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Ingenieurs-Wein aus Chile

Santiago Margozzini ist Önologe bei MontGras.
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Ein Rotwein aus chilenischer Massenproduktion zeigt, wie man mit intelligentem Holzausbau fruchtig-feinen Wein macht, der trotzdem warme Würze hat.
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Der Captain weilte im vergangenen Frühling in Chile (dort war Herbst) und trank reichlich Wein, der ihn unendlich traurig machte. Denn nur wenige Flaschen davon schaffen es nach Deutschland. Zu riskant für unsere Importeure!

Es waren Weine von andächtig machender Ausdruckskraft, Kühnheit und Eleganz. Herrliche Tropfen! Inbesondere aus der Rebsorte Carménère schaffen chilenische Winzer önologische Kunstwerke. Entsprechend sind diese Flaschen bepreist. Praktisch keine davon kostet im lokalen Handel unter 40 Euro.

Die Einheimischen (Chile ist im südamerikanischen Vergleich ein Wohlstandsland) schätzen ihre Weine und langen freudig zu. Der Export geht hauptsächlich in die anderen Länder des amerikanischen Kontinents.

Für den deutschen Markt sind diese Tropfen viel zu teuer. Denn Chile hat bei uns den Ruf, nicht mehr als sauber gemachte Massenware zu liefern. Für oberflächlich informierte Weinfreunde ist Chile No-go-Area. Was für ein Jammer.

Nur wenige dieser Weine, die es in unsere Regale schaffen, fallen angenehm auf. Einen davon stelle ich jetzt vor, weil er ein perfekter Partybegleiter ist, der vermutlich allen schmeckt. Egal, wie viel man von Wein versteht.

Keine zwei Autostunden von Chiles Hauptstadt Santiago entfernt liegt das große Weinbaugebiet Colchagua Valley, das wiederum zum 400 Kilometer langen Valle Central gehört. Dass hier überhaupt Wein wächst, ist dem Fluss Tinguiricia und moderner Bewässerungstechnologie zu verdanken. Denn wenige Meter jenseits der Ufer beginnt die Steppe.

Kalte Winde wehen vom Pazifik her, der rund 5o Kilometer westlich rauscht, und fächeln den von der glühenden Sonne arg gestressten Trauben Linderung zu. In der Nacht kühlt die Luft merklich ab. Generell ist der Boden sandig und durchlässig. Extreme Temperaturunterschiede, ein lockerer Boden und Wasser auf Bestellung – das ist ein Jackpot für jene Weinmacher, die sich hier niedergelassen haben und hauptsächlich rote Klassiker anbauen: Pinot Noir, Cabernet Sauvignon und Merlot.

Dazu gehört auch das Weingut Viña MontGras, das alles andere als ein Traditionsbetrieb ist. Die Kellerei wurde erst 1992 von Hérnan Gras gegründet und hat sich dem Ausbau preiswerter Weine verschrieben. Trotzdem gehört der Laden in punkto Qualität inzwischen zu den Toperzeugern des Landes.

Das wollte ich genauer wissen und ließ mir einen Wein von dort kommen, den MontGras Quatro aus den Rebsorten Cabernet Sauvignon (40%), Carmenère (25%), Syrah (25%) und 10% Malbec.

Die Trauben stammen zum Großteil aus Colchagua Valley. Allerdings wird auch ein kleiner Teil (nämlich 15%) aus dem uralten Anbaugebiet Maipo Valley bei Santiago herangeschafft, das sich von den Anden bis hinunter zum Meer hinzieht und mit Böden aus Kies und Sand ebenfalls traumhafte Anbaubedingungen bietet.

Alles schön und gut, aber jetzt noch ein liebevolles Detail, das angesichts der Preisgestaltung bei diesem Wein für Staunen sorgt: Der Quatro wird nach der Vergärung im Stahltank für 9 Monate in kleine und teure Eichenfässer zum Reifen gefüllt. Die überwiegende Mehrheit davon sind aus französischem Holz, ein kleiner Teil aus amerikanischer Eiche.

Warum tun die das? Nun, die Eichen aus Amerika haben eine andere Zellstruktur als ihre europäischen Geschwister. Sie sind großporiger und enthalten deutlich mehr Harze, was zweierlei bewirkt: Die an den Wein abgegebenen Aromen sind intensiver und durch die höhere Luft-Durchlässigkeit oxidiert der Wein in den Amerikafässern etwas schneller. Aber: Wiederum nur ein kleiner Teil dieser Fässer sind neu. Die älteren sind schon ausgelaugt und sondern kaum mehr Geschmacksstoffe ab.

Man gibt sich also einige Mühe, einen ausbalancierten Wein hinzubekommen. America first? Nein danke!

Mal schmecken, ob man das auch spürt.

In die Nase dringen Noten dunkler Beerenfrüchte, sehr konzentriert. Das ist eben Chile im günstigeren Preissegment. Es duftet schwer nach reifem Traubenmaterial, dezent Paprika (kommt vom Cabernet Sauvignon), etwas Süßlichkeit und Graphit.

Im Mund dasselbe nochmal. Schwarze Beeren, grüne Paprika, Schokolade, Cherry-Tabak, feinkörniges und mildes Tannin. Wie erwartet schmeckt man das Holz kaum, es gibt kein spürbares Toasting. Dadurch kommt die Frucht klarer raus und der Wein bleibt länger am Gaumen hängen.

Ich nenne diesen Tropfen einen perfekt ausbalancierten Ingenieurswein. Ja, ich hatte selten eine so präzise Industrie-Arbeit im Glas. Wer eine Party gibt und sichergehen will, dass sich alle freudig betrinken, kauft diesen Wein. Der verträgt kräftiges Essen: Lasagne oder Rinderroulade.

Übrigens, Weine wie den Quatro findet man im chilenischen Handel selbst so gut wie gar nicht. Die weniger teuren Flaschen sind für den Export konfektioniert. Chile ist mit knapp 5 Mio. Liter hinter Österreich die Nummer 7 der nach Deutschland exportierenden Weinnationen.

 

Datum: 18.1.2019
 

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