Weingutsarchitektur ist ein kostspieliges aber sehr wirksames Mittel, um auf sich und den eigenen Winzerbetrieb aufmerksam zu machen.
Davon zeugen spektakuläre Bauten auf der ganzen Welt. Das war übrigens früher auch so.
Man denke nur an das Stammhaus der berühmten deutschen Weinmarke Robert Weil, das wie ein Neuschwanstein des Riesling in den Himmel über dem Rheingau ragt.
Heute bietet die Bautechnik ganz andere Möglichkeiten, wie man bei den Bodegas Ysios im spanischen Rioja sehen kann.
Klar, Wein sieht überall fast gleich aus. Aber die Häuser, in denen der Wein zu dem wird, was er ist, kann man beliebig gestalten.
Das dachten sich auch die Macher des jungen spanischen Weinguts Antiguas Viñas de Rioja im Ebro-Tal. Quasi gleich ums Eck bei Ysios.
Der Betrieb wurde erst 2005 gegründet und kann nicht mit alter Familientradition aufwarten. Allerdings haben die Rebstöcke immerhin bis zu 35 Jahre auf dem knorrigen Buckel.
In den schicken Lagerräumen ruht unter anderem auch jede Menge Tempranillo, von dem ich eine Flasche aufgemacht und verkostet habe. Zum meinem größten Wohlgefallen. Aber dazu gleich mehr.
Der Begriff Tempranillo stammt vermutlich vom spanischen Wort temprano, was auf Deutsch „früh“ heißt.
Tatsächlich reift der Tempranillo viel früher als die im Rioja meistverbreitete Rebsorte Garnacha. Tempranillo-Weine sind meistens sehr dunkel und schmecken beerig und leicht würzig, oft von Aromen dunkler Schokolade begleitet.
Reinsortigen Tempranillo-Wein gibt es nicht so häufig. Er ist tanninreich und weist wenig Säure auf. Weshalb Tempranillo gerne mit Garnacha (bringt Kraft und Alkohol) und Marzuelo = Carignan (bringt Säurebiss) in einer Cuvée verschnitten wird.
Die Neugierde steigt – was kann mein reiner Tempranillo also?
Das werde ich gleich schmecken. Erst mal ins Glas geschnüffelt.
In der Nase Hagebuttentee, Kamille, nasser Karton und ein bisschen heißes Gummi. Das muss kein Weinfehler sein!
Und siehe da, nach wenigen Sekunden öffnet sich der Wein. Kein Gummi mehr da, alles riecht plötzlich viel harmonischer.
Im Mund überrascht mich eine deutliche, elegante Edelbitternote. Und Kraft, trotz geringer 13,5 Volumenprozent Alk. Dann Mandeln, rote Beeren und eine gut strukturierende Säure.
Ja, der Hacienda Calavia kommt daher wie ein klassischer Rioja und schmeckt ungemein einladend. Kein komplexer Anspruchswein sondern eher der Kumpeltyp. Aber grundehrlich und kein Schmeichler!
Zum Essen empfehle ich würzige Tapas, eingelegte Paprika und dergleichen buntes Zeug. Dieser Universalwein ist wie eine starke Burg gegen alles, was mit Wein sonst eher problematisch schmeckt.