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Wie gut kennt ihr den Neusiedlersee?

Seewinzer Hannes Reh.
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Weintester Thomas C. Golenia wundert sich, wie unbekannt der Neusiedlersee unter Deutschlands Weintrinkern ist. Dabei ist er für die Weinwelt sehr wichtig.
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Der deutsche Weintrinker hat den Neusiedler See als Wiege der österreichischen Rotweinkultur nicht auf dem Schirm. Denn er hat österreichischen Rotwein gar nicht auf dem Schirm. OK, den Zweigelt schon. Das bisschen Ruhm muss man dieser Rebsorte schon lassen.

Allerdings wird der Zweigelt als austauschbare Marke denn als ein Produkt einer bestimmten Region Österreichs wahrgenommen. Nur lecker soll er sein, kirschfruchtig. Ob aus dem Kamptal, Wagram oder Weinviertel – woher der Zweigelt kommt, ist vielen oft egal.

  • Lest hier hurtig in unserem Lexikon, was diese Rebsorte auszeichnet: Zweigelt

Wenn die Stichwörter „Österreich“ und „See“ fallen und dann vom Neusiedlersee die Rede ist, muss man einiges klären.

Da denkt man in weiten Teilen Deutschlands gleich an das Urlaubsland Österreich, also hohe Berge. Und beim See gleich an eine Art Wolfgangsee mit glasklarem Wasser. Und beide Klischees laufen beim Neusiedler See gründlich ins Leere. Denn alpine Berge und klares Wasser sucht man bei diesem merkwürdige See an Österreichs östlichster Spitze vergeblich. Der Neusiedler See widerspricht allen Stereotypen über das Urlaubsland Österreich.

Es ist einer der letzten Steppenseen Europas. Im Durchschnitt nur einen Meter tief, mit trübbraunem Wasser und einem kilometerbreiten Schilfgürtel drumherum. Dies klingt eher nach hässlichem Entlein. Aber genau das macht seinen ganz besonderen Reiz aus, wenn man zum ersten Mal dort am Ufer steht und den Blick schweifen lässt. Nun zum Wein, wir sind ja nicht zum Vergnügen hier.

Der See und sein Umland steht nicht nur für einen beträchtlichen Teil des österreichischen Rotweinanbaus, sondern er ist auch die Keimzelle für dessen Erfolg. Hier begannen ambitionierte Winzer in den 1980er-Jahren die Weichen zu stellen, um den österreichischen Rotwein international konkurrenzfähig zu machen. Ernst Triebaumers legendärer Rotwein Mariental (erster Jahrgang: 1986) oder Prielers Goldberg sind Namen, die im Rückblick immer wieder genannt werden müssen, um die Anfänge des österreichischen Rotweinwunders greifbar zu machen.

Lest hier unsere Weinbesprechung über den Marientaler von Triebaumer:

Ich stelle euch zwischen den Zeilen dieses Artikels noch ein paar weitere sehr empfehlenswerte Referenzweine der Weinregion Neusiedlersee vor. Alle von mir oder den Kollegen getestet. Nur damit ihr Bescheid wisst. Zurück zum See. Der Fertő-tó, wie er im Ungarischen genannt wird, misst eine Länge von 36 km und schwankt in der Breite zwischen 4 und 8 Kilometern.

Zu einem Fünftel gehört er im Süden zum Staatsgebiet Ungarns. Auf österreichischer Seite gibt es zwei Weinbauregionen. Im Westen das Neusiedlersee-Hügelland und im Osten den Neusiedler See. Nimmt man noch die ungarische Weinbauregion Sopron mit 1.600 Hektar Rebfläche hinzu, die ja immer historisch ganz eng mit dem österreichischen Teil verwoben war, kommt man auf knapp 12.900 Hektar Weinanbaufläche. Nicht wenig!

Der Neusiedler See und dessen Eigenarten begünstigen den Anbau von Rotwein.

Klimatisch ist es sehr pannonisch geprägt. Das heißt, es ist warm und niederschlagsarm. Hier drücken die warmen Luftmassen aus der ungarischen Tiefebene zum See, nur am Weiterkommen gehindert durch das Leithagebirge im Westen. Im Frühling blüht es mit rund zwei Wochen Vorsprung gegenüber anderen Regionen Österreichs. Und die auf das Klima regulativ einwirkende große Wasserfläche zögert dort den kühlen Herbst um einige Zeit hinaus.

All diese Faktoren wirken sich positiv auf Reifezeit und Aromatik der Trauben aus.

Rote Rebsorten wie Blaufränkisch und der geliebte Zweigelt sind am Neusiedlersee am häufigsten zu finden. Besonders auf Blaufränkisch legt man all sein Herzblut.

Lest hier unsere Weinbesprechung des Blaufränkisch Hochäcker von Franz und Martina Weninger, die als Rotweinpioniere vom Neusiedlersee gelten:

Der Blaufränkisch ergibt auf den Flachlagen saftige und dichtere Weine, während er im Westen am Leithagebirge eher tanninreiche, sehr mineralische Weine hervorbringt.

Ebenfalls überdurchschnittlich oft stehen hier die klassischen internationalen Sorten wie Cabernet Sauvignon, Merlot und Syrah. Sie werden gern mit heimischen Rebsorten als Cuvéepartner verschnitten.

Aber auch weiße Sorten gedeihen hier gut. Einer der angesehensten Winzer der Region ist Heinz Velich und sein Chardonnay Darscho ist Legende:

Eine besondere Erwähnung wert ist der Ruster Ausbruch. Nahezu unkaputtbar in der Haltbarkeit, ergibt dieser mit dem Edelschimmel Botrytis gelesene Wein eine dichte, edelsüße Spezialität, die sich international locker mit ähnlichen Süßweinen wie Sauternes, Tokajer und Eiswein messen kann.

Nur mickrige vierzig Kilometer sind es von Wien bis an den See. Da lässt die nächste marketinggerechte Bezeichnung nicht lang auf sich warten: Das „Meer der Wiener“ musste ich auf irgendwelchen Broschüren lesen. Mir das ist zu viel Pathos, enthält aber bei näherer Betrachtung durchaus einen Hauch von Wahrheit. Ins Auto setzen und stundenweise entspannen ist in greifbarer Nähe.

Es gibt sogar einzelne Wiener, die gleich ihren ganzen Weinkeller in ein angemietetes Presshäuschen einer Kellergasse verlegt haben. Da haben sie ihre gesammelten Schätzchen gleich vor Ort. Das hat Stil – gewisse Bonität natürlich vorausgesetzt.

Ich wünsche allen Burgenländern und Wienern, dass sie noch lange Freude an ihrem Neusiedler See haben werden. Denn einer Studie zur Folge wird der See bis 2050 endgültig austrocknen. Zeit genug, um ihn zu besuchen, liebe deutschen Urlauber. Es müssen nicht immer die Berge sein.

Was tut sich beim Wein aus Österreich?

 

Datum: 9.8.2020 (Update 20.9.2020)
 

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