man alle Anbaugebiete durchexerzieren.
Der Beschluss von Neustadt – ein Rückschritt
Vielfalt ist Horror für gutes Marketing. Das sollte auch der VDP wissen. Geht es um den Erhalt der deutschen Weinkultur, wie sie sich in den letzten 50 Jahren entwickelt hat oder um die Umstellung auf ein Herkunftssystem französischer Prägung? Oder gar um die Verankerung einer Luxusmarke? Alles zusammen kann und wird nicht aufgehen.
Zur Entspannung trinke ich einen großartigen Wein aus dem Gut eines der Vordenker der „Großen Gewächse“. Der leider so früh verstorbene Bernhard Breuer wäre sicher spätestens am heutigen Tage aus dem VDP ausgetreten, wenn er es nicht schon zu Lebzeiten getan hätte. Damals 1999, als die „Ersten Gewächse“ Gesetz wurden, da läutete schon das Sterbeglöckchen für das ganze Konzept. In den letzten fünf Jahren war man auf dem besten Wege, die Fehler der Vergangenheit zu nivellieren, auch wenn dabei an einigen Regionen konsequent vorbeigearbeitet worden ist.
Der Neustädter Beschluss ist ein Rückschritt – vor allem, was die Transparenz der Klassifikation für den Weintrinker betrifft. Denn jene wird letztendlich nurmehr über den Preis definiert. Eine merkwürdige Entwicklung, die mit dem Fokus auf Lage, Herkunft und Handwerk wenig zu tun hat.
sehe ich auch so, das dies ein rückschritt ist…….aber ganz ehrlich, wer nur nachdem adler kauft ist selbst schuld. oftmals zu überteuert und von der qualität gut, aber nicht unbedingt das beste…..
schwieriges thema, zuviele emotionen, ich mach jetzt mal eine Flasche Spätlese von der Mosel auf – kein VDP- Prost!
Trotzdem ist der Adler eine Garantie für ein gewisse Qualität und man weiß was man bekommt. Ich bin nie schlecht gefahren mit dem VDP.
Dieser Artikel ist der beste Beweis dafür, daß mittlerweile nur noch Felix Eschenauer und der Captain hier ernsthaft lesbar sind. Den Rest kann man achtlos in der Pfeife rauchen.
Werden die „Ersten Lagen“ alle zu „Großen Lagen“ und paar zusätzliche Lagen zu „Ersten Lagen“?
Finde ich nicht. Eschenauer beschäftigt sich ernsthaft mit seiner Region und ist die Verbindung zu den Weinprofis. Der Captain ist ein Journalist, das merkt man eben. Bugnowski, Golenia und Balcerowiak habe ihre eigenen Fans. Ist doch gut.
Zur Überschrift: Ich weiss nicht, warum mittlerweile alles so hysterisch wird, in der Presse und auch hier beim Wein. Überall Krise, Probleme, alles geht bergab.
Also so schlecht finde ich die VDP-Qualitätshierarchie nicht, beschäftige mich aber gerne mit einem konstruktiven Gegenvorschlag.
Probleme sind deiner Meinung das Einweinprinzip(Eine Lage = Grosses Gewächs), die Prädikate trocken und die regionalen Unterschiede.
Das Einweinprinzip ist halt einfach nicht zu halten. Gerade zB bei uns an der Mosel wächst eben nicht nur ein Großes Gewächs in einer Lage, sonden neben trockenen Weinen auch jedes Jahr botritisgeprägte Auslesen/Beerenauslesen, bei der Vorlese fällt Kabinett an, es reicht in einem Schlag zum Eiswein etc. Und woanders soll es sogar mehrere Rebsorten in einer Lage geben ;-).
Mit Kabinet trocken: Ist halt Realpolitik. Leider kompliziert, aber gerade Kabinett trocken als etwas grüner, leichter, etwas säurebetonter Wein mit wenig Alkohol ist einerseits eine geschmacklich nachvollziehbare Aussage und andererseits eine eingeführte und gut laufende Marke – trinke ich selber öfters als ein Großes Gewächs.
Schaut doch mal über den Wein-Tellerrand: ab einer gewissen Qualität und Tiefe wird halt alles kompliziert. Das ist in der Sterneküche ebenso wie in allen anderen Feldern und Wissenschaften. Auch beim Wein. Wer Qualität sucht und seinen Geschmack genau treffen will, wer Gourmet oder Fachmann sein will, muss sich halt mit der Materie beschäftigen.
Dies gilt genauso für die regionalen Unterschiede. In der EU heisst das „Subsidiarität“ – lass das die Regionen selber machen. Ich sehe keine Möglichkeit, die zB Baden und Mosel gleich gut abbildet.
Grüße von der Mosel
War es Sido oder Rio der sagte: „Wir sind geboren um frei zu sein“?
Immer locker bleiben Crew. Der Erfolg (Preis) von Wein wird an Qualität gemessen.
Diese deutsche Pyramiden Nabelschau kann ich gar nicht mehr ertragen, die ist gefühlte 1000 Jahre alt.
Ich kann Felix nur zustimmen und habe mich auch mal ein Wenig zum Thema ausgelassen:
http://www.weinkaiser.de/vdp-mit-dem-vorbild-burgund-gott-bewahre/
Gruß aus Bonn
Ralf
Ich als Verbraucher sehe das System zunächst sehr positiv und vereinfachend, wieso ist es kein Schritt in die richtige Richtung?
Probleme bestehen sowieso immer. Nicht jedes Grosse Gewächs hat seinen Namen verdient. Kabinette wimmeln von Spät- und Auslesen. (Noch)-nicht klassifizierte Lagen bringen phantastische Weine hervor, etc… Jeder der Weine liebt und sich damit beschäftigt kann am Ende sowieso nur seinem Geschmack und dem Winzer vertrauen, der doch unabhängig von Lage und Prädikat, den Wein mit seiner Stilistik und seinem Charakter erzeugt.
Nehme ich mich und vorallem auch einmal die breite Masse an bekannten (Gelegenheits-)Weintrinkern interessiert doch zunächst nur folgendes:
Weiss oder Rot? = Rebsorte / Wer? = Weingut / Woher? = Lage / trocken oder restsüß? = Prädikat
Forster Pechstein „Grosses Gewächs“ = Grosse Lage trocken
Forster Pechstein „Grosse Lage“ Spätlese = Grosse Lage restsüß
Forster Musenhang „Erste Lage“ = Erste Lage trocken
Forster Musenhang „Erste Lage“ Spätlese = Erste Lage restsüß
Forster Riesling = Ortswein trocken
Forster Riesling Spätlese = Ortswein restsüß
Gut, beim Gutswein kann man ja noch nachbessern…
Es gibt also eine klare Herkunft und ich kann klar entscheiden ob trocken oder restsüß. Ein entsprechendes Pendant zu „Grosses Gewächs“ für die Erste Lage würde ich sogar für kontraproduktiv halten, da sie nebeneinander stehen. Es gibt das Grosse Gewächs oder Lagenweine, Punkt, Aus, Ende.
Das ist alles verständlich und vorallem dem erklärbar, der unbedarft einen Wein kaufen möchte – für sich selbst oder für einen befreundeten Weintrinker.
Also, ein Schritt nach vorn. Bei den Gutsweinen nachbessern und das Herabstufen von Prädikaten verbieten – dann weis der Konsument was er im Glas hat. Amen.
Qualität, Stilistik und Charakter ist ein anderes Thema und hat nichts mit einer Klassifikation zu tun.