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Auf der Suche nach dem perfekten Kabinett

Superkabi, wo bist du?
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Weinkenner Christoph Hahn verfolgt ein großes Projekt. Er kostet sich durch Deutschlands Kabinett-Weine. Hier ist sein Zwischenbericht.
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Gut trinken möchten viele. Dabei nach allen Regeln der Kunst besoffen werden aber wenige.

Ihnen allen kann geholfen werden, und zwar durch einen guten alten Bekannten. Den Kabinett, am weitesten verbreitet in der Variante aus der Rieslingtraube.

Mit einer Kampfstärke von zumeist deutlich unter zehn Volumenprozent Alkohol streckt er so schnell keinen Konsumenten nieder, pumpt im Spektrum zwischen beinhart trocken (Franken) und opulent fruchtsüß (häufig an der Mosel) die gesamte Bandbreite der Traube auf die Geschmackspapillen und sorgt für Genuss ohne Reue.

Ein harmloser Knilch ist der Kabinett trotzdem nicht, wohl aber ein klasse Kerl, der einiges kann. Vom Zechwein bis zum anspruchsvollen Speisebegleiter hat er so ziemlich alles drauf , was ein Wein können muss.

Leicht muss er sein, frisch im Geschmack. Doch eigentlich ist er kein trendy boy, sondern ein Klassiker, ein Charmeur mit Zeug zum Gaumensex, zur Breitband-Explosion der Aromen auf der Zunge.

Doch wie kann ich dieses Juwel finden, den perfekten Kabinett, und mit ihm Bekanntschaft schließen?

Da hilft nur eines: rein in den Zug, ins Auto, in den Bus und mit dem Reiseführer in der Hand auf Kellertour.

Weinführer? Können helfen, sicher, um die Flut der Angebot schon mal ein bisschen zu sichten. Aber die wesentlichen Erfahrungen lassen sich nur im Vis-à-vis-Kontakt machen. Mit Wein und Winzer.

Zu den Klassikern auf diesem Gebiet zählen zweifelsohne die Weine von Karl Josef Loewen aus Leiwen und dessen Sohn Christopher.

Der einstige Rebell aus dem Kreis der Leiwener Jungwinzer und sein Sprössling treten genauso auf wie das Gutsgebäude an der Matthiasstraße. Bescheiden und mit einem gewissen Hang zum Understatement.

Den Riesling hat der Vater schon mit akkuratem Feinschliff zukunftstauglich gemacht. Mit der Übernahme des Longuicher Weinguts Carl Schmitt-Wagner bekam der stille Star eine Toplage, den Herrenberg, in die Hand, die er mit handwerklichem Können, Intuition und einem Quäntchen Genie zu einem der wohl elegantesten Beispiele für dieses Wein-Genre ausformte und es noch immer tut.

Loewens Kabinette sind ein bisschen wie der Mann selbst, gerade heraus, ohne große Umwege, aber dabei geschliffen wie ein Damaszenerschwert. Ausgestattet mit einer leicht kompottigern Apfelfruchtigkeit plus gelbfleischigem Obst auf der Breit- und mineralischer Würze auf der Schmalseite.

Vor allem bringt sein Herrenberg Kabinett, der noch immer mit dem Namen Schmitt-Wagner auf dem Etikett vermarktet wird, etwas ins Glas, was den Winzer selbst kennzeichnet. Eine ausgeprägte Persönlichkeit.

Die Suche nach dem wahren Kabinett gleicht der Suche nach der einen Liebe.

Und so geht es hin und her im Land, hinauf und hinunter zu Visionären, Einzelgängern, Handwerkern und anderen Könnern.

Dönnhoff und Emrich-Schönleber an der Nahe, Peter Jost am Mittelrhein, Andreas Laible junior und senior in Mittelbaden und so weiter.

Doch schon wegen der Vielfalt der Stilistiken wird der Weingenießer immer wieder an der Mosel landen. Wie die Farben auf der Palette eines Malers auf der Leinwand, so ergänzen sich hier die Stilistiken zu etwas Ganzem, einem Panorama.

Die Liebe hat halt viele Gesichter, der Kabinett, dieser knackige Knabe, auch. Ob Süße oder Säure. Nichts davon darf zu breit geraten, sonst gerät dieser Charmeur außer Form.

Zwei Eigenschaft darf dieser Wein, von seinen Freunden zärtlich „Kabi“ genannt, ebenfalls nicht verlieren, seine Leichtfüßigkeit und seine Eleganz.

