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Ist es dumm, Riesling aus USA zu trinken?

Geht unter die Haut.
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Unser Weintester Thomas C. Golenia wundert sich, warum man in Deutschland Riesling aus Übersee keine Chance geben will.
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Ich mache mir Gedanken über Sinn und Unsinn von Riesling aus Übersee. So einen Riesling aus der Ferne habe ich gestern Abend nämlich getrunken. Der hat mächtig Eindruck hinterlassen, sodass er mir einfach nicht aus dem Kopf gehen will (ähm, also gedanklich).

Gefunden habe ich diesen Riesling in einer Berliner Weinhandlung. Die Flasche stand weitab von allen deutschen Rieslingen im Regal ganz alleine rum.

Chateau Ste. Michelle ist der Name des Produzenten und der sitzt in den USA. Pazifikküste, Washington State, nicht weit entfernt von der Metropole Seattle. Ein großes und sehr engagiertes Weingut, wie ich höre. Man arbeitete dort mit renommierten Namen wie Antinori (!) und Ernst Loosen zusammen. Letzterer ist einer der bedeutendsten Rieslingmacher von der Mosel.

Das will schon was heißen, wenn Ernie Loosen sich bequemt, ausgerechnet Rieslinge in Übersee zu produzieren – zusammen mit Chateau Ste. Michelle. Loosen hat eigentlich genug hervorragenden Riesling vor der eigenen Tür. Und dennoch zieht es ihn in die Ferne.

Der Captain hat über diese Zusammenarbeit bereits berichtet und den Riesling Eroica vorgestellt:

Deutsch-amerikanische Freundschaft.

Ich erwartete zunächst nicht viel von einem Riesling aus Übersee. Da schwingt jetzt diese deutsche Überheblichkeit mit. „Warum Riesling von so weit nehmen, wenn wir selbst die Besten haben?“ So murmelt der Wein-Stammtisch. Und spricht einem Übersee-Riesling wie meinem von Ste. Michelle die Extistenzberechtigung ab. Noch besser wäre gleich ein Importverbot.

Ich will Antworten. Also Drehverschlusss auf und rein ins Glas.

Kräftige, gold-gelbe Farbe, die ich der leichten Reifung des Weines in der Flasche zuschreibe. Ich rieche einen reifen Riesling mit klassischer Petrolnote, die Riesling meist dann zeigt, wenn er mehre Jahre auf Flasche warten durfte. Ich finde diesen Petrolton wunderbar. Es ist eine Reife, auf die ich bei einheimischen Rieslingen meist deutlich länger warten muss. Time is cash.

Ansonsten wirkt der Übersee-Wein fein gemacht. Allerdings mit deutlich mehr Schmalz und Wumms.

Der Alkohol – Träger von Frucht und Saft – liegt bei mageren 12 Volumenprozent. Also kann dieses Schmalz nur von einem höheren Zuckergehalt kommen. Wie wahr: Dieser Riesling ist nicht trocken. Er ist feinherb, sprich restsüß!

Hätte ich diesen Umstand vorher gekannt, würde die Flasche noch im Regal stehen und auf einen anderen Käufer warten. Aber obwohl ich feinherb nicht besonders mag, komme ich mit diesem Riesling verdammt gut klar. Weil er damit seine Reifenoten einbinden kann. Was ihn enorm trinkfreudig macht.

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Dennoch stellt sich mir die Frage: Brauchen wir hier überhaupt Riesling, der von so weit hergekarrt wird und die Gewissenhaften unter uns mit verstörender Ökobilanz bedrängt? Wegen der langen Transportwege und so. Ein Pseudoargument. Denn was haben die Transportwege mit dem Wein zu tun? Richtig – nichts.

In Großbritannien beispielsweise ist der Riesling fest in australischer Hand. Deutschen Riesling findet man da in den unteren Regalen der Supermärkte. Dort, wo der pappig-süße Liebfrauenmilch steht und die Preise günstig sind. So mag der Brite seinen Riesling: Übersee = gut. Deutsch = billig. Ja, leider.

Ich bin dennoch für Riesling aus Übersee. Sollen sich doch auch andere Winzer in Übersee an dieser Traube versuchen und Großes zustande bringen. Diese Rebsorte ist so unterschiedlich interpretierbar. Und je mehr Variationen wir davon haben, desto besser. Davon kann der Riesling im Gesamten nur gewinnen.

 

Datum: 14.4.2018
 

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