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Es riecht nach Winter

Spürst du das auch, John Snow?
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Unser Weintester Felix Eschenauer fand an der Mosel eine Art Fallobst, das man unmöglich am Wegesrand liegen lassen darf: Köstlichen Riesling Kabinett.
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Thörnich an der Mosel ist einer der Orte, die zwar mit einer grandiosen Lage gesegnet sind aber in der Weinwelt so gut wie keine Rolle spielen.

Das war nicht immer so. Die beste Lage heißt Ritsch, der Name leitet sich von Rutsche ab.

Ob damit auf die Instabilität des Bodens gemeint ist, der aus grobem Schiefergeröll besteht und mit jedem Tritt in Bewegung gerät, oder auf die Gefährdung der Winzer angespielt wird, ist nicht klar. Beide Erklärungen haben ihre Berechtigung.

Der Weinberg ist ungeheuer steil und liegt als schmales Band von Felsen eingerahmt. Viele kleine Terrassen gliedern ihn. Die Lage und der brüchige Schiefer machen eine Flurbereinigung und die Anlage von Wegen so gut wie unmöglich.

Schon allein deshalb ist das Interesse der ansässigen Winzer an dem Weinberg eher gering. Wer hier bleibt, kann nicht anders oder hat den Atem und den Willen, große Weine zu erzeugen.

Denn der Ruf, den die Weine aus der Ritsch im 19. und noch in der Mitte des 20. Jahrhunderts hatten – Adenauer hatte 1953er Ritsch im Gepäck, als er in Moskau um die Heimkehr der letzten Kriegsgefangenen feilschen musste – kommt nicht von ungefähr.

Probiert man 30, 40 Jahre alte Auslesen aus dieser Lage, zeigt sich eine ganz besonders ausgereifte Säure, die in ihrer Jugend ungewohnt ruppig geschmeckt haben muss. Und die Ritsch gibt den Weinen eine saftige Apfelfrucht von unverfälschten Sorten mit: Holzapfel, Boskoop, Gravensteiner. Die leicht mehlige, immer rotfruchtige Art alter Äpfel ist für mich ein Leitaroma von hier.

Einen besonders spannenden Wein aus der Ritsch erzeugt Winzer Thomas Ludwig.

Für den dezent restsüßen, rassigen Riesling-Kabinett gibt es einige Referenzweine: Joh. Jos. Prüms Sonnenuhr, Christoffel Jr.s Würzgarten, Schmitt-Wagners Maximiner Herrenberg.

Allen gemein ist, dass sie auf wohltuende Art altmodisch schmecken und eine ungeheure Aromatik bei vergleichsweise niedrigem Alkohol transportieren.

Doch dieser Typ ist infolge der immer wärmeren Jahrgänge selten geworden. Meistens sind die Trauben zu reif und die Winzer müssen zu viel Restzucker stehen lassen, um wenigsten den Alkohol niedrig zu halten. Dabei geht das herbe, animierende, süffige des Kabinetts verloren. Was man bekommt, sind extrem preiswerte Spät- und Auslesen. So schmecken die Weine dann abschließend nämlich.

Thomas Ludwig macht einen Kabinett, wie er im Bilderbuch steht.

„Ihr trinkt euren Riesling zu früh!“

Alles klar am Mittelrhein

Irene Söngen: keine Frage der Technik.

Die Nase ist offen, würzig und wild. Da sind der graue Schiefer im Weinberg nach dem Regenguss und die hefige Würze des Kellers. Eine Spur altes Holz und Noten vom warmen Apfel und Aprikose. Und etwas Schwefel kommt auch noch durch. Das gehört dazu und wenn man sich zusammenreißt, die Flasche nicht an einem Abend austrinkt, ist der kleine Stinker am nächsten Tag völlig verschwunden.

Im Mund ist die Ritsch sehr saftig, das berühmte „Maul voll“. Und er zeigt den Boskoop-Apfel.

Herbes Fruchtfleisch, Säure und ein feiner, kleiner Kick Süße hinten raus. Mehr als rassig, eine Spur grün, aber genau richtig, um zu erfrischen. Auch im Winter.

Einen Brotzeitwein hat Ludwig hier gemacht. Zu geräuchertem Schinken, Blut- und Leberwurst. Sogar Cornichons hält der Wein aus. Und wenn man genau hinschmeckt, zeigt die Ritsch auch einen Hauch malziger Süße, wie man sie von der dunklen Kruste eines Holzofenbrots kennt.

Rechnet eine Flasche pro Person, die Ritsch trinkt sich wie kühles Brunnenwasser. Bei 9 Volumenprozent Alkohol bleiben Schmerzen am nächsten Tag übrigens aus.

 

Datum: 17.9.2017
 

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