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Kater Holzig: Mehr Riesling ausm Fass!

Warum ist es am Rhein so schön, wenn das Hotel aussieht wie ein Mädcheninternat?
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Holz macht Kater. Wenn man damit nicht umgehen kann. Kleines Holz passt nicht zu jeder Sorte. Zum Beispiel nicht zum Riesling. Außer man heißt Stephan Attmann. Doch jetzt taucht ein zweiter guter Holz-Riesling auf. Eine informelle Weinempfehlung.
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Schloss Rheinhartshausen ist der Hermann Hesse der deutschen Weingüter. Oder einer von den Manns. Thomas. Heinrich. Aber nicht Viktor. Schloss Reinhartshausen ist Bayreuth. Schloss Reinhartshausen ist alte deutsche Kultur. Kennt man. Trinkt man aber kaum mehr. Warum?

Weil es inzwischen viel spannenderes aus Deutschland zu trinken gibt. Vor allem Rieslinge. Und weil sogar im eigenen, schönen und früher so elendsfaden Rheingau genug Weingüter zu neuen Ufern rudern. Zielstrebig, bewundernswert, erfolgreich. Ein kleiner Phönix-Asche-Dingsbums. Nur ohne Reinhartshausen. Bisher.

Riesling. Der wurde in Deutschland neu erfunden. Das kann man ganz ohne Verrenkung so sagen. Und man kann auch sagen, dass diese Entwicklung wohl einzigartig ist. Keine Traube wurde in keinem anderen Land derart neu platziert wie Riesling in Deutschland. Warum? Der Piefke ist eben ein Tüftler.

Keller, wo bleibt Keller?

So gelang es Kamerad Stechschritt (es spricht Kamerad Schnürschuh – kann man „gugeln“) aus Kartoffeläckern und Rübenfeldern ertragreiche Weinhänge mit besonderen Namen zu machen, auf welchen heute die Trauben für ein paar der besten Rieslinge Deutschlands – ach was er Welt – reifen. SpanierKühlingWittmannAntonyStempel. Ok: Keller. Ja! Auch! Keller!!

Und dann Von Winning. Des Captains deutscher Coche Dury. Längst über allen Weinbeschreibungen, längst Synonym für das extrem außergewöhnliche, das revolutionäre, das Wagnis, das gelingt. Und das Wagnis heißt kleines und mittleres aromatisiertes Holz. Sauvignon im Holz, Pinot-Noir im Holz. Aber vor allem Riesling im Holz. Damit hatten sich bereits viele versucht, Stephan Attmann aber hat Holz und Riesling als erster so hingekriegt, dass einem mitunter die Spucke wegbleibt. Geider leil.

Ach ja, Von Winning.

Aber nicht schon wieder Von Winning. Es gibt ja auch andere, die sich mit Riesling und Holz versuchen. Das scheint bei einigen auch zu gelingen, wie der Captain nachlesen kann. Auf seinem eigenen Schiff. Er hat manches nachgetrunken. Und war dann nicht soooo begeistert. Sollte Holz und Riesling etwa doch nur bei Von Winning gelingen?

Doch jetzt Reinhartshausen. Die haben es auch versucht. Da musste auch was Neues kommen, denn die Weine waren zuletzt nur mau, das Weingut wurde zudem mitsamt Hotel und Marianneninsel an eine Pfälzer Investorenfamilie verkauft und musste unter Protest den VDP verlassen.

Die Pfälzer warfen ein paar Leute raus und holten gleich zwei einen zusätzlichen Önologen: Martin Vogel. Vogel hatte schon bei Balthasar Ress gearbeitet, ein anderes traditionelles Weingut, das neu und besser aufgestellt wurde. Er keltert mit Mathias Craß, der seit einigen Jahren die Jahrgänge wieder aufrichtet. Great expectations, also.

Weiter auf Seite 2…

Im Glas der Riesling Erbacher Hohenrain, ein mittelgelber Wein, der an den Rändern keine Verfärbung zeigt. Der Captain riecht etwas Pfirsich, Limettenasche, auch ein wenig frisches Sauerkraut, Aprikose, einen Wrigley Peppermint (nach stundenlangen Kauen aus dem Mund genommen) und nasses Porzellan aus dem Geschirrspüler.

Kein Aschenbecher, seltsam. Dafür aber ein helles, perfekt eingesetztes, mittleres Holzfass. Auch ein bisschen reifes Lesematerial. Im Mund schön leichtgewichtig mit einer subtilen Eleganz, die das Holz dem mittleren Körper des Weins bringt. Hier ist die Mineralität nur eine perfekt gekleidete Begleitung, die den Saft mit ihrem Partner Holz in die Mitte nimmt. Der Wein wird als feinherb ausgewiesen. Das kann der Captain nicht nachvollziehen. Es ist der trockenste Feinherbe ever.

Nur ein glücklicher Zufall?

Doch das wirklich interessante ist der präzise Holzeinsatz, das ist der erste Holzriesling nach den Von Winning-Kreationen, der den Captain überzeugen kann. Sehr gut auch, dass der Önologe – in diesem Fall wohl Mathias Craß – hier keine Imitation eines umstrittenen aber erfolgreichen Konzeptes versucht haben, sondern einen Zugang suchten, der Frische wie Säure betont und den höheren Zuckergehalt für eine leckere Balance benutzt.

Kann auch sein, dass dieser Hohenrain Alte Reben feinherb ein Zufallsprodukt ist. Oder ein in den Markt eingeschleustes Experiment. Sicher jedoch ist der Wein außergewöhnlich und auch die anderen Weine von Reinhartshausen (Marcobrunn, Schlossberg) zeigen – ohne neues Holz – eine veränderte Handschrift. Damit sollen wohl auch die Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Pfälzer Engagements zerstreut werden. Nach dem VDP ist vor dem VDP.

  • Riesling Erbacher Hohenrain Alte Reben 2012 feinherb für 14,50 Euro bei Vicampo. Captains Punkte: 93/100.

Der Zahlmeister kommt gerde von der Berliner Artweek, wo er sich mit seinem Kunstmagazin wichtig gemacht hat. Tolle Frauen da, so macht Kunst Sinn. Und er zündet sich zur Feier des Tages angeberisch eine fette Hoyo de Monterrey Epicure Especial (extralang) an. Protz.

 

Datum: 19.9.2013 (Update 29.1.2015)
 

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