Viel und gar nichts.
Also trollt sich der Erste in den Schiffsbauch und kommt nach einer Viertelstunde mit zwei Flaschen wieder hoch, die dem Captain viel und gar nichts sagen. Viel sagt ihm der Bordeaux, den der Captain gut kennt. Schwarzes Etikett, ein 2001er. Ein sicherer Bringer. Trotzdem soll der Name hier nichts zur Sache tun, denn dieser Wein, so sensationell gut er war, soll nicht der Star des Abends werden. Der Star wurde ein anderer Wein, einer jener neuen autochthonen Modeweine, die der Captain nun schon wieder zu hassen beginnt. „Du wirst im Alter wie Siebeck sein“ kritisiert der Erste, „und dem Neuen und Modernen ablehnend gegenüberstehen.“
„Halt den Mund und schenk ein“, sagt der Captain.
Kaltes Gulasch aufs Brot.
Zwei Gläser gleichzeitig. Dazu einen kalten Schweinebraten und ein Rest Gulasch auf Brot. Der Captain liebt ein dreimal aufgekochtes, kaltes Gulasch als Brotaufstrich. „Das Beste überhaupt“, sagt der Captain. Und schmiert sich eine Stulle.
Der Erste öffnet inzwischen den zweiten Wein. Er kommt aus Spanien, liegt in einer schweren Flasche und hat eines dieser Typoetiketten, wie sie gerade in Mode sind.
„Ha“, schreit der Captain, „wieder ein Typo-Etikett mehr. Gott wie langweilig.“
„Und?“, entgegnet der Erste, „hat dein Wein etwa kein Typo-Etikett?“
Gut, ein Punkt für ihn, denkt der Captain, denkt aber auch, dass er das jetzt den Ersten nicht wissen lassen muss. Also enthält er sich jeder weiteren Meinung. Und nimmt den ersten Schluck. Aha, interessanter Wein. Aber nicht gleich zugänglich.
Der Captain greift sich die Flasche. Terroir al Limit heißt die Firma, ein kleines Weingut, das Dominik Huber und Eben Sadie machen. Ein Münchner und ein Südafrikaner.
Nun weiß der Captain, dass das Priorat einige Gegebenheiten hat, die man in Spanien nicht erwartet. Zum Beispiel hohe Lagen (hier ca. 850 Meter hoch), die den heißen Tagen kalte Nächte entgegensetzen. Dazu noch ein sehr mineralischer Boden (hier schwarzer Schiefer) und sehr alte Rebstöcke mit autochthonen Sorten (hier Cariñena). Leider gibt es nur sehr wenige Weingüter in der Region, die sich dieser Schätze bewusst sind.
Nur wenige Flaschen und verdeckter Alkohol.
Der Captain dreht die Flasche. Aha: Jahrgang 2009, 14 % Alkohol (schmeckt man nicht), nur 3.458 Flaschen.
„Woher haben wir die?“ „Keine Ahnung“, antwortet der Erste, „lag einfach da.“ Auch gut.
Nach einigen Minuten wird der Wein offen und erinnert in der Nase zunächst an einen mineralischen Burgunder. Etwas Kirsche, viel Zwetschke, eine feuchte Nussschale, der obligate mineralische Aschenbecher, etwas Kautabak, dann Zedern, schwarze Olive, Gelbwurz, etwas Kümmel sogar. Danach aber auch Veilchen und ein Hauch Sonnenblume. Definitiv vielschichtig. Dagegen kann der Bordeaux nicht mithalten.
Und dann im Mund. Sensationell, wie sich hier Säure und Struktur die Waage halten. Besser geht es nicht. Stoff und mineralische Eleganz. Der Wein reifte im kleinen Holz, das Toasting – sollte es eines gegeben haben – ist nicht zu merken. Und: Der Dits del Terra ist schon jetzt gut zu trinken, Säure und Mineralität, prophezeien zudem eine große Lagerfähigkeit. Der Captain hat hier einen Alleskönner vor sich stehen.
Der Bordeaux wirkt dagegen einsilbig.
Und dann greift er noch einmal zum Bordeaux, den er jetzt richtig einsilbig findet. Obwohl dieser das Doppelte kostet, kann er gegen den – auch nicht gerade günstigen – Dits nichts ausrichten. Gefällt dem Captain dieser Stil?
„Na“, sagt der Erste, „was sagst Du?
