X
Newsletter
X
X
Login
Passwort vergessen?


Konto erstellen

Fass-Schule: Auf den Baum kommt es an!

Timber!
Kommentare
Ähnliche Weine
Ähnliche Artikel
Wie das Fassholz, so der Wein. Am Beispiel eines Top-Rotweins aus der Pfalz erkläre ich euch das Geheimnis der Fassmacher.
Anzeige

Früher verarbeiteten die Küfer (Fassmacher) jeden Baum, der ihnen gerade in die Hände kam: Akazie, Buche, Pappel, Kirsche, Kastanie. Darin reiften dann die Weine der Winzer. Nicht alle wurden so besser. Mit der Zeit merkten die Kellermeister, dass nur Fässer aus Kastanien und vor allem Eichen den Weinen angenehme Aromen mitgeben.

Dass man heutzutage in den Weingütern fast nur noch Eichenfässer findet, hat zwei Gründe. Erstens sind die Geschmacksnoten noch einen Tick interessanter und zweitens können die Küfer Eichenholz besser verarbeiten. Kastanienfässer haben oft zu viele Holzwürmer als Bewohner.

Mehr als 250 Eichenarten gibt es. Aus dreien werden Fässer gemacht: Traubeneiche, Stieleiche und amerikanische Weißeiche.

In französischen Eichenwäldern – die besten und größten in Europa – stehen Traubeneichen und Stieleichen. Die beiden Arten geben jeweils unterschiedlich starke Geschmacksnoten an den Wein ab. Traubeneichen haben zum Beispiel mehr Vanillin. Stieleichen mehr Tannin. Das schmeckt man zwar nicht aber man spürt es. Einen großen Unterschied macht auch die Region, in der der Baum wächst. Und seine enge Umgebung. Im Limousin zum Beispiel (französisches Zentralmassiv) haben es die Eichen richtig gut. Der Boden ist fruchtbar, es gibt wenig Unterholz. Die Bäume haben kaum Konkurrenz und wachsen, was das Zeug hält. Dies bedeutet, dass die Jahresringe und die Poren im Holz größer werden. Fässer daraus lassen später mehr Luft an den Wein, der dadurch schneller reift. Anders ist es bei den Eichen aus Allier in der Region Auvergne. Dort ist der Boden nicht so fruchtbar, die Konkurrenz zwischen den Bäume größer. Also wachsen sie langsamer und ergeben ein feiner gemasertes und feinporigeres Holz. Die Weine in Fässern aus diesem Holz reifen langsamer.

Wenn der Küfer schließlich ein Fass macht, erhitzt er die Holzteile über einer Flamme, um sie in die Fassform zu biegen. Auch dieses so genannte Toasten hat Einfluss auf den Geschmack, den der Wein im Fass später annimmt. Je stärker das Toasting desto kräftiger und süßlicher schmeckt er. Um Unterschiede zwischen den Fässern auszugleichen, nehmen viele Winzer Exemplare aus unterschiedlichen Regionen und von unterschiedlichen Küfern.

Warum aber nehmen Winzer fast überall auf der Welt (abgesehen von den USA) keine einheimische Eiche sondern lassen sich meistens ihre Fässer aus Frankreich liefern? Zum einen sitzen dort die aus Tradition besten Küfer. Zum anderen gibt es dort die meisten Eichen, aus denen sich Fässer machen lassen.

Natürlich gibt es auch Barriques aus Bäumen, die nicht aus Frankreich oder den USA stammen, sondern zum Beispiel auch aus Deutschland, Österreich und den Ländern des ehemaligen Jugoslawien („slawonische Eiche“). Früher waren auch Barriques aus polnischen, lettischen und estnischen Eichen sehr verbreitet. Dann kamen zwei Weltkriege dazwischen. Deutschland und Österreich haben heute als Eichenholzlieferanten nur mehr regionale Bedeutung. Das stimmt vielleicht das nicht ganz. Es gibt nämlich in gewissen Kreisen ein Gerücht. Es besagt, dass eine große Menge sogenannter französischer Barriques aus deutschem Eichenholz geküfert wird. Aber das ist sicher nur missgünstiges Geschwätz.

Bis man aus einer Eiche Fässer machen kann, dauert es 150 bis 230 Jahre. So lange muss der Baum wachsen. Die Franzosen haben das schon vor ein paar hundert Jahren verstanden.

Das Chardonnay-Wunder von Kalifornien

Mitte des 17. Jahrhunderts begannen unsere Nachbarn damit, ihre 4,5 Millionen Hektar Eichenwälder (das ist ein bisschen weniger als die Fläche Niedersachsens) sinnvoll zu verwalten. Sinnvoll heißt: auf keinen Fall zu viele Bäume abholzen. Die schönsten und am besten gepflegten Wälder sind jene, die dem Staat gehören. Der lässt noch seltener Bäume fällen als die Privatbesitzer.

Genug Holzfasstheorie, kommen wir zu einem guten Wein. Winzer Joachim Wegner vom Weingut Wegner in Bad Dürkheim in der Pfalz hat’s drauf mit dem Holzeinsatz. Sein Wein mit dem Namen Philipp ist eine Cuvée aus den Rebsorten Cabernet Sauvignon, Cabernet Cubin und Merlot. Rubinrot mit granatfarbenen Reflexen fließt er ins Glas. Sein intensiver Duft springt mir schon entgegen, bevor ich die Nase über dem Glas in Stellung gebracht habe. Dunkel und schwer steigen Noten von eingelegten Pflaumen und Schwarzkirsche empor, begleitet von etwas Vanille, Tabak und Anis. Was für ein herrliches Vorspiel! Richtig zur Sache geht’s dann am Gaumen. Da wälzen sich eingelegte Pflaume, vollreife Brombeere und fleischige Schwarzkirsche hemmungslos auf der Zunge. Begleitet wird dieses frivole Treiben von dunkler Schokolade, Espressobohnen, Anis und Pfeifentabak. Die Tannine sind weich, fast zärtlich schmiegen sie sich an. Die hohe Säure verleiht Philipp eine wunderbare Frische und lässt ihn trotz der üppigen Aromen leicht genießen. Der Wein hat 14 Volumenprozent Alkohol.

Dieser Tropfen ist einfach großes deutsches Rotweinkino zum unschlagbar niedrigen Preis – für diese Qualität wohlgemerkt! Wer etwas dazu essen will, ist mit Roastbeef oder geschmorter Wildschweinkeule gut bedient. Die Röstaromen dieser Speisen lassen die Philipp-Cuvée zur Hochform auflaufen.

 

Datum: 4.4.2020 (Update 5.4.2020)
 

Ähnliche Weine

 

Ähnliche Artikel