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Die deutschen Wein- Gourmetzeitschriften verlieren Leser. Immer mehr Menschen informieren sich über Wein im Internet und bestellen ihn auch gleich dort. Captains Lotse Rainer Balcerowiak über Leserschwund, Wein und neue Medien.
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Jahrelang erlebte die Branche einen gewissen Boom. Doch jetzt ist offenbar der Lack ab. Die etablierten deutschen Wein- und Gourmetzeitungen verlieren rasant Leser. Feinschmecker, Vinum, Weinwelt und Selection mussten binnen eines Jahres sowohl bei den Abonnenten als auch beim Kioskverkauf kräftig Federn lassen, wie aus den aktuellen Zahlen des für die Reichweitenprüfung zuständigen Branchendienstes IVW hervorgeht. Branchenprimus Der Feinschmecker hat demnach seit 2007 27,8 Prozent seiner Abonnenten und 31,6 Prozent seiner Kioskkäufer verloren. Insgesamt sind das fast 20.000 Leser binnen fünf Jahren.

Damit stehen die Gourmetmedien wahrlich nicht alleine. Viele gedruckte Fach- und Spartenmagazine leiden in der Regel an einer Art demografischem Leserschwund. Nachwuchsleser sind für derartige Blätter kaum in Sicht. Informationen holt man sich heute aus dem Internet, wo man zudem über die Inhalte kommunizieren kann.

Elitäres Getue der Genussmagazine

Zudem wirken das elitäre Getue und die gestelzte Sprache in vielen Genussmagazinen nur noch als trauriges Relikt eines vergangenen Medienzeitalters. Dazu kommt die oftmals unübersehbare Grauzone zwischen Journalismus und PR.

Das soll nicht heißen, dass die schöne neue Webwelt per se eine bessere ist. Egal ob Wein, Weltverschwörungen oder schlichter Betrug: Noch nie in der Menschheitsgeschichte war es so einfach, auch den allergrößten Wahnsinn um den Planeten zu jagen. Kein vernünftiger Mensch fordert Zensur, aber das Bewahren journalistischer oder ganz allgemein zivilisatorischer Standards ist in diesem virtuellen Umfeld ist eine kaum lösbare Aufgabe.

Bleiben wir beim Wein. Der Captain und die Crew segeln im Netz relativ gelassen hart am Wind. Hier haben Sensorikprofis genauso ihren Platz wie weit gereiste Marktkundige und sprachmächtige Geschichtenerzähler. Was uns eint, ist die Liebe zum schönsten Getränk der Welt und der Wunsch, diese Liebe mit möglichst vielen Gleichgesinnten zu teilen. Da fliegen manchmal auch die Fetzen, wie die Kommentarseiten bisweilen anschaulich demonstrieren.

Doch hier muss keiner Angst haben, dass gleich ein paar überlebenswichtige Anzeigenkunden und eine Kompanie Abonnenten einen schlanken Fuß machen, wenn ihnen mal was nicht passt. Und so was kann tatsächlich nur im Netz funktionieren.

Immer mehr bestellen Wein im Netz

Dazu kommt ein weiterer Faktor. Immer mehr Menschen bestellen auch ihren Wein im Internet. Da bietet ein Link zum entsprechenden Webshop des Winzers, Importeurs oder Vertreibers bei jeder Weinbesprechung natürlich einen Service, den kein Hochglanzmagazin bieten kann.

Doch auch das hat ein paar Nachteile. Die scheinbar unbegrenzte Verfügbarkeit von allem kann auch eine Nivellierung befördern. Wer als Winzer noch nicht in der globalisierten Netzwelt angekommen ist und für seine möglicherweise sehr speziellen Weine auch keinen Importeur für den umkämpften deutschen Markt hat, kann unverdientermaßen dauerhaft im Abseits bleiben. Zumal es engagierte, meist kleine Weinhändler, die auf den Direktimport solcher meist persönlich entdeckten Perlen setzen, im Internetzeitalter auch nicht gerade leichter haben.

Wer z.B. den großartigen Luminense Rouge 2009 von den Caves de lumieres im südfranzösischen Ort Goult probieren möchte, kann natürlich mal eben vorbeifahren oder ihn für 12,50 Euro pro Flasche bei dem Betrieb im Internet ordern – sofern er bereit ist, 29 Euro Versandkosten für eine 12er-Kiste in Kauf zu nehmen.

Ein tiefer, schwerer, beeriger Traum aus Grenache und Syrah wird da offeriert. Der Ausbau in neuer französischer Eiche gibt ihm Struktur, aber keinen vordergründigen Holzgeschmack. Im Gegenteil: Die Vanille aus dem Eichenfass paart sich auf das Trefflichste mit dem Aroma der feinen süßen Rosinen, das diesen – natürlich konsequent trockenen – Wein prägt.

Ein Schuss Rumpunsch

Und da ist noch einiges mehr: süße Mandeln, ein wenig Sauerkirsche, Erdiges, ein Schuss Rumpunsch, Kräuternoten und nicht zuletzt eine feine, spielerische Säure. Mit der Zeit werden die Tannine noch etwas weicher werden, doch schon jetzt ist er mit großem Genuss zu trinken. Für die oft unterschätzte Appellation Ventoux ist er jedenfalls ein schillernder Botschafter.

Wie gesagt: Das Internet hilft beim Bestellen dieses großartigen Weines nur begrenzt. Berliner haben allerdings Glück. Der Luminense 2009 von den Caves de Lumieres ist für 13,50 pro Flasche bei pèbre d’ai in Berlin-Schöneberg erhältlich. (Akazienstr. 12). Und auch dieser kleine, auf südfranzösische Spezialitäten fokussierte Laden hat ganz andere Sorgen, als sich um eine angemessene Internetpräsenz zu bemühen.

  • Luminense 2009 von Caves de Lumieres für 16,50 Euro.
 

Datum: 15.2.2012 (Update 1.12.2014)
 

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