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Riesling fett: Singerriedel

Ein Monument.
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Unser Weintester Clemens Maria Mally besucht die Lage Singerriedel in der Wachau und tischt uns seinen Lieblingswein von dort auf. Einen richtig fetten Riesling von Franz Hirtzberger.
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Ich weiß, hier am Schiff wird oft und gerne über deutsche Riesling geschrieben. Jaja, gut so. Ich mag deutschen Riesling.

Manchmal machen sich jedoch andere Bedürfnisse in mir breit. Besonders wenn es kalt ist. Dann steigt die Lust auf fette Brummer. Weine, wie man sie im Moment aus dem Elsass oder der österreichischen Wachau kennt. Rieslinge, die mindestens so gut wärmen, wie eine Kuschelorgie mit dicken Mädels.

So ein Wein ist Franz Hirtzbergers Riesling aus der Lage Singerriedel. Ein österreichischer Topweißwein aus der Wachau mit unglaublichem Reifepotenzial und ein Kultobjekt, das bei Vertikalverkostungen regelmäßig Leute aus nah und fern dazu bewegt, größere Geldsummen und einige hundert Kilometer Autofahrt in ein paar Probeschlückchen zu investieren. Der Wein ist es wert.

Ich feierte neulich mit einem ganzen Haufen Großflaschen von diesem Riesling Smaragd.

Smaragd nennt man die körperreichsten und edelsten trockenen Weißweine der Wachau. Ich folgte also der Einladung zu einer Singerriedel-Degustation des weinverrückten Linzer Gastronomen Günter Hager, der in seinem Lokal namens Josef Weinfreaks bedient.

Vernarrt in österreichischen Wein entwickelte er sich in den letzten Jahren immer mehr zu einem Botschafter der österreichischen Weinkultur. Und das im Herzen Österreichs. In seiner Schatzkammer finden sich Weine heimischer Spitzenwinzer in einer unglaublichen Jahrgangstiefe. Wer österreichische Lagen- und Topweine aus verschiedenen Jahren vergleichen möchte, der ist bei Günter Hager am richtigen Ort. Die moderat kalkulierten Weinpreise tun dafür ihr übriges, ebenso die Küche.

Günter Hager öffnete also 20 verschiedene rare Jahrgänge Singerriedel. Ich nutzte diese Einladung, um mir selbst ein paar Fragen über diesen Kultwein zu beantworten.

Wie ist sein Wesen, sein Charakter?

Der Singerriedel zeichnet sich durch extrem hohe Reife aus, denn der Erntezeitpunkt wird bis zum spätest möglichen Termin hinausgezögert. Diese Tatsache spiegelt sich auch im Aromenprofil des Weins wieder.

Ein Singerriedel schmeckt exotisch, fast tropisch. Er bringt wegen der forcierten und gesunden Überreife der Trauben auch immer einen nachvollziehbaren Honigduft ins Glas. Diese Geschmacksnuance stammt vom Botrytisbefall der Trauben.

Botrytis ist eine Edelfäulnis, die der Traube Wasser entzieht und den Zucker in ihr konzentriert. Sie geht in feuchten, warmen Jahren mit einer langen Vegetationszeit einher.

Die Lage Singerriedel liegt in Spitz an der Donau. Ihr Untergrund besteht aus Urgesteinsverwitterungsböden wie Gneis und Glimmerschiefer, wie so oft in der Wachau. Dazwischen findet man immer wieder Erz, was ganz typisch für Spitz ist. Dort baute man bis nach dem Zweiten Weltkrieg Eisen ab. Der Name der Lage Atzberg zeugt noch heute davon.

Armin Diel: Meine Wachau

Festlicher Donau-Veltliner

Genug herumgesülzt, heben wir die Gläser.

Keine Sorge, ich werde keinen der Matrosen mit 20 aufeinanderfolgenden Weinbeschreibungen langweilen. Mehrere Winzer bauen auf dieser Lage an. Ich werde mich nur auf einen einzigen Wein beschränken.

Aber einen Appell muss ich vorher noch loswerden: Trinkt eure Singerriedel nicht zu jung. Dann schmecken sie noch vordergründig wie eine unruhige, laute Fruchtbombe. Langweilig.

Diese Primärfruchtigkeit legen die Weine nach 6 bis 7 Jahren ab, erwachen sozusagen aus ihrem Dornröschenschlaf, um dann über Jahrzehnte abzurocken.

Und mein Lieblingssingerriedel?

Abgesehen von ein paar Uraltweinen wie 1990 und 1994 offenbarte sich für mich der 2005er Riesling Smaragd Singerriedel von Franz Hirtzberger als ganz großes Meisterwerk.

Ich sage, es sind die kühlen Jahrgänge, die der üppigen Handschrift der Hirtzbergers noch mehr Schliff verleihen und ihre Extremtropfen etwas zügeln. Weine von solchem Format machen mich persönlich ungemein an. Wie eben dieser 2005er.

Er offenbart sich gelb, mit goldenen Tendenzen und legt eine Spannung an den Tag, die so widersprüchig wie erotisch schmeckt. Der reifen Nase zum Trotz, die an Kokos, Vanille, Blüten, Ananas und Leindotter erinnert, fließt er mit seiner herrlichen Säure wie eine Rasierklinge durch den Rachen. Ein Wein, so extrem wie ein Basejump.

An den Gaumen hängt er sich mit seiner pudrigen Mineralik wie eine Haftcreme an die dritten Zähne und ruft einem genau dort noch einmal Veilchen und frische Weingartenpfirsiche, wie wir sie zuletzt im Sommer vom Baum naschten, in Erinnerung. Und das nicht nur vorübergehend sondern wirklich lang.

Einen so schönen Trip wie ich ihn nach einer Flasche Singerriedel 2005 erlebte, hatte Jimi Hendrix mit seinen Drogen wahrscheinlich nie. Er hätte Riesling saufen sollen, wahrscheinlich stünde er dann noch heute auf der Bühne.

 

Datum: 16.2.2018
 

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