Vom Winzer will er auf den Punkt hin poliert werden wie ein edles Stück Tafelsilber. Dann strahlt er und bietet eine klare Kante. Es gibt halt keine Schönheit ohne Widerhaken, und „Frische“ klingt nicht von ungefähr ein bisschen wie „Frechheit“, die Art und Weise, wie zumal der Riesling sich auf der Zunge festbeißt und dann tiefer geht.

Eleganz und Tiefe machen ihn also aus. Und Markus Molitor weiß, wie im Rheingau die Leute von Weil, Kessler, Kühn, Breuer, Vollrads, Johannisberg und Künstler, wie das geht.

Seine Arbeit am Stock und im Keller, seine Detailversessenheit und sein niemals Sattsein sorgen für ganz außergewöhnliche Weine.

Die Kabinette aus seinem Haus Klosterberg zeichnen sich durch eine Brillanz aus, aus der große Strahlkraft leuchtet.

Nicht jedermanns Sache hingegen, dafür aber herrlich old school sind die Rieslinge aus dem Würzgarten der betagten Brüder Alfred und Rolf Merkelmacher. Diese beiden alten Knaben (ein Besuch bei ihnen belohnt jede Anreise) setzen zwar vor allem auf Auslesen, haben aber auch Kabinette im Programm.

Irgendwie schlüpft mir Iggy Pops Song „The Passenger“ ins Hirn. „I’m the passenger, and I ride and I ride.“

Also weiter geht’s, weiter geht die Reise zu größeren und kleineren Winzern.

Zu Stefan Erbes etwa, der im Ürziger Weingut Karl Erbes den ganzen Reichtum der Lagen Würzgarten und Erdener Treppchen auf die Flasche bringt.

Von Station zu Station führt die Reise, vorbei an Bremmer und Ediger Calmont und ihren extrem steilen Rebgärten, zu denen es einen Zugang nur von oben und über ein verschachteltes System von Leitern oder von unten mit der Einschienen-Zahnradbahn gibt, vorbei an den Queranlagen von Pommern hin zu den Terrassen von Winningen.

Jede Flussbiegung und jeder Höhenmeter rauf oder runter bringt ein neues Mikroklima und damit einen zumindest um Nuancen anderen Wein.

Nirgendwo gibt es dieses Pasticchio, dieses Ton an Ton des Verschiedenen, das an eine Komposition aus lauter feinen Pinselst(r)ichen wie auf den Bildern von van Gogh erinnernde Nebeneinander des Verschiedenen, das die Mosel nebst Saar und Ruwer zur Kabinett-Landschaft Nummer eins macht. Probieren, trinken, glücklich sein, kann hier der kulinarische Dreisatz nur lauten.

Das soll den anderen Landschaften ihren Rang nicht nehmen. Es wäre auch lächerlich.

Im Rheingau zum Beispiel, der Wiege des Kabinett. Der Überlieferung nach war es ein Raum im Kloster Eberbach, der zum Weinlager umfunktioniert wurde und diesem Wein seinen Namen gab.

Auch heute gibt es in der Region eine Fülle bedeutender Weingüter wie Vollrads, Johannisberg, Kühn, Breuer, Weil und Kesseler, die Freunde dieses Wein-Genres mit ausdrucksstarken Kabinett-Stücke bedienen.

„Ihr trinkt euren Riesling zu früh!“

Das Auftreten der Winzer zwischen Assmanshausen und Hochheim wirkt schon etwas anders als an der Mosel. Viele Weingüter strahlen einen gewissen Grandeur aus und sind (zum Beispiel Ress) wie ein ausgewachsenes mittelständische Unternehmen organisiert, die eigene (und rührige) Kommunikationsmanagerin inbegriffen. Die Weine von dort sind präzise auf den Punkt gebracht wie eine meisterliche Rede.

Rheinhessen, das mit dem Appenheimer Hundertgulden und anderen Lagen viele ausdrucksstarke Rieslinge bietet, kennt zwar auch den Kabinett, punktet aber eher mit wuchtigeren Weinen vom steinigen Kalkböden.

Er ist halt kein Kraftmeier, der Kabinett.

Die eindrucksvollen Töne aber, das Konzert aus Frucht und mineralischer Würze, das hat er voll drauf. Er kann herausfordernd werden, macht aber nur den, der ihn nicht mit Respekt behandelt, ratzfatz platt. Im Vergleich zu opulenteren Gewächsen wie der Spät- und Auslese ist der Kabinett nichts für das große Theater, liefert dafür aber sublim strahlende Kammermusik vom Allerfeinsten. Viele können lauter. Er kann eindrucksvoller, gerade weil er nicht alles sofort hinausplärrt.

 

Datum: 27.7.2018
 

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