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Der müde Rote aus der Toskana

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Enttäuschung bei "Michele". Noch immer dominieren die widersprüchlichen Jahrgänge 2004 und 2005 die Weinkarten der Italiener in Deutschland. Der Captain sagt: das meiste von dem Zeug wird nicht mehr besser. Zeit, die Plörren wegzugießen.

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Es ist wie immer bei „Luigi“. Voll und lustig. Der Kellner kommt und empfiehlt einen Wein, einen Chianti. Einen „Classico“, ein Saft mit regionalem Prüfzeichen und Eingrenzung der Anbaufläche. Eine „Riserva“ noch dazu, von Felsina, einem exzellenten Weingut, also ein Konzentrat, das einige Zeit in kleinen oder größeren Holzfässern reifen durfte. Kostet auch zehn Euro mehr. Egal, heute will man sich etwas leisten. So ein teurer Wein ist ja sicher keine Plörre.

Doch dann die Enttäuschung. Der Wein riecht zwar gut („hat einen gute Nase“, wie die Verkoster sagen), doch schmeckt matt und leer. Ein Langeweiler für vierzig Euro. Wie kann das passieren?

Da ist auch der Kellner ratlos. Der Wein hat doch immer gut geschmeckt bisher. Das ist jetzt die erste Flasche der neuen Lieferung, vielleicht liegt es daran. Deswegen holt er eine zweite Flasche. Doch auch die zweite Flasche schmeckt schlecht. Eigenartig, oder?

Gar nicht eigenartig, denn der Kellner, oder Luigi selbst, der den Wein für das Restaurant eingekauft hat, hätte nur mal auf den Jahrgang schauen müssen: 2005, drei Horrormonate in der Toskana (mit Ausnahme Brunello). Ein schöner Sommer. Aber Regen im Herbst, Regen (August), Regen (September), Regen (Oktober), Regen ohne Ende.

Da hilft auch die schonende Verarbeitung und das Fass nicht mehr. Müde bleibt müde. Und wacht nicht mehr auf.

Diese Szene geschieht derzeit alltäglich in Deutschland, denn hochwertige Weine aus den milde gesagt sehr widersprüchlichen Jahren 2004 und 2005 dominieren gerade die Weinkarten aller italienischen Lokale des Landes. Und sogar jene der meisten Feinschmeckerrestaurants. Das ist nur möglich, weil in Deutschland keiner auf den Jahrgang schaut.

Natürlich: Viele Wetterkapriolen kann der Winzer heute durch den Einsatz moderner Technik im Keller wieder wettmachen, auch wenn dies umstritten bleibt. Weine, wie zB der Chainti Classico, verlieren dadurch aber zunehmend an Authentizität. Doch ein wirklich schlechter Jahrgang wird auch durch gute Kellertechnik nur mäßig besser.

Was also tun? Ganz einfach: Wie jeder Weintrinker in Frankreich oder Italien ein kleines Kärtchen mit aktuellen Jahrgangsbewertungen in der Brieftasche haben. Das gibt es im Scheckkartenformat. Da steht dann auch, dass man 2002 im Bordeaux nur durchschnittliche Weine keltern konnte. Dafür aber 2000, 2001 und 2005 sehr gute, teilweise sogar großartige. Und dass der 2006er in der Toskana wieder ein recht guter Jahrgang war. Und der 2008er in Deutschland und Österreich leider nicht überall.

Doch trotz solcher Jahrgangskärtchen rät der Captain zusätzlich zur Detailinformation. Denn eine zusammengefasste Bewertung dient immer nur dem ersten Überblick, in jeder Region gibt es auch in schlechten Jahren erfreuliche Ausnahmen (wie eben 2005 in der Toskana die Winzer der Region Brunello sehr gute Weine keltern konnten). Ein geschulter Sommelier oder Händler sollte diese Ausnahmen kennen und einkaufen. Erst dann hört die Lüge auf, dass in Italien jedes Jahr ein guter Wein in den Fässern liegt, nur weil dort an manchen Tagen die Sonne höllisch heiß vom Himmel brennt. Das ist Quatsch, wie vieles, das vom Wein berichtet wird. Weiß der Captain. Und sagt es auch.

 

Datum: 15.7.2009 (Update 20.7.2009)
 

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