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Ex Vero: die andere Steiermark

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Captains Maat Clemens Mally auf der Suche nach der steirischen Wahrheit. Er findet Ewald Tscheppe und drei Weißweine, die man wie Rote trinken muss.
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Denkt man an steirischen Wein, so hat man wahrscheinlich alles andere als intellektuelle Genüsse im Kopf. Wein muss ja auch nicht zwingend intellektuell sein. Aber Vordenker, Außenseiter, Quereinsteiger und Wahnsinnige braucht jede Weinregion, wenn sie als bedeutend gelten will. Man kann von den Amphorenweinen eines Josko Gravner halten, was man will, doch Gravner hat dem Collio und dem Karst eine zweite Prägung gegeben. Ein solcher Winzer fehlt der Steiermark, die mit dem Potential der Neunziger Jahre gut zurechtkommt.

Und dann gibt es Ewald Tscheppe. Tscheppe hat den elterlichen Betrieb 2004 übernommen und gleich auf biodynamische Anbauweise nach Demeter umgestellt. Er setzt auf Spontanvergärung und verzichtet auf diverse Schönungen. 2004 gehörte Tscheppe damit noch zu einer belächelten Minderheit, 2011 ist diese Art Berufsethos auf einmal schwer angesagt. So schnell ändern sich die Zeiten.

Die Philosophie Tscheppes in his own words: „So zu produzieren und leben, dass es den Menschen dienlich und zuträglich ist, dass es der Natur dienlich und zuträglich ist und dass es mir selbst dienlich und zuträglich ist. Nach diesen Gesichtspunkten ist es sehr einfach, nachhaltig zu arbeiten.“

Stillstand und ungenütztes Potential

So sehr ich die Steiermark für ihren Stillstand kritisiere, so wenig zweifle ich an ihrem großen Potential. Wirft man einen Blick auf die wunderschönen Panoramafotos der Werlitsch-Homepage (Werlitsch ist das Weingut von Ewald Tscheppe) so wird einem klar, wie unglaublich fruchtbar dieses Land ist. Kostet man Wein aus der Steiermark, auch Wein mit Rang und Namen, so ist das nicht augenblicklich ersichtlich. Beim ersten Schluck eines Weines aus Tscheppes „Ex Vero“ Serie (lat: aus dem Wahrhaftigen) wird jedoch alles selbstverständlich.

Die Trauben für Tscheppes „kleinen“ Wein „Ex Vero I“ wachsen in den flacheren Regionen des Weinguts. Es handelt sich dabei um eine Cuvée aus Sauvignon Blanc, Morillon (Chardonnay) und Welschriesling. Wie alle Ex Vero-Weine reift diese Cuvée zwei Jahre in kleinen und großen Holzfässern. Der Boden auf Werlitsch ist eine Kombination aus von Ton durchzogener Braunerde und Kalkmergel – umgangssprachlich Opok genannt.

Der Kleine und die beiden Großen

Die Steigerung ist der „Ex Vero II“. Eine Cuvée aus Sauvignon und Morillon mit wechselnden Anteilen. Der 2005er (mehrheitlich Morillon) ist im Glas wunderschön mittelgelb, in der Nase rieche ich eindeutige Noten der Spontanvergärung. Der Wein erscheint am Anfang noch reduktiv und öffnet sich schnell mit viel Luft. Reife Bananen, kühles Feld, Zitrusfrüchte. Auf eine gewisse Art sehr französisch. Burgunder meets Loire.

Der Vero II ist niemals breit und grobschlächtig, davor bewahrt ihn die verlockende Säure. Deutlich spürbares Holz, allerdings kaum getoastet, sondern eher frisch geschnitten. Im Mund sehr straff . Ein großartiger, ungeschönter Weißwein für Jahrzehnte. Sehr druckvolles Finale bei nur 12 Prozent Alkohol.

Warm nachgeschenkt… (Foto: Christoph Liebentritt)

Der Ex Vero II aus dem Jahr 2006 ist floraler, das liegt am höheren Anteil von Sauvignon Blanc (etwa 70 %). Eine Sorte, die ganz andere Facetten mit sich bringt, wenn sie spontan vergoren wurde.

Auch hier wieder ein schönes Strohgelb. In der Nase sofort viel Mango. Und wieder dieses harzige, frische Holz. Mit etwas Luft sehr viel Nuss, vor allem Pistazien. Etwas leichter und verspielter als der 2005er. Was mich enorm beeindruckt ist, dass die Weine nicht nur mit Luft sondern auch mit steigender Temperatur dazugewinnen. Ich gehe sogar so weit, dass ich sage, man sollte Tscheppes Weißweine bei 14 Grad trinken, da die zarte aber tiefgründige Komplexität der Weine bei dieser Temperatur am besten zur Geltung kommt. 12,5 % Alkohol machen den Ex Vero II 2006 auch gut bekömmlich.

Der hedonistische Höhepunkt

Als Abschluss dann der hedonistische Höhepunkt des Sortiments: Der „Ex Vero III“ 2005 aus den steilsten und felsigsten Lagen des Weinguts. Auch hier dominiert zuerst das frische Holz die Nase. Sehr dicht verwobene, engmaschige Aromen, Erde und Zitrone mit enormer Mineralik. Sehr ätherisch, fast dickflüssig. Mit etwas Luft ein starkes Aroma nach frischen Kamillen, dann etwas Karamell und Butterkeks.

In seiner fast dramatischen Dichte bleibt der Wein immer noch leichtfüßig, tänzelnd, vibrierend. Groß, bekömmlich und absolutes Understatement. Enormes Potenzial, eine sehr französische Stilistik und wie alle drei Werlitsch-Tscheppe-Weine polarisierend trocken und ungeschönt köstlich. 12,5 % Alkohol sorgen auch nach dem Ex Vero III für einen klaren Kopf.

Verständnis und Zeit

Die Weißweine Tscheppes gehören mit Abstand zu den besten und faszinierendsten Weißweinen, die ich seit langer Zeit getrunken habe. Es sind große Weine, die Aufmerksamkeit, Verständnis und Zeit verdienen. Schlanke, zarte Rebsäfte, die uns zurück zu den Trinkweinen führen. Wie Weine schmeckten, bevor sie Verkostern gefallen mussten (und wollten). Unbedingt kaufen und lagern.

 

Datum: 22.3.2011 (Update 11.7.2016)
 

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