„Tja“, erwidert der Captain, „zugegeben eine große Leistung. Sehr eigenwillig, kopflastig mit Herz, Ecken und Kanten, die aber zugänglich bleiben. Warm und kalt gemeinsam.“
Das reicht dem Ersten nicht, er verlangt nach einem Fazit.
„Okay“, sagt der Captain, „das Beste seit langem. Selten war ich überraschter und überzeugter von einem Wein.“ Der Erste hebt das Glas: „Trinken wir auf den Eintritt des Captain in die Moderne.“ Und dann muss er sich schnell wegducken.
War auch aus Interesse mal auf der Website der Berliner Modemesse. Da kann ich die Depression des Captains gut nachvollziehen.
Wie sagte schon Krishnamurti:
Es zeugt nicht von geistiger Gesundheit, an eine von Grund auf kranke Gesellschaft gut angepasst zu sein.
Mal wieder eine Labsal für die Seele die Worte des Captain.
Krishnamurti, Mensch,den habe ich vor beinahe zehn Jahren in Südfrankreich gelesen. Die Inder haben halt oft was Treffendes im Gepäck.
Welcher Jahrgang wurde denn unter Deck getrunken vom Captain und dem Ersten?
2009?
MfG
2009
…schönster Text seit langem, der Klimek sollte wieder mehr selber schreiben hier.
Und was das Priorat angeht: DER Fachmann für diese Region ist natürlich Torsten „Priorat“ Hammer. Der kennt die Rebstöcke dort persönlich, alle Winzer und Winzerinnen sowieso und hat den Llicorella-Schiefer auf der Zunge. Außerdem hat er auch eine enorme Auswahl an Prioratos in seinen diversen Bernburger Kellern, die er gern an Freunde dieses kleinen, feinen Anbaugebietes versendet…
Eine Probe konnte ich bisher mit ihm machen:
http://weindeuter.blogspot.com/2011/03/priorat-probe-teil-1.html
Super Artikel, macht Spaß zu lesen!
Hallo Thomas,
schön, wo man sich überall trifft… – eine intensive größere 2009er Prioratprobe ist auch bald wieder angesagt, blind natürlich – der Captain kann ja gern sein Schiff unten am Anleger an der Saale parken und gern mal von Bord gehen – vielleicht will er ja nun nach diesem nicht so schlechten Einstand doch mehr wissen, was der Llicorella Schiefer so Neues hergibt. Einige spannende Weine liegen schon hier und wenn der Captain den Dits del Terra einwirft, wird das Niveau der Probe darunter nicht leiden…
Ich hätte nicht gedacht, dass der Captain so begeistert vom Priorat sein könnte – wenn er bereits vom Dits del Terra so schwärmt (der ja auch ein großer Wein sein kann, wie frühere Jahre es mir bestätigten), dann weiß ich auch, das da noch genug Luft nach oben bleibt.
Beste Grüße vom Priorat – Hammer
http://www.torsten-hammer-priorat-guide.com/blog/derpriorathammer/
Super Bericht. Wie meistens 😉 sehr lustig!
Die tolle Zugänglichkeit und Klasse des Dits kann ich nur bestätigen. Hammer kräftiger und vielschichtiger Wein der ganz schön viel Geld.
Hab diesen mit zwei anderen Weinen von Terroir al Limit aus 2009 am Montag letzter Woche verkosten können. Diese beiden waren leider ein Totalausfall. Ziemlich schockierende Unterschiede innerhalb des Weinguts und ähnlicher Preislagerung (hatte wohl doch nichts mit einem Flaschenfehler zu tun).
VKN’s hier (im unteren Drittel):
http://www.wine-zeit.blogspot.com/2012/01/yesterdays-fantastic-wine-tasting-with.htm
In anderen Jahrgängen konnten mich der Vi de la Vila Torroja und der Ambrossar meistens überzeugen ganz klar überzeugen.
Gruss Chris
Naja, ob dieser Kümmelgeschmack nicht eher vom Gulasch herrührte…
Eben Sadie ist nicht mehr dabei. http://www.weinkenner.de/2012/terroir-al-lmit-ohne-eben-sadie-25495/
Und auch hier, wie neulich bei Katie Jones, ein feiger Akt von Vandalismus gegen den Winzer zu beklagen. s.Link.
Punkte?
…and here are the risaltz:
…
Tree points from Börlin. 🙂
Zwetschke? Och nee! Fatzke! Piefke?