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Meinung: Wachau, quo vadis?

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Frischmaat Thomas Golenia sitzt an diesem Wochenende in seinem Düsseldorf und denkt nach. Über die Wachau. Und die „neue Wachau", wie es so schön heißt. Von der hier schon so oft die Rede war.

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Wenn jemand mit deutschem Pass leidenschaftlich über österreichischen Wein schreibt und sich sogar als Liebhaber outet, wird man von weininteressierten Einwohnern der Alpenrepublik immer etwas schräg angeguckt. Wie bitte? Warum interessieren Sie sich für Österreichischen Wein mit solcher Inbrunst, Herr Golenia?

Im umgekehrten Fall funktioniert das scheinbar problemlos. Da kann sich der Österreicher ohne weiteres für deutschen Wein begeistern und jede Schieferplatte an der Mosel kennen und jeden Rebstock am Rheingau. Das geht in Ordnung. Anschaulich geschrieben: Klein geht eher nach Groß, aber weniger Groß nach Klein. Diese Zugrichtung kennt man. Sie wird als normal empfunden. Besonders in der Medienwelt und in der Weinszene ist das so. Ich fand das immer ziemlich merkwürdig.

Ich ziehe trinktechnisch gern vom großen ins kleine Land. Nach Österreich, in die gute alte Wachau. Hier fühle ich mich ganz wohl. Dieser so stolze alte Wachauer Kahn hat aber mit den Jahren einige Schrammen bekommen. Die sind von weitem nicht sofort ersichtlich. Aber wenn man mit deutschen Augen mal näher hinschaut, fallen einige Makel ins Auge.

Der Kahn Wachau hat Schrammen bekommen

Das hier ist der Versuch, aus deutscher Sicht etwas zu klären, was den Österreichern nicht ganz geläufig zu sein scheint. Und ich ziehe auch meine Beobachtungen im Einzelhandel zur Rate, die da lauten: der Ösi-Boom in Weiß ist hier in Deutschland schon lange vorbei. Und der in Rot ist nie richtig angelaufen. Also: Wachau, quo vadis?

Wir blicken zurück auf den erstaunlichen Boom der österreichischen Weißweine, der im deutschen Fachhandel gegen Ende der Neunziger seinen Anfang nahm. Damals, als der Fachhandel mitbekam, welch erstaunliche Früchte die Alpenbewohner da gerade ernten, die Sie durch Qualitätsbestreben und Verschärfung der Weinbaugesetze schon in den 80ern gesät hatten. Als die Wachauer keck und modern mit ihren Markenzeichen wie Steinfeder, Federspiel und Smaragd um die Ecke kamen und den Deutschen zeigten, wie jämmerlich kompliziert sie ihre Weine auf den altbackenen Etiketten bezeichnen. Am deutschen Weintrinker einfach vorbei. Der nahm solche Vereinfachungen bei gleichzeitig hohem Qualitätsversprechen mit Kusshand auf. Alles klar verständlich, einfach, gestaffelt nach Alkoholgehalt. Das völlig vermurkste deutsche Weinbaugesetzt von 1971 tat sein Übriges. Der Stoff aus Österreich war IN. Und der Wachauer wurde als Vorreiter eines ganzen Landes empfunden.

Das war vor Jahren. Das Geschmacksbild der Konsumenten hat sich seitdem gedreht. Nicht um 180 Grad – aber doch spürbar. Gefragt werden jetzt verstärkt Finesse und wenig Alkohol. Solche Eigenschaften also, die sich im klassischen Geschmacksbild der Wachau nicht wirklich finden.

Wachau zieht nicht mehr

Ich erlebe heute von deutschen Einzelhändlern nahezu immer die gleiche Antwort: „Wachau zieht nicht mehr.“ Wenig Innovationsfreude, zu teuer, zu behäbig, irgendwie unmodern. Zum anderen immer die selben gebetsmühlenartig runtergeleierten Großkopferten wie F.X. Pichler, Franz Hirtzberger, Prager, Emmerich Knoll. Damit wir uns nicht falsch verstehen: ich habe nichts gegen diese Winzer und ihre Weine. Sie sind im deutschen Einzelhandel allerdings ömnipräsent bis zur gähnenden Langweile. Scheinbar lassen sich nur noch die ganz großen Nummern hier verkaufen, weil von unten nichts innovatives mehr nachzieht und über die Grenze schwappt.

