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Vin Naturel – mal ohne Nasenklammer

Der Arsch der Welt hat ein lustiges Etikett...
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Retter regt sich auf, der Captain auch. Doch Maat Dutta ist weiter unterwegs in Sachen Vin Naturel. Halt - keine Panik - es folgt kein missionarisches Trommelfeuer, sondern zwei moderate und bezahlbare Weine mit Stil.
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Ich kann es auch schon nicht mehr hören – Naturwein. Die Sauffähigkeit wird oft moniert, auch der gewöhnungsbedürftige Geruch eingangs (häufig streng), der dann kultisch weggelüftet werden muss. Von den fehlerhaften Weinen mal ganz abgesehen, die es hier zweifellos gibt.

Viele Matrosen haben auf so etwas keine Lust. Weder auf die kultische Verehrung, noch auf das Warten bis zum eigentlichen Trinkvergnügen. Da müssen wir an Bord reagieren. Also stelle ich heute zwei Weine vor, die nicht extrem aber auch keine biederen Normalos sind. Es geht um Farbtöne, die das Leben bunt erscheinen lassen. Auch auf dem Schiff wollen wir bekömmlichen Wein trinken. In einer, sagen wir mal, kippfähigen Komplexität.

Tam Tam am A…ch der Welt

Zuerst geht es ins Roussillon, Südfrankreich. Edouard Laffitte erzeugt dort auf seinen 7 Hektar Anbaufläche Weine, die ihm die Pariser Bohème aus den Händen reißt. Das Weingut heißt unverblümt Le Bout du Monde – Arsch der Welt. Es liegt also nicht gerade zentral. Der Wein wird biodynamisch aus 30 bis 50jährigen Syrah-Reben gekeltert, die auf den hochgelegen Schieferböden perfekte Bedingungen vorfinden.

Wichtig für die Matrosen: sobald der Wein im Bordeauxglas gelandet ist, entfaltet sich – nein, kein Stinker, – eine präzis konturierte Cassisfrucht, süß und rein. Für mich fast eine Spur zu poliert. Als Grundierung und geschmacklichen Kontrapunkt riecht man später noch Leder und die typisch südfranzösische Note nach verbranntem Gummi. Eine spannende Geruchskombi: rund, ehrlich, herrlich.

Keine stundenlange Belüftung ist vonnöten. Lässt man dem Wein aber etwas Zeit im Glas, kommen der sortentypische schwarze Pfeffer und auch nobler Weihrauch hinzu. Die Aromatik wird Minute für Minute dunkler und erdiger, ohne die Frucht zu verlieren. Man möchte einfach mehr davon riechen. Dann auch trinken.

Laffitte hat übrigens auch einen wundervollen Grenache („La Luce“) von Reben im Granitboden. Der Inbegriff transparenter Eleganz. Lasst Priorat Priorat sein, das hier ist bezahlbarer und geht nicht so in die Birne.

Laffittes Kollege Xavier Courant von der Domaine L´Oubliée in Bourgueil an der Loire arbeitet noch nicht komplett biodynamisch. Allerdings ist das sein erklärte Ziel. Also demnächst dann. Hier wächst Breton, wie Cabernet Franc hier genannt wird, auf sechs Haktar und drei verschiedenen Terroirs. Der ehemalige Weinladenbesitzer Courant hat 2009 die Filme von Bertrand Blier (ein französischer Regisseur) zu den Namenspaten seiner Weine gemacht. Der Merci la Vie, den ich heute vorstelle, ist nach einem kultisch verehrtem Werk der frühen Neunziger mit Charlotte Gainsbourg benannt. Postmodern und surreal: Da wird Maat Dutta hellhörig.

Cabernet Franc heißt hier Breton

Der 2011er „Merci la Vie“ kommt von sandig-schottrigen Böden. Nach dem Aufziehen der Flasche halten sich die prägnanten Beerentöne, die mineralischen Anklänge und die herzhaft-fleischige Noten lange die Waage. Recht zarte auf jeden Fall stützende Gerbstoffe und volle Frucht. Auch hier wird der Wein feiner, wenn er Luft bekommt. Doch er funktioniert sofort. Mit der Zeit verströmt er zusätzlich Veilchenduft und salzige Lakritzwolken.

Keine Filtration, nur etwas Schwefel bei der Abfüllung und keine temperaturgesteuerte Gärung. Alles, was ein Vin Naturel haben muss. Trotzdem schmeckt´s. Der Merci la Vie ist und bleibt ein einfacher Geselle, wird aber niemals banal. Trinkvergnügen pur, neuer Aufbruch ohne Gestank.

  • „Tam-Tam“ 2011, Syrah, Roussillon – Frankreich, 13 %, für 13,50 Euro.
  • „Merci la Vie“, Cabernet Franc, 12,5 %, Domaine L´Oubliée, Bourgueil, Loire – Frankreich für ca. 8 Euro.
 

Datum: 29.6.2012 (Update 7.1.2015)
 

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