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Der gelbe Musketier

Bist du ein Süßer? Nein!
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Unser Weintester Christian Ortner entdeckt einen alten Bekannten wieder, der lange geächtet war und sich in letzter Zeit zum Sommertrend entwickelt - den Gelben Muskateller. Zu viel Duft des Guten?
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Ich arbeite in der Gastronomie. Das heißt arbeiten an vorderster Front. Dadurch erlebe ich aus erster Hand, welche Weine meine Kunden zur Zeit bevorzugen. Und daraus kann ich Rückschlüsse ziehen.

Denn auch bei Wein gilt, was für Mode, Musik und Kunst die Regel ist: Trends kommen – Trends gehen.

Bei mir in Österreich verkauft sich der Grüne Veltliner wie von selbst. Gefolgt vom Sauvignon Blanc.

Jedoch erstaunlich ist in letzter Zeit das Comeback einer Aromasorte, die vor allem bei der älteren Generation oftmals Gruseln auslöst – der Gelbe Muskateller. Als Aperitif ist diese klassische Bouquet-Rebsorte wie geschaffen, aber viele trinken ihn gleich zur Vorspeise weiter. Und damit liegt man richtig, denn gerade zu Salat passt der Gelbe Muskateller ziemlich gut und kommt mit vielen Dressings zurecht.

Besonders beliebt sind die Vorreiter der leichten, spritzig und trocken Abteilung, die steirischen Vertreter. Mir sind die allerdings zu dünn und leer am Gaumen, obwohl sie alle gut und animierend duften.

Meine Lieblinge kommen aus dem nördlichen Burgenland oder Niederösterreich. Die liegen zwar nicht höher im Alkoholgehalt, aber schmecken doch gehaltvoller und weiniger als die steirischen Vorreiter.

Der letzte große Muskateller

Seit kurzem gibt es einen weiteren Liebling in meiner persönlichen Liste. Einen Gelben Muskateller aus Deutschland vom Weingut Ökonomierat Rebholz in der Pfalz.

Was für ein vorsintflutlicher Name, der mich irgendwie an alte Heinz Rühmann-Filme erinnert.

Es mag stimmen, dass Riesling die wichtigste Rebsorte Deutschlands ist. Auch Silvaner darf man nicht außer acht lassen. Weissburgunder und Pinot Noir sind Klasse. Aber im Nischenprogramm tummeln sich seit langem auch solche Individualisten wie der Gelbe Muskateller. Mal angesagt, dann wieder out. Jetzt wieder im Kommen.

Es war nicht mein erster Gelber Muskateller vom Ökonomierat Rebholz. Aber es ist sicher der erstaunlichste. Warum? Er enthält nicht mal 11 Volumenprozent Alkohol, hat im Glas einen zurückhaltenden, würzig-gemüsigen Duft. Dann eingelegter Spargel, Zuckererbsenschoten. Und in Olivenöl geschmorte Artischockenböden. Erst nach und nach kommt etwas Frucht im Duft durch. Zarter Schlehdorn, ein klein wenig Litschi, allesamt sehr warm und tiefgründig.

Die echte Überraschung dann am Gaumen – frische, sehr lebendige Säure. Wahrlich einschneidend schon beim ersten Schluck. Dann folgt eine sehr feinfühlige Andeutung von Substanz und ein Extrakt, das sich mit zunehmender Temperatur wohlig im Mund ausbreitet.

Ich bin mir nicht sicher, woher dieser herrlich lange Abgang kommt. Ich denke, es stehen einige Gramm Restzucker dahinter, die sich zuerst hinter der Säure verstecken und dann den Abgang richtig nachhaltig untermauern. Für mich ist es ein Rätsel, wie das bei so wenig Alkoholgehalt funktionieren kann. Denn Alkohol ist beim Wein auch ein wichtiger Geschmacksträger.

Mir kann das als Überseegestählter aber egal sein – solange es schmeckt, oder?

Vorzüglich war Tage später die zweite getrunkene Flasche draußen bei herrlichen 37 Grad Hitze zu einem Rucola-Salat mit geschmolzenem Scamorza (geräuchert) und frischem Joghurt-Walnussbrot. Ein traumhafter Abschluss des Tages.

 

Datum: 22.3.2018