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Ich nenne diesen Effekt „die Elsassierung der Wachau“. Bekanntermaßen ist das einst so stolze Elsass im deutschen Einzelhandel toter als tot. Es ist mumifiziert. Von der Bildfläche völlig verschwunden. Und wenn ich mal Elsässer in deutschen Läden entdecke, dämmern sie unbeachtet in den unteren Regalfächern herum. Ich bete inständig, dass der Wachau dieses arme Trauerspiel erspart bleibt.

In Österreich ist Wachau, Smaragd und Co. wohl immer noch ein Selbstläufer. Etwas, das man nicht erklären muss, um es zu verkaufen. Hier in Deutschland ist es, überspitzt gesagt, genau andersrum: da muss man sich den Weinkennern unter seinen Freunden schon erklären, warum man 30 Euro für einen Smaragd ausgibt. Nach dem Motto „Kauf dir für das Geld doch lieber einen eleganten deutschen Riesling, als diese Wachau-Bomben!“

Mit klassischen Weinen der Wachau kann ich auf diversen deutschen Weinproben keinen Weinfreak mehr hinterm Ofen hervor locken. Wenn es nicht gerade der ganz große teuere Stoff ist, erntet man hier mehr höfliches Lächeln als interessierte Geilheit. Alles echt schon zig mal erlebt.

Die Wachau auf Brummer reduzieren ist falsch

Die Wachau ist schon lange kein alleiniger Heilsversprecher mehr für astreine Weißweine von Welt. Die deutschen Weinfreaks misstrauen dem Braten, denn zu oft hatte man schon fette, dichte, ja fast plumpe Smaragde im Glas gehabt. Die waren dann genau das Gegenteil von finessenreich. Oder man hatte dann einen richtig guten Wachauer im Glas und bekam danach die überzogenen Preisvorstellungen der Winzer um die Ohren geschlagen. Da winken viele hier ab. Was wiederum schade ist, denn die Wachau nur auf Brummer zu reduzieren, das wird ihr nicht gerecht.

Daran ist aber die Wachau auch selbst schuld. Sie hat zu lange genau mit diesen Brummern angegeben. Sie stolz vor der Brust getragen als Imageträger. Und damit den leichten Federspiel sträflich vernachlässigt. Vor zehn Jahren waren solche Wachau-Brummer vielleicht der letzte Schrei. Aber heute, wo selbst Müller Lieschen die verholzten Übersee-Chardonnays meidet, ist es schwierig mit solchen Eigenschaften zu punkten. Beim Konsumenten wie beim Fachhandel.

Die 68er-Bewegung der Wachau: Die Neue Wachau

Wo es anfängt muffig und angestaubt zu werden, kommen Gegenbewegungen zum Zuge. Das ist systembedingt. Seit einiger Zeit kursiert die Bezeichnung „neue Wachau“ durch die Netzwelt. Das soll quasi die reinigende 68er-Bewegung für die Wachau sein. An Bord ist schon einiges darüber geschrieben und diskutiert worden. Mit dem von mir gefühltem Ergebnis, dass man die „neue Wachau“ noch immer nicht greifbar machen kann. Denn: worüber wird sie eigentlich definiert? Über störrischen Verzicht auf Mitgliedschaft im Walhalla-Verein Botrytis? Über das Alter des Weinguts?

Den etablierten Größen schmissig den Stinkefinger zeigen ist leicht. Es besser zu machen aber nicht. Warten wir also geduldig ab, ob die „neue Wachau“ Fahrt aufnehmen kann, um die alte Wachau mitzureißen. Ein bisschen wenigstens.

Beim Schreiben der Zeilen hört der Frischmaat die wunderbaren Broken Social Scene. Soll der Obermaat doch seine dämliche Blutwurst fressen und dabei schweigen.

Frischmaat Thomas Golenia ist im echten Leben in einer deutschen Weinhandelskette beschäftigt und arbeitet nebenher bei einem Musiklabel.

Zum Thema Wachau und „neue Wachau“ sind hier am Schiff bereits viele Beiträge erschienen. Eine Auswahl:

 

Datum: 23.7.2011
 

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