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Orange Wine: Religion statt Genuss.

So riechen fast alle Orange-Wines. Und so schmecken sie auch. Foto: Boston Globe Stock
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Lange waren wir beim Wein von religiös anmutender Weltverbesserung verschont geblieben. Doch jetzt gibt es Orange Wine - eine Kopfgeburt, die keinem schmeckt, weil sie nicht schmecken kann. Captains Streitschrift für das Magazin VINUM.
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Orange Wine. Das ist nicht einfach nur naturbelassener Wein, auch nicht Biowein; Orange Wine ist eine Religion, eine Weit- und Weinverbesserung, die die Weinwelt heimsucht, wie Läuse die Schulkinder. Orange Wine ist eine Plage, eine Pest.

Zuerst eine Richtigstellung. Jeder Winzer, dem es gelingt, biologische Landwirtschaft auszuüben oder seinen Betrieb in diese Richtung umzustellen, muss mit Applaus vor den Vorhang gebeten werden. Denn das ist mit irre vielen Problemen verbunden. Hut ab. Doch dass diese Weine automatisch besser schmecken, ist nicht gesagt.

Hut ab auch vor jenen, die sich einer Naturweinbewegung anschließen. Nicht alle diese Winzer müssen Rudolf Steiner-Jünger sein oder über einen anderen Lebensmittel-Esoterik-Dachschaden verfügen. Dass Vin Naturel automatisch besser schmeckt, ist ebenso nicht gesagt.

Guter Wein? Garantiert nicht.

Gesagt sei aber, dass auch die Amphore keinen guten Wein garantiert. Dass viele dieser teiloxidierten Brühen schmecken, als hätte man Wasser über die Reste eines Großgrünmarkt-Müllcontainers gekippt: Unsauber, unrund, ungewichtig, unfassbar. Doch das alles gilt vielen Weinexperten als neue Weinreligion.

Vergessen ist die Hygiene, ja, sie wird sogar verdammt. Verflucht sei alles, was mit moderner Technik zusammenhängt. Verpönt sind auf einmal alle Leitlinien, die uns seit 30 Jahren so schmackhafte Weine beschert haben. Verlacht sei auch der Geschmack der Weintrinker. Verbündete sind auf einmal unzählige Sommeliers, die glauben, besonders originell zu sein (Nein, Billy Wagner ist damit nicht gemeint!), weil sie Weine zu Speisen servieren, die nicht harmonieren. Weil sie generell nicht harmonieren. Mit nichts.

Was ficht die Winzer an?

Und plötzlich versuchen geniale Winzer wie Peter Jakob Kühn aus dem Rheingau einen Riesling zu keltern (seine Amphore ist kein eigentlicher Orange Wine), der seine anderen Weine in den Schatten stellt. In den langen, dunklen Schatten dieses völlig unnötigen Weinexperiments, das nur Leuten schmeckt, die sich alles einreden lassen, was den Anschein von Ethik erweckt.

Einer der dümmsten Sprüche, die Orange Wines begleiten, ist der Spruch von jenen Menschen, „die Orange Wines unvoreingenommen annehmen, weil sie vorher keine anderen Weine getrunken haben“. Man ist also argumentativ so blöd, dass man jenen Trinker ins Feld führt (den es zudem nicht gibt), der vorher niemals Wein getrunken hat und deswegen Orange Wine augenblicklich genial findet. Der naive Wilde also, jene Kreatur, fern von Technik, Zivilisation und kapitalistischer Ausbeutung, die mit der Natur noch in Einigkeit zu leben versteht. Lächerlich.

Wein ist kein Naturprodukt.

Wein ist kein Naturprodukt. Das Naturprodukt heißt Weintraube. Und musste auch mal veredelt werden, bevor es verwendbar wurde. Wein ist ein durch Zivilisation kultiviertes Genuss- und Berauschungsprodukt, ein Essensbegleiter, eine Lebensbereicherung, ein Rauschmittel. Wenn Wein mit Religion zu tun hat, dann höchstens im Kelch. Das Blut Christi.

Orange-Wine ist aber auch das Versagen des Weinjournalismus. Keiner wollte sich blamieren und den Hohepriester Josko Gravner und seine Jünger anpatzen.

Wobei Gravners Kreationen noch zu genießen sind, wie auch andere Orange Wines dieser Region – die auch Slowenien und Kroatien einschließt – beeindrucken können. Anders schon diverse Produkte aus der Gegend um den Ätna, die wie Fäkalien riechen und wie Fäkalien schmecken. Wer so etwas gerne trinkt und dafür auch noch fünfzig Euro hinlegt, hat ordentlich einen an der Waffel.

Den Irrtum endlich beenden.

Fazit: Es wird Zeit, dass man diesen Irrtum beendet. Zu viel gutes Lesematerial wird für Dreck verschwendet. Wenn Winzer oder Weintrinker eine Religion suchen, dann sollen sie das bitte in der Kirche oder in Sekten tun.

Orange Wines sind der wohl größte Irrtum, der von Weinmoden bislang erst seit kurzem berührten Weinkultur. Entscheiden wird es der Markt. Und der hat eigentlich schon entschieden. Das merkt man dort, wo Gäste bitten, während des Menüs die Weinbegleitung zu ändern.

 

1 Pings/Trackbacks für "Orange Wine: Religion statt Genuss."
Datum: 2.12.2013 (Update 3.2.2015)
 

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