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Einfach spontan: Projekt 156

In Sauflaune (Fotos: Projekt 156)
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Nüchterner kann ein Wein nicht heißen: Projekt 156. Der Wein stammt aus einer kleinen Parzelle in der Lage Mertesdorfer Herrenberg an der Ruwer. Klein, das heißt: eine Lage, eine Rebsorte, ein Wein pro Jahr. In der altbewährten Tradition des Prädikatssystems. Wie der Jahrgang, so der Wein.

Das Projekt entstand aus einer Sauflaune heraus oder besser gesagt, aus einem Katerspaziergang. Eine Handvoll junger Önologen und solcher, die es werden wollten, drehte eine Runde nach durchzechter Nacht und sahen einen unbewirtschafteten Wingert. Gut in Schuss, die Reben im besten Alter, Riesling natürlich und nicht allzu weit entfernt vom Elternhaus.

Die Clique um Kai Hausen fasste spontanen einen Entschluss und wenig später war der Weinberg gepachtet. Den ersten Jahrgang (den 2003er) brachten sie noch nach Geisenheim, wo der Most unter widrigen Umständen und mit wenig Wissen in der Forschungsanstalt ausgebaut wurde. Mit fett Schwefel, um sicher zu gehen. Kein einfacher Jahrgang für den Einstieg, aber auch heute noch ein respektabler Wein.

Spannende Weine junger Winzer

Nach den ersten Erfolgen war klar: wir wollen weitermachen. Parallel zu Ausbildung und Studium sicher keine schlechte Entscheidung – mehr Praxis geht schließlich kaum. Und in den Händen junger Winzer, die gerne auf vieles verzichten, was sie in punkto Kellertechnik gelernt haben, entstand bisher in jedem Jahr ein spannender Wein.

Ausgebaut wird „156″, übrigens die Katasternummer der Parzelle, immer ähnlich. Geringe Maischestandzeit nach der Lese, spontane Vergärung im Immervoll-Edelstahltank, abziehen, so wenig pumpen und filtrieren wie möglich. Und vor allem: Ruhe, Zeit, Geduld. Abgefüllt wird immer erst kurz bevor der nächste Jahrgang in den Keller muss. Ein Luxus, den man sich erlauben kann, wenn der ökonomische Druck fehlt. Und der Chef.

Für „156“ muss man schnell sein

Ich hatte Glück und konnte noch ein paar Flaschen ergattern – der „156″ ist nämlich immer schnell ausverkauft, es lohnt sich aber, auf den 2010er zu lauern. Die 2007er Spätlese macht gerade eine etwas schwierige Phase durch, wie fast alle Weine aus diesem Jahr. Deshalb sollte man ihn momentan nur nach langem Belüften trinken. Aber da kommt Großes auf uns zu. Soviel ist sicher.

Die Nase zeigt einen feinen Vanilleton, nicht aufdringlich, eher wie eine aromatisierte Konfitüre. Gebackener Pfirsich und Mandelgebäck erinnern an das dicke Jahr. Aber der Wein hat auch etwas frisches, minziges. Der Wein wirkt auf den ersten Schluck recht rund und mollig – eine dicke Auslese. Der Gaumen ist eher rund als saftig. Die reife, aber kraftvolle Säure merkt man erst auf den zweiten Schluck. Er schlummert noch. Bitte erst in fünf, sechs Jahren wecken.

Richtig gute Ruwerwürze

Ganz anders, im besten Sinne jahrgangstypisch, der 2008er. Ein als feinherb etikettierter Kabinett, ein perfekter Darsteller dieser Rieslingspielart. Hier kommt die Ruwerwürze richtig gut rüber. Grüne Aromen, satte, gelbe Frucht, mundwässernde Säure. Ein Sauf- und Reparaturwein allererster Güte, der mit etwas Reife einen schönen Begleiter zum geräucherten Schinken abgeben dürfte. Jetzt trinken. Oder in drei Jahren, das schadet auch nichts.

Ein ernster, noch verschlossener Saft, ist die Spätlese aus 2009. Von fast monolithischer Erscheinung, sehr fest und dennoch balanciert. Noch fehlt das spielerische, animierende der feinen Ruwerweine. Vielleicht wird es auch nicht kommen. Trotzdem erinnert er schon jetzt an die besten Spätlesen von Maximin Grünhaus, wenngleich die Aromatik eine andere ist. Ein Bombenstoff reift hier heran und zeigt das Talent seiner Winzer.

Fast alle Beteiligten stehen heute bei renommierten Weingütern in Lohn und Brot. Und obwohl es vom „156“ immer zu wenig gibt, soll das Projekt als solches erhalten bleiben. Vielleicht wird man sogar noch etwas mehr an der Qualitätsschraube drehen können. Obwohl das kaum möglich scheint.

 

Datum: 15.6.2011 (Update 2.9.2014)
 

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