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Warum lacht keiner über Wein?

Bescheuertes Foto? Ja, genau!

The Boxer

The Boxer

Mollydooker, Australien

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Unsere Weintesterin Susanne Werth-Rosarius plädiert für mehr Humor beim Weinkauf. Vermutlich umsonst. Darauf einen herrlichen Australier mit krassen 15% Alk, die ganz elegant flutschen.
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Die besten Juden-, Schwulen-, Polizistenwitze werden von Juden, Schwulen und Polizisten erdacht und weitererzählt.

Und die besten Weintrinkerwitze? Oder Winzerwitze? Gibt es nicht. Wenn man von dem müden Döneken (Ruhrpottdeutsch für Anekdote) absieht, wie das alte Weinbäuerlein auf dem Sterbebett seinen Kindern verrät, dass man Wein auch aus Weintrauben machen kann. Hahaha, Schenkelklopfer.

Was schließen wir daraus? Wein ist eine ernste Angelegenheit. Da macht man keine Witze drüber. Zumindest nicht in Deutschland. Über Österreich sag ich jetzt nix.

In der Tat werde ich den Eindruck nicht los, dass sich die Weinszene viel zu ernst nimmt und die Sache mit dem Wein fast wie eine heilige Monstranz zur Fronleichnamsprozession vor sich herträgt.

Jeder noch so sanfte Scherz wird irgendwo zwischen Majestätsbeleidigung und Gotteslästerung verortet und mit Amphorenwein nicht unter drei Gläsern bestraft. Auf Ex. Wenn er denn überhaupt als solcher verstanden wird, der Scherz.

Die aktuelle deutsche Jungwinzergeneration scheint sich gottseidank ein wenig von der Heiligenverehrung abzusetzen und auch dem Spaß seinen Raum zu bieten, siehe Lukas Krauß, Marco Giovanni Zanetti, Lisa Bunn, to be continued.

Ganz anders die Australier. Von denen kann man im Hinblick auf Spaß und Wein noch eine ganze Menge lernen. Wenn ich einen Weinladen mit einschlägigem australischem Sortiment betrete, schiebt sich gleich ein breites Grinsen in mein Gesicht. Hach.

Eine australische Weinagentin mit wirklich tollem Sortiment erzählte mir neulich, dass sie große Probleme habe, Weine mit originellem Branding in Deutschland zu vermarkten.

Der Standardeinwand hierzulande: „Mit diesen Etiketten können wir Ihre Weine nicht verkaufen. Das nimmt keiner ernst.“ In Skandinavien jedoch sind ihre Weine ein Renner. In Australien sowieso.

Zu meinen australischen Lieblingsweinen gehören übrigens die von Mollydooker Wines, die neben originellen und fröhlichen Etiketten so hübsche Weinnamen haben wie „Two left Feet“, „Gigglepot“, „Carnival of Love“ oder „Blue Eyed Boy“. Der Winzer ist Comicfan.

Und wenn ein Wein „Velvet Glove“ heißt, dann spürt man ihn doch schon im Mund bevor man überhaupt ein Glas davon getrunken hat. Beim Etikett von „The Scooter“ muss ich immer an die Oma denken, die im Hühnerstall Motorrad fährt.

Mollydooker ist übrigens ein australischer Ausdruck für Linkshänder (die gelten ja als besonders kreativ), denn die beiden Winzer Sarah und Sparky Marquis sind beide „lefties“.

Mein Lieblingswein der Mollydookers heißt The Boxer und ist ein Shiraz, ein kleiner Kraftprotz. Das eher schmächtig aber übermütig wirkende Männlein auf dem Etikett ist eine augenzwinkernde Irreführung.

Der Wein liegt schwer und dunkelrot im Glas und verströmt einen intensiven Duft von Johannisbeere, Brombeere, Pflaume, Mokka und Weihnachtsgewürzen.Es will gar nicht aufhören, so dicht, würzig, fruchtig und rauchig ist das.

Manchmal muss es eben keine anbetungswürdige geschliffene und zurückhaltende Eleganz sein, sondern von allem eher zu viel als zu wenig. Man isst ja auch nicht jeden Tag exquisites Lammfilet mit ausgesuchten Edelgemüsen oder hingehauchte Hochküche sondern einfach mal ´ne Currywurst. Die übrigens ein wirklich hervorragender Essensbegleiter zu diesem Wein ist. T-Bone-Steak vom Grill oder Schweinebauch Cajun Style sowieso.

Der erste Schluck ist Johannisbeere und Pflaume pur, eingebettet in dichten molligen Saft, nach und nach begleitet vom ganzen Aromenspektrum, das der Wein zu bieten hat und das ist beileibe nicht wenig: Beerenfrucht, Schokolade, Zigarrenkiste, Leder, staubiges Outback.

Ein Wein zum Reinbeißen. Und der gute Laune mit seiner Überfülle an Aromen macht. Dabei will ich gar nicht verschweigen, dass die 15 Volumenprozent Alkohol dazu beitragen. Der Alkohol ist allerdings gut integriert und nicht dominant. Ebenso die feine Säure, die diesem Muskelprotz seine Struktur gibt.

Winzer Sparky spricht hier vom „Party Wine Level“ und ich höre sie schon, die nörgelnden Gesinnungskrokodile: 27 Euro für einen Partywein…? Ja.

Weil er es wert ist und weil er es mir wert ist. Und weil man ihn natürlich auch ganz alleine genießen und meinetwegen auch anbeten kann, obwohl das ziemlich schade wäre.

 

1 Pings/Trackbacks für "Warum lacht keiner über Wein?"
Datum: 5.7.2016
 

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