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Der rote Willi

Harte Jungs: Thomas (li.) und Frank Pfaffmann.
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Schon wieder ein Wein, der sich mit den Kollegen aus dem Bordelais messen will. Unser Weintester Patrick Hemminger fragt: Was ist nur in diese Pfälzer gefahren?
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Kurz nach der Geburt Wilhelm Wagecks im Jahr 1900 setzt der Niedergang ein.

Ein paar Jahre hält er sich noch in den Top-Ten, dann beginnt sein unaufhaltsamer Sturz in die bodenlose Bedeutungslosigkeit: Die Rede ist vom Vornamen Wilhelm.

Heutzutage hat der Name zumindest so etwas wie eine kleine Wiedergeburt.

Von seinem ehemaligen Spitzenplatz ist er zwar weit entfernt, er hält sich aber seit ein paar Jahren wacker unter den 500 beliebtesten Vornamen. Aktuell liegt er auf Platz 273 zwischen Tamme und Cedric. Naja, das mag daran liegen, dass trendige Vorbilder fehlen.

Wilhelm Conrad Röntgen, Wilhelm Tell oder Kaiser Wilhelm II. wären berühmte Träger des Namens. Die sind aber nicht wirklich angesagt.

Und noch einen gibt es, den fast jeder kennt, ohne es zu wissen. Das historische Vorbild des Hauptmann von Köpenick hieß Wilhelm Voigt. Der narrte im Jahr 1906 mit einer Hauptmannsuniform, die er beim Trödler gekauft hatte, einen Haufen Soldaten in Berlin und den Bürgermeister von Köpenick und machte damit die preußische Obrigkeit lächerlich.

Zurück aber zu unserem Wilhelm Wageck. Der gründete nämlich in jungen Jahren im Örtchen Bissersheim in der Nordpfalz ein Weingut. Seine Nachfahren Frank und Thomas Pfaffmann leiten es heute in der fünften Generation. Zu Ehren ihres Ur-ur-ur-Opas haben sie ihren roten Topwein auf den Namen Wilhelm getauft.

Bekannt ist das Weingut Wageck-Pfaffmann (das sich marketingmäßig auf den schlanken Namen Wageck runtergehungert hat) vor allem für Spätburgunder und Chardonnay.

Die alten Klone aus dem Burgund, die die Pfaffmanns pflanzten, gedeihen auf dem den kalkhaltigen Böden des Guts besonders gut. Aber die Brüder lieben eigentlich das Neue und das Experiment.

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Deshalb wachsen in einigen Weinbergen die Sorten Cabernet Sauvignon, Merlot, Cabernet Franc und Petit Verdot. Aus diesen vier machten sie zu je einem Viertel die Cuvée, die den Namen ihres Vorfahren trägt. Vorbild für diesen Tropfen sind die Weine aus der Gegend um Bordeaux. BDX-Cuvée steht groß auf dem Etikett. Das ist eine selbstbewusste Ansage.

Alle Rotweine der Pfaffmanns landen nach der Gärung auf der Maische (Gemisch aus Most, Beerenschalen und Kernen) im Holzfass. Der Wilhelm im 225 Liter-Barrique aus französischer Eiche. Dort bleibt er eineinhalb Jahre. Dann wird er in die Flasche gefüllt.

Das mit dem kleinen Holzfass ist wichtig, weil aus dieser traditionellen Praxis eine kleine Bewegung entstanden ist: das Barrique Forum Pfalz, in dem sich holzvernarrte Winzer zusammengetan haben.

Das Barrique Forum Pfalz ist so eine Art Fasslobby, die gegen das Gerücht antritt, dass Barriqueweine vordergründig nach Holzausbau schmecken. Das Gegenteil ist der Fall – wenn der Winzer sein Handwerk versteht. Sagt das Barrique Forum Pfalz.

Im Glas schimmert der Wilhelm rubinrot mit sehr zarten Anklängen von Granat. Ein erstes Zeichen des Alters. Und dann die Nase. Samtweich, voll und dabei sehr harmonisch. Etwas für Genießer. Brombeere und Heidelbeere steuern Frucht bei. Der Fassausbau bringt eine Gewürznote mit, die sich zeigen kann. Dunkle Schokolade, etwas schwarzer Pfeffer und Nelken lassen sich dabei von einer dezenten Süße begleiten.

Nehme ich den Wein in den Mund, ist mir als ob ich in eine üppige Kirsch-Schoko-Torte beiße. Sahnig-samtig-weich schmiegt sich dieser Tropfen an die Zunge und überfrachtet sie mit Aromen. Aber nach der ersten Geschmacksexplosion ist nicht Schluss. Zu Kirsche und Schokolade gesellen sich Kaffee, etwas Nelke und Zimt. Im nahezu endlos dauernden Abgang finden sich dann noch Spuren von süßlichem Pfeifentabak. Die 14,5 Volumenprozent Alkohol hinterlassen in der Speiseröhre und im Magen eine deutliche Wärme.

Mein Fazit? Der Wilhelm muss sich nicht hinter den Weinen aus dem Bordelais verbergen. Viele davon steckt er locker in die Tasche. Wer also die Tropfen aus der Gegend um Bordeaux mag, der sollte hier zugreifen, um mal etwas anderes und doch vergleichbares aus Deutschland im Glas zu haben.

Meine Essensempfehlung dazu: Rumpsteak mit Bratkartoffeln oder ein Entenbraten mit Rotkohl und Kartoffelklößen.

 

Datum: 14.4.2017 (Update 17.4.2017)
 

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