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Bussi, Bussi, Du Dornfelder!

Dornfelder aus dem Harz. Eine echte Rarität - und richtig gut!
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Man weiß, der Captain hat eine Schwäche für feinen Stil, für Maßhemden und gutes Schuhwerk. Dass er Jogginghosen verachtet, weiß man seit kurzem. Gleichzeitig nennt er sich liebevoll Prolet. Das unterscheidet den Captain von Maat Küblbeck, der einem sorgsam geschliffenen Diamanten gleicht: gehobene Wortwahl, skalpellscharfe Bügelfalten, blitzblank poliertes Schuhwerk, teure Krawatten und manikürte Fingernägel. Immer äußerst bedacht auf Stil. Eine Dauermodenschau. Wir Düsseldorfer haben für so was Rosenmontag.

Stoppt diesen Stil-Faschismus!

Doch halt! Maat Golenia zieht die Notbremse. Er hält nichts von diesem Stil-Faschismus an Bord. Deshalb will er Kontrapunkte setzen. Er muss das tun, ansonsten würde das Schiff auf ewig mit neokonservativer Stilsicherheit kontaminiert. Wie grausam.

Dafür muss Maat Golenias Jogginghose herhalten. Denn auch die ist ein Statement. Ein Anti-Statement. Karl Lagerfeld weiß das nur zu gut.

Dienstschluss, Feierband: Jetzt wird mit Genugtuung die gemütliche Jogginghose angezogen und das Wolfgang-Petry-Holzfällerhemd gleich mit. Dazu Jesussandalen, die Maat Golenia sich aufwändig aus Israel hat schicken lassen. Ach, wie herrlich! Wie herrlich gemütlich! Wie herrlich daneben! Wie herrlich stillos!

Maat Küblbecks Augäpfel quillen hervor bei Golenias unterschichtigem Auftritt. Küblbecks Blick ist eine Mischung aus scharfer Verachtung und bemitleidender Verständnislosigkeit. Wie in den 60ern, als der Hut-Spießer kopfschüttelnd den schlabberigen 68ern auf dem Bürgersteig hinterherkeifte: „Nein, wie kann man nur!“

Wie provoziert man mit Wein?

Maat Golenia ist mit seiner Provo ganz zufrieden, denn: Statement gesetzt, Gegenpol aufgebaut, Ziel erreicht. Maat Küblbeck wird ihn mit seinem Dandytum niemals beeindrucken können, basta.

Fragt sich nur, welches Anti-Statement man weintechnisch an Bord setzen kann? Welcher Wein oder welche Rebe hat das Zeug dazu, den Weinfreunden schon beim Hören des Namens synchron alle Fußnägel hochklappen zu lassen?

Müller-Thurgau vielleicht? Nö, der kann unter gewissen Umständen sogar ganz passabel sein. Oder angesagte Sauvignon-Blanc-Katzenpisse? Hmm, ab und zu mag der Maat auch unsägliche Weintrends im Glas haben, so ist es ja nicht.

Das nächste Anti-Statement in Form einer Rebsorte, die bei vielen das pure Grauen auslöst, ist schnell gefunden: Dornfelder – Deutschlands ganzer Stolz was schlechten, billigen Massenrotwein angeht. Schon beim Ausspruch dieses Namens setzen in bundesdeutschen Weinrunden die Herzen der Trinker einige Schläge aus. Deshalb wird diese Sorte bei jeder anständigen Weinverkostung konsequent gemieden.

Maat Golenia denkt zurück und kann sich nicht erinnern, Dornfelder in den letzten Jahren freiwillig eingenommen zu haben. Allenfalls mit ahnungslosen 17 Jahren, als der Maat wissen wollte, wie deutscher Rotwein schmeckt und er ihn mit etablierten Franzosen und Spaniern vergleichen wollte.

Bis vor einigen Monaten. Da hatte Maat Golenia in seiner Landbude zu einem offenen Weinabend geladen. Es durfte mitgebracht werden, was gefiel. Und Maat Golenia hatte diebische Freude daran, seine Weinrunde mit einem Dornfelder so richtig zu verarschen.

Blinde Verkostung – niemand kennt das Grauen

Die Krux an der Sache war: Alle Weine wurden verdeckt verkostet. Niemand ahnte, welche Peinlichkeit ihnen bald bevorstand. Auch Maat Golenia nicht, denn er kannte diesen Dornfelder gar nicht. Er rechnete mit großem Mist, doch es kam alles ganz anders …

Allein die dunkle, schwarz-rote Farbe irritierte die geladenen Weinsäufer am Tisch. Denn der Wein war furchtbar dunkel, schwarz-rot. Also wurde dieser Rotwein automatisch in südliche Länder schubladisiert.

Der Dornfelder wurde ja ursprünglich zur Farbgebung schwachbrüstiger, deutscher Weine gezüchtet, und nicht als Qualitätssorte. Dass dieser Dornfelder später einmal zum Renner im deutschen Massenweinmarkt werden würde, konnte in den 50ern noch niemand ahnen.

Dornfelder aus Italien – hä?

Der verdeckte Dornfelder in dieser Weinrunde ließ die anwesenden Gäste völlig im Dunken tappen. Auch Maat Golenia war sehr irritiert. Auch als das erste Schlückchen dieses Rebsaftes im Mund war, gab es keine Entwarnung: Wow! Der hier war anders. Der hier hatte feine, spürbare Gerbstoffe, hatte keinen Kitsch, er hatte Würze, er hatte Grip. Er passte wirklich in südliche (europäische) Länder.

Weil die Gäste ihn nicht dingfest machen konnten, einigten sich die Blindverkoster auf Italien. Denn Italien wird immer gern genommen, wenn man europäischen Stil vermutet, aber ansonsten im Dunkeln tappt. Das heterogene Italien, mit seinen gefühlten 12.359 autochthonen Sorten, musste es irgendwie sein. Man war sich jetzt sicher.

Doch alle Gäste lagen falsch. Niemand tippte auf Deutschland. Die Weinrunde in Maat Golenias Landbude blieb stur bei ihrer Italien-Vermutung. Bis das Geheimnis gelüftet wurde: Deutschland, Dornfelder, Harz! Dieser deutsche Rotwein ist gleich dreifach erstaunlich, denn:

  • er hat keinen Jahrgang. Er ist eine Jahrgangscuvée aus 2008 und 2009
  • er kommt aus keiner klassischen, deutschen Weinregion. Er kommt vom östlichen Harz, also sehr weit nördlich.
  • er ist 100% Dornfelder. Mit eleganten 13,0 % vol. Alkohol.

Der gewohnheitsmäßig verlachte Dornfelder wurde von der Runde für einen ganz guten Italiener gehalten. Peinlich. Dass dieser gut gemachte Rebsaft obendrein noch aus dem Harz stammt, war die Überraschung des Abends. Die Lästermäuler wurden stumm. Maat Golenia eingeschlossen.

  • Dornfelder „Zeitlos“vom Harzer Weingut Kirmann.

 

Datum: 22.7.2012 (Update 7.1.2015)
 

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