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Bier als Wein: Das lass nicht sein

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Es gibt Biere. Und es gibt Biere. Captains Maat und "Biergott" Sepp Wejwar sucht für den Captain und seine Matrosen jene Biere, die mehr sein wollen, als industrielle Massenware. Biere für Weintrinker.

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Sie denken beim Wort Bier immer nur an trockenes Pils? Oder, in Süddeutschland und Österreich, an das so genanntes Märzen? Gelbes mit einer Schaumkrone kennen Sie nur als Reparaturgetränk? Ihr Riechkolben , denken Sie, ist zu fein für Bier? Das ist schlecht. Warum? Weil Sie viel versäumen.

Bier, richtig gut gemachtes Bier, beginnt für mich erst weit hinter dem Rubikon. Der Rubikon, das ist der gelbliche Near-Water-Mainstream; Biere, die man bewusstlos trinkt. Hinter dem Rubikon aber tauchen Kreszenzen auf, deren Spur wir aufnehmen wollen.

Die meisten Brauereien setzten auf Masse, verkaufen tonnenweise simples Einheitsgebräu und stürzen sich in einen dramatischen Preiskampf um die Schnäppchen-Klientel. Aus Sorge, auch nur einen der geschmacksbefreiten Dosensäufer an der Bordsteinkante der Discounter zu verlieren. Diese Brauereien arbeiten nach der Devise „Nur nicht anecken“. Ihre Biere sollen möglichst unauffällig, möglichst Gelb und im Geschmack möglichst simpel sein. Kein Wunder, dass Bier ein banales und billiges Image hat.

Hinter dem Rubikon gibt es allerdings fantastische Spezialitäten. Viele fantastische Spezialitäten. Mit großem Engagement und Verve Gebrautes. Biere, die nach einer soeben angeschnittenen rosa Grapefruit duften. Biere, die nach einem frisch gebrühten Espresso riechen. Spontan vergorene Biere, die manch einem Biertrinker zum Grimassieren bringen, einem Weintrinker aber Vertrautes vermitteln. Biere mit überaus komplexem Aroma – „Früchtekorb“ ist bloß ein Hilfsausdruck. Biere mit dem Geruch nach Pferdeschweiss, Sattelleder und Rauch. Es gibt völlig abgehobene handwerkliche Brauvorgänge. Und coole, industrielle. Auf jeden Fall gibt es viel zu erzählen.

Eines kann ich versprechen: Hier wird kein langweiliges Gesöff vorgestellt. Ich erzähle manchmal vielleicht über ein Bier, das nur wenige trinken wollen. Ich erzähle aber ganz sicher über kein Alltagsgebräu. Alle hier besprochenen Biere werden vor allem eines gemeinsam haben: Sie sind exzellent. Und sie sind Biere für Weintrinker.

Und es werden Biere sein, die man auf keinem Fall in so schreckliche dickwandige Gläser zapfen darf – Humpen, die unsere Lippen beleidigen. Ich rede über Gebrautes, das man in einem dünnwandigen, mundgeblasenen Glas servieren sollte. Weil es, anders aufgetischt, viel von seiner Finesse verlieren würde.

Ich beginne die Serie meiner Biere mit einem Koch: „Mister Molekül“, Ferran Adrià, der katalanischem Weltstar, der mit der Erfindung der Molekularküche die moderne Haute-Cuisine maßgeblich beeinflusst hat. Die katalanische Privatbrauerei Cerveza Damm (wie der Name schon sagt von einem Deutschen gegründet) hat Adrià gebeten, ein Bier zu kreieren. Solche Anfragen werden Adrià öfter gestellt; er gilt als pflegeleicht in der Zusammenarbeit mit großen Konzernen. Und große Konzerne, beispielsweise Nestle, lieben seine ausgefallenen Ideen.

Adriá und die Sommeliers seines Restaurants El Bulli haben von den Damm-Brauern folgende Aufgabe gestellt bekommen: „Das Bier soll zur Speisenbegleitung dienen. Es soll vor allem jene Gerichte ergänzen können, die nicht gut oder gar nicht mit Wein kombinierbar sind. Zum Beispiel: Bittere Gerichte, fetter Fisch, Artischocken, und essigsaure Speisen“ (wobei dem Captain da sicher en paar passende Weine einfallen würden).

Keine Überraschung also, dass sich Adrià einer in der Braubranche eher unüblichen Methode bediente: Er begannen zu cuvetieren. So einstand „Inedit“ („Neuheit“) eine Cuveé aus Damm-Lagerbier (70 Prozent) und Weißbier, das Damm erst seit kurzem braut.

Der zugleich unter- und obergärige Mix duftet anregend nach feinen Früchten und Würzkräutern (speziell Koriander und Pfeffer). Rezenter Antrunk, sehr erfrischend im Mund. Am Gaumen finden wir eine gleichgewichtige und überaus geglückte Kombination der klassisch-herben Aromatik des Lagers und der zarten Frucht des Weizenbieres. Das ganze Bier spannt einen harmonischen Bogen. Vom ersten Eindruck in der Nase bis hin zum langen Ausklang. Wo man einen modischen Kommentar erwartet hätte, gelang Adrià und Damm ein großer Wurf.

Inedit von Cerveza Damm nur in Deutschland und nur in diesen beiden Restaurants:

  • Dos Palillos (das Restaurant im Hotel Casa Camper), Schlüterstr. 7, 10625 Berlin
  • Curry Queen, Erikastr. 50, 20251 Hamburg

Anmerkung des Captain: Der Titel „Biergott“ entstand aus einer satirischen Überhöhung. In Österreich gibt es auch den allseits bekannten „Bierpapst“ Conrad Seidl. Wejwar nimmt damit Seidl freundschaftlich auf die Schippe.

 

Datum: 17.10.2010 (Update 18.10.2010)
